Kapitel 11

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Luna:

Von innen schien das Rathaus noch größer. Wir mussten durch ein paar prachtvoll geschmückte Gänge laufen, ehe wir in einen Saal kamen, in dessen Mitte ein langer Tisch stand, der mit Kaffe und Gebäck gedeckt war.
Sogar Platzkärtchen befanden sich an den Sitzen.

Die fremden Herren begannen eifrig ihren Sitz zu suchen, während ich noch staunend den Saal betrachtete. Der König saß am Ende des langen Tisches. Daneben hatte Matteo Platz genommen. Neben ihm saß ich. Die Stühle waren erstaunlich bequem. Es war seltsam für mich, in einem Rathaus zu speisen als wäre es ein Restaurant. Es kam mir so falsch vor.

Man brachte uns die Vorspeise. Ich konnte nicht sagen was genau es war, aber es sah aus wie ein kleines Küchlein und schmeckte nach Gemüse. Die Hauptspeise war so etwas wie Meeresfrüchte. Eigentlich mochte ich sowas gar nicht, aber um nicht unhöflich zu wirken schluckte ich die Bissen brav hinunter... auch, wenn ich mir dabei das Würgen verkneifen musste.

Die anderen nahmen keine Notiz von mir. Sie unterhielten sich mit ihrem Sitznachbarn oder Gegenüber über irgendwelche politischen Themen, die ich nicht verstand. Matteo war mit seinem Vater und einem nahe sitzenden Botschafter in ein Gespräch in einer mir fremden Sprache verwickelt. Vermutlich griechisch oder sowas in der Art.

Alle unterhielten sich, nur ich nicht. Auch, wenn ich von so vielen Menschen umgeben war, fühlte ich mich allein. Und überflüssig. Vor der Nachspeise beschloss ich, kurz auf die Toilette zu verschwinden. Also stand ich hastig auf und lief an Matteo vorbei. Dabei warf ich jedoch versehentlich eine Schale mit Soße um. Der Inhalt kippte und landete genau... auf der Hose des Königs!

Entsetzt hielt ich die Hand vor den Mund. Was hatte ich getan! Auch der König stand erschrocken von seinem Stuhl auf. "Du lieber Himmel!" stieß er aus. Alle Augen waren auf mich und den König gerichtet. Mir schoss die Röte ins Gesicht, gleichzeitig war ich blass vir Schreck.  "Eure Majestät! Es tut mir so Leid, das wollte ich nicht!" stammelte ich, immernoch bewegungsunfähig. Die Hose war ruiniert. Au weia...

Einen Moment lang sah er mich mit wütendem Gesicht an. Dann schien er seine Fassung wieder zu erlangen. Mit zusammengebissenen Zähnen presste er hervor: "Nun, es war ja nur ein Missgeschick." Seine Stimme war kalt wie Eis. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Wären wir allein, wüsste ich nicht was er getan hätte.

Schon kamen ein paar Angestellte mit ein paar Lappen und nahmen den König in eine Seitenkammer mit. Ich stand immernoch da, unfähig mich zu rühren. So vieles schoss mir durch den Kopf, und gleichzeitig war mein Kopf so leer. Irgendwann erwachte ich aus meiner Trance, als sich eine auf meine Schulter legte.

"Komm, setz dich hin. Es erregt nur noch mehr Aufmerksamkeit, wenn du da stehen bleibst." Matteo sagte es befehlerisch, aber es lag ein mitfühlender Unterton in seiner Stimme. Ich wehrte mich nicht, als er mich vorsichtig zurück zu meinem Platz zog. Die Botschafter aßen weiter, als wäre nichts gewesen, dich ich vermutete, dass sie heimlich über mich sprachen.

Als der König wieder erschien trug er eine neue, saubere Hose und hatte sich wieder vollständig im Griff. Mit erhabener Stimme tönte seine Stimme durch den Saal: "Meine Herren, ich möchte sie bitten, mir nun bei einer Tour durch unser schönes Rathaus zu folgen."

Alle standen auf und kamen seiner Aufforderung nach.  Eine junge Frau in dunkelblauem Kostüm führte uns durch das ganze Gebäude und zeigte uns ausgestellte Gemälde oder Kunstgegenstände. "Und hier haben wir ein Abbild von König Ramiro, dem zweiten. Das Bild stammt aus dem 15. Jahrhundert und wurde..." Schon nach ein paar Sätzen hörte ich nicht mehr zu.

Ich konzentrierte mich darauf, nicht aufzufallen. Wir liefen weiter zu ein paar Glaskästen mit Gegenständen darin. Die Frau hielt vor einem Brieföffner, und begann begeistert darüber zu berichten. Ich sah die Frau an, lief jedoch unbemerkt weiter. Gerade als mir auffiel, dass ich gar nicht sah wohin ich lief, rempelte ich gegen etwas. Dieses etwas fiel um und zersplitterte auf dem Boden.

Es war eine Vase. Zumindest bis eben noch. Alles Augen waren auf mich gerichtet. Die Meisten sahen mich tadelnd an. Sofort lief ich rot an. Warum musste das immer mir passieren. Mit zusammengebissenen Zähnen präsentierte die Frau: "Und das war eine Vase aus dem 12. Jahrhundert. Der spanische König hat es Mexico als Friedensgeschenk überreicht. Sie hatte einen unschätzbaren Wert!"

Ich wollte im Biden versinken. Jetzt. Wieso erlöste mich niemand?! "Ich..." mehr brachte ich nicht heraus. Dann erklang die Stimme des Königs: "Werte Herren, ich bedaure mitteilen zu müssen, dass ich aus geschäftlichen Gründen wieder zum Palast fahren muss." Er schritt durch unsere Reihen. Dabei war ihm die kaputte Vase nicht entgangen.

"Darum" fuhr er fort. "verabschiede ich mich nun offiziell von Ihnen. Es war schön, Sie alle einmal wiederzusehen. Ich hoffe Ihnen sind ihre Aufträge klar, sodass Sie Mexico guten Gewissens wieder verlassen können." (Dass sollte feierlich klingen)

Wir gingen also zum Ausgang, wo uns die Paparazzi bereits erwartete. Als das Volk Matteo und den König erblickte, jubelte es ihnen zu. Wir standen auf der Eingangstreppe. Ich hatte zu winken und zu lächeln, doch mein Lächeln wirkte unecht und meine Bewegungen zu steif. Ich war so nervös. Mir schossen Bilder durch den Kopf, was ich slles falsch gemacht hatte, wodurch ich noch nervöser wurde.

Irgendwann sollten wir zur Kutsche laufen. Die Botschafter hatte sich seitlich in einer Reihe aufgestellt, um uns zu verabschieden. Der König lief zuerst hinunter, Matteo hinter ihm her und dann kam ich. Bei der zweiten Stufe allerdings blieb ich mit dem Absatz hängen.

Ich verlor das Gleichgewicht, stolperte und fiel... genau auf einen der Botschafter. Dieser stürtzte mit mir zu Boden, wodurch er den Botschafter hinter sich mitriss. So ging es weiter bis schließlich alle zu Boden gestürtzt waren... und ich war Schuld daran.

Ich wollte weinen. In diesem Moment ging es mir so elend. Die Fotografen erzeugten ein Blitzlichtgewitter, die Zuschauer lachten mich aus, Matteo sah mich fassungslos an und der König konnte seine Wut nur mit Mühe verbergen. Es war so schlimm. Ich war wie in Trance. Wie gerne hätte ich geweint, doch ich musste mich zusammenreißen.

Was dann passierte wusste ich nicht mehr so genau. Nur wage konnte ich mich an die Kutschfahrt erinnern, sie war schweigsam und unangenehm. Beim Schloss angekommen meinte ich, dass Presseleute mich mit Fragen behagelt zu haben, doch ich nahm alles nur gedämpft war.

Sobald wir im Schloss waren, hatte sich der König verzogen. Ich stand alleine im Eingangsbereich, nur Matteo war noch da. Sobald die Tore ins Schloss fielen, und uns keiner mehr sehen konnte, verlor er seine ausdruckslose Miene und nahm eine wütendes Gesicht an.

Don't lose the PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt