Kapitel 41

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Luna:

Zwei Wochen sind vergangen. Zwei unendlich lange Wochen. Die letzten Tage waren hart für mich, vermutlich noch härter als die Zeit, nachdem ich das Schloss verlassen hatte. Damals konnte ich Matteo verdrängen. Ambar griff das Thema nicht auf, ich begegnete keinem aus unserer alten Zeit und so konnte ich mir entspannt eine neue kleine Welt aufbauen.

Natürlich dachte ich damals auch viel an ihn, aber es gelang mir besser, ihn zu verdrängen, da mich nichts an ihn erinnerte. Aber jetzt... Es war, als wären alte Wunden neu aufgerissen. Wenn ich durch Straßen lief erinnerte ich mich an kleine Dinge, die ich zuvor vergessen konnte. Beispielsweise ein Spaziergang auf dieser Straße mit Matteo nach einem Date, oder einen Einkauf in einem Laden mit ihm.

Aber das Schlimmste waren Sols Fragen. Ich dachte, sie würde ihn mit der Zeit vergessen, doch so war es nicht. Beinahe jeden Tag fragte sie ganz gespannt und mit großen Augen: „Kommt Matseo heute?" Und wenn ich ihr dann mit „Nein" antworten musste, wurden ihre Augen immer nur noch größer. „Wann kommt er wieder?" Vor einer Antwort auf diese Frage flüchtete ich stets.

Es brach mir das Herz, sie von ihrem Vater zu trennen, aber hatte ich eine Wahl?

Gerade saß ich auf der Couch in Sols Zimmer und las meiner Tochter, die auf meinem Schoß saß, eine Geschichte vor. „...Und dann ist das Bauernmädchen auf den Frosch zugegangen und hat ihn geküsst." Ich unterbrach mich, da ich über Sols angeekelten Blick lachen musste. „Bäh!" stieß sie aus und verschränkte demonstrativ ihre kleinen Ärmchen.

Ich lächelte. „Jetzt warte doch mal, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Also, der Frosch verwandelte sich in einen Prinzen." Die Augen meiner Tochter wurden groß vor Staunen. „Und dann?" „Dann hat der Prinz das Mädchen geheiratet, sie wurde Prinzessin und beide lebten glücklich auf seinem Schloss."
„Ohhh..." machte sie nur.

Dann sah sie mich fragend an. „Sind alle Froschs Prinzen?" Ich musste mir ein Kichern verkneifen. „Nein, nur der hier." Grübelnd, als müsste sie ein schweres Rätsel lösen, fragte sie: „Warum war dann der Prinz Frosch?" Ich lächelte.

„Weil er verzaubert wurde." „Aaahh!" Jetzt strahlte sie übers ganze Gesicht. „Schöne Geschichte!" „Mhhh" antwortete ich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann hörte ich Ambar von unten meinen Namen schreien.
„Luna!" Ich schüttelte grinsend den Kopf, weil das sonst nicht Ambars Art war. Wenn sie etwas wichtiges von mir wollte, wäre sie zu mir gekommen.

Gerade wollte ich meine Aufmerksamkeit wieder meiner Tochter widmen, als Ambars Stimme lauter wurde. „LUNA!" „Was?!" rief ich raus ohne mich zu bewegen. Keine Antwort. Ich wollte es gerade aufgeben, als sie, noch lauter, durch die Villa schrie: „LUNA! BEWEG DEINEN VERMALEDEITEN HINTERN HIERHER! JETZT!!!"

Augenverdrehend, aber mit einem Grinsen setzte ich Sol ab und begab mich auf den Weg nach unten. Ambar saß im Wohnzimmer und starrte gebannt auf den Fernseher. „Ich bin hier, also was ist denn los?" wollte ich, jetzt doch neugierig geworden, wissen.
Sie starrte wortlos auf den Fernseher und winkte mich zu sich auf die Couch.

Fragend sah ich auf den Bildschirm. Ich hörte nicht genau zu, was die abgebildete Reporterin sagte, da ich auf den Hintergrund sah. Matteo war zu sehen. In Prinzenuniform. Auf einem Podest in einer Pressehalle oder sowas. Anklagend blickte ich zu Ambar. „Ist das dein Ernst? Du weißt doch, dass ich allem aus dem Weg gehen wollte, was mit ihm zu-" „Ach, halt einfach die Klappe und hör zu!" unterbrach sie mich unwirsch und zog mich neben sich.

Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte mich gegen sie zu wehren, also gab ich auf und starrte, genau wie sie, auf den Fernseher.

(Eine große, brünette Reporterin erzählt aufgeregt im Vordergrund:)

„...versammelt, da Prinz Ramon überraschend eine Pressekonverenz ausgerufen hat. Was er uns wohl mitteilen möchte? Es heißt, dass er eine wichtige Verkündung machen will! Wir lauschen gespannt, bleiben Sie dran! Wir sind live!

Und da schreitet der Prinz auch schon an das Sprecherpult. Die Spannung steigt..."

Das Bild wird auf Matteo gerichtet. Dieser wirkt leicht nervös, fasst sich aber wieder. Er atmet einmal tief durch, bevor er zu sprechen beginnt:

„Zunächst möchte ich Ihnen danken, dass Sie sich die Zeit nehmen, mir zuzuhören. (Kurze Pause) Mein Name ist Prinz Ramon Matteo Balsano, Thronfolger von Mexico. Wie Sie sicherlich alle wissen, werde ich schon bald das Amt meines Vaters übernehmen und zum König gekrönt, und ein König muss Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Dies werde ich heute tun.

Wahrscheinlich können sich viele daran erinnern, als ich vor drei Jahren eine Freundin hatte: Luna Valente."

Selbst durch den Fernseher hörte man das Raunen, dass durch die Presse ging. Irritiert starrte ich weiterhin den Bildschirm an. Was hatte Matteo nur vor?!

Ich habe sie damals während meines Auslandsjahres kennengelernt und mich in sie verliebt. Wir waren schon fast ein Jahr zusammen, bevor ich sie mit zu mir nach Mexico nahm. Was dann alles passierte, ist Ihnen vermutlich noch bekannt.

Viele werden sagen, dass Luna sich damals tollpatschig und völlig ungeeignet für den Hof verhalten hat. Heute aber mächte ich Ihnen die Wahrheit erzählen: Luna ist das Beste, was mir je passieren konnte.

Sie war stets aufopferungsvoll, hilfsbereit, loyal und bescheiden. Immer konnte ich mich auf sie verlassen, wenn ich Hilfe brauchte.
Der Tod der Königin, meiner Mutter, und der Prinzessin, meiner kleinen Schwester, hat uns vor ein paar Jahren in tiefe Trauer versetzt. Luna hat mir geholfen, mit dieser Trauer abzuschließen.

Vielleicht besaß sie damals nicht das Verhalten oder die nötigen Manieren, die mein Vater für richtig gehalten hatte. Doch ich kann Ihnen versichern: Auch wenn Luna nur ein gewöhnliches Mädchen war, sie trägt das Herz einer wahren Prinzessin in sich.

Als damals so viele aufgrund ihres Fehlverhaltens auf sie losgingen, habe ich nichts unternommen. Ich war zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt, als dass ich ihre hätte sehen können. Ich habe mich falsch verhalten, und das möchte ich heute ändern.

Nun fragen sich vermutlich viele, wieso ich Ihnen das alles überhaupt erzähle. Der Grund ist folgender:

Ich bin Luna vor kurzem wieder begegnet. Hier, in Buenos Aires. Trotz allem, was die Öffentlichkeit ihr angetan hatte, hat sie sich nicht verändert. Immernoch ist sie genauso liebenswert, freundlich und gütig wie vor drei Jahren. Immernoch ist sie für mich perfekt, und darum möchte ich ihr und allen anderen heute sagen, dass ich sie liebe."

(Stille im Saal)

Matteo richtet seinen Blick nun direkt in die Kamera.

„Luna, wenn du das siehst und uns noch eine Chance geben willst, dann komm an den Ort an dem alles angefangen hat."

(Einen Moment herrscht Stille, dann wird der Bildschirm schwarz; Ambar hatte den Fernseher ausgeschaltet)

Don't lose the PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt