In der Patsche

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Owen nahm das Telefon wieder herunter und starrte das Display an.
Es war eindeutig Business Claire die ihm vom Profilbild entgenenstahlte, darunter zu lesen JW CEM.
"Henry?" kam eindeutig ihre Stimme nun erneut fragend aus dem Apparat.
"Ich... ehnn ... ich...", stammelte er hilflos, ohne das Telefon wieder aufzunehmen und behielt den sinkenden Akkustand im Blick.
Auf dem Festland würden sich mit den 11% vielleicht noch zwei Anrufe tätigen lassen, doch die Suche nach einem Netz hatte das Ganze schon zusätzlich beansprucht, weshalb er nun zusah, wie der Stand von 9 auf 7 herunterfiel.
Vielleicht hatte sie ihn nur nicht richtig verstanden. Immerhin war es Wus Handy mit dem er telefonierte, und die Verbindung war nicht die Beste, also nahm er beherzt das Telefon wieder auf und reihte aneinander: " Ich bin nicht...Henry. Ich bin's... Honey, ist alles in Ordung?"
"Natürlich..." kam es ausdruckslos aus dem Apparat.
Weitere Atemzüge lang verschlug ihm ihre Antwort die Sprache, dann sagte ihm der überlebenswillige Teil seines Verstandes, dass irgendetwas ganz falsch war und er eine Entscheidung treffen musste, die sich in 6% Akkuleistung unterbringen ließen.
"Ich...ehm. ruf wieder an, okay?" ließ er sie wissen, in der Hoffnung, es würde etwas nützen und ihr sonderbares Verhalten wäre einer grottenhaften Verbindung geschuldet, tapfer den Teil ausblendend, dass er selbst sie klar und deutlich verstanden hatte, "Claire? Ich ruf dich wieder an!" sagte er noch einmal mit Nachdruck, dann legte er auf.

Eine zweite Nacht auf Claires Couch hatte nicht unbedingt dazu geführt, dass es ich besser anfühlte als die Erste.
Barry fühlte sich im Gegensatz zu Anamika nach wie vor wie ein Eindringling, doch seine Lodge war genauso ungeeignet für zwei Babys, wie die seiner Freundin.
Weshalb ihnen nichts anderes übrig geblieben war, als ein weiteres Mal ihr Nachtlager hier aufzuschlagen, nachdem sie Owen natürlich NICHT im Masrani Gebäude hatten finden können.
Dennoch stand sein Gedankenkarussell nicht eine Minute darüber still, wo um alles in der Welt sein bester Freund hingelangt sein könnte.
Owen würde niemals seine Familie im Stich lassen, um diese Aussage zu untermauern würde Barry sein Leben verwetten.
Der Morgen dämmerte in das große, luftige Wohnzimmer und er rollte sich nach der weiteren schlaflosen Nacht von ihrer behelfsmäßigen Schlafstatt und streckte die müden Knochen.
Er betrachtete seine schlafende Freundin und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es gut war, dass sie mehr als zehn Jahre voneinander trennten.
Er wusste das Anamika nichts lieber wäre, als dass sie die kleinen Schreihälse endlich wieder ihren Eltern zuführen könnte, doch sie ließ sich tapfer nichts anmerken.
Half ihm sie zu versorgen und verzog auch keine Mine bei einer vollen Windel.
Doch wenn sie schlief, sah sie so jung aus - dass er sich unwillkürlich noch älter vorkam.
Er beugte sich zu ihr herunter, gab ihr einen vorsichtigen Kuss auf die nackte Schulter und tappte leise in die Küche.
Auf der Anrichte langen neben Seinem, und Anamikas Mobiltelefon auch das von Owen, dass sie im Schlafzimmer gefunden hatten.
Er kannte den Entsperrcode: - 867- es war Blues Registriernummer, dann der Anfangsbuchstabe ihres Geburtsmonats - doch so oft er es geöffnet hatte, es war absolut nichts darin zu finden, das ihn weitergebracht hätte,um herauszufinden, was mit ihm, oder Clarie passiert war, oder wo er sich befand.
Ebenso hatte niemand von Anamikas Suchtrupps Henry finden können.
Der Wissenschaftler war genauso verschwunden wie sein Freund.
Auch wenn Carlos zweifelsfrei beschrieben hatte, dass Wu und Owen gemeinsam das Wohngebäude verlassen hatten, konnte er sich keinen Reim auf den Grund dafür machen. Wer konnte schon sagen, ob Carlos in seinem wirren Kopf, die Ereignisse richtig zusammengefügt hatte und WER WANN an seinem Tresen vorbeigegangen war?
Barry hatte die ganze Nacht lang weiter gegrübelt und jetzt wo sie endlich vorbei war, war er nicht nur müde und zermürbt, sondern genauso ratlos wie vorher.
Wahllos wischte er durch Bilder, Musiktitel, Kalender, Chatverläufe und Emails ohne auch nur auf den geringsten Hinweis zu stoßen.
Kurz hielt er bei einem Bild inne, dass man offensichtlich von der kleinen Familie im Krankenhaus geschossen hatte:
Erschöpfte aber überglückliche Eltern mit frisch eingewickelten Zwillingen.
Es war immernoch unfassbar, in welch rasanter Geschwindigkeit sich deren Leben weiterentwickelt hatte.
Vielleicht hat Wu Beide irgendwie überfallen, Owen beiseite geschafft und Claires Gedächtnis schützt sich mit den dichten Schotten vor der unausweichlichen Wahrheit.
Ein unfassbarer Gedanke.
Dennoch trieb sein Gehirn den Gedanken weiter voran und vor seinem geistigen Auge erschien sein ziemlich toter Freund in einer schummrigen Seitengasse, abgelegt zwischen Müllcontainern, wie ein Stück Abfall und ähnlich fiese Gestalten zerrten Claire in den Keller von Masrani Inc. und taten ihr weiß Gott was an.
Doch warum hatte man dann die Zwillinge in Anamikas Büro verbracht?
Eine leise Hoffnung flammte wieder auf.
Vielleicht waren sie es selber, um euch irgendetwas mitzuteilen?
"Aber was...?" murmelte er von sich hin, was er seit einer gefühlten Ewigkeit in seinen Gedanken herum schob.
"Wenn ihr Freund vielleicht kalte Füße bekommen hat und sich bloß aus dem Staub machen wollte...sich eine Auszeit nehmen, sie wissen schon..." klingelte ihm die Worte des Polizisten in den Ohren, "sie kennen doch die Zigarettenholengeschichten. Es verschwinden hin und wieder Leute ganz von allein - wir werden solange nichts machen können, bis sich ihre Freundin erinnern kann und uns vielleicht weiterhilft. Bei Erwachsenen geben wir so rasch keine Vermisstenanzeige auf Mam! " hatte dieser sich dann an Anamika gewandt und so hatten sie unverrichteter Dinge, nach der erfolglosen Suchaktion im Keller ebenso erfolglos das Polizeipräsidium erneut verlassen, in dem sie bereits am Nachmittag eine Aussage gemacht hatte.
Die Tatsache, dass er vermutlich mit Wu aus dem Haus gegangen war, hatte sie bewusst verschwiegen.
"Lasche Costaricanische Polizisten!" hatte Anamika geflucht, als er seine Zweifel an ihrer Vorgehensweise einräumte - man hätte besser doch ALLE Details auf den Tisch gelegt - "... was sollen sie denn mit der Info anfangen? Deren größtes Tagesereignis ist es doch Falschparker auszuschreiben! Ich will garnicht wissen, was sie aus der Info: Owen ist mit einem anderen Herrn verschwunden, zurechtbasteln! Die sind doch alle behämmert! Glaub mir. Du hast die doch gehört... Zigarettenholen lässt Leute veschwinden!"
Ihre perfekt gezupften Brauen hatten sich zusammengezogen und Barry hatte hilflos mit den Schultern gezuckt, während sein Hirn hoffte, sie möge Recht behalten.
Er öffnete unwillkürlich einen Chatverlauf mit Amber und entdeckte dort die unbeantwortete Nachrichte mit einem Foto von einer fröhlich, grinsenden Rosie in deren perfekter Zahnreihe ein Zahn fehlte.
Untertitelt mit: "Die erste Zahnlücke!" und geschmückt mit einem gelben Smileygesicht.
Es war die letzte Nachricht und Owen hatte sie noch nicht beantwortet.
Alles nichts ungewöhnliches.
Während Barry überlegte, ob er sie anrufen sollte, muckte Anamikas Handy auf dem Tresen auf.
"Henry...ruft an..."
Auch wenn der Apparat auf "Lautlos" gestellt war, kam es Barry vor als würde das Gerät ihn von der Seite anschreien.
Verfluchter Cretain! Es ist 6 Uhr Morgens! und überhaupt, mal abgesehen davon! Was hat der für Nerven?!"
Er blickte zu Anamika, die weiterhin selig schlief und überlegte, ob er einfach abheben, oder den Anruf verhallen lassen sollte. Es war schließlich nicht sein Handy, doch zumindest würde er ihm seinen verschissenen Arsch aufreißen können.
Immerhin war ihm jede Gelegenheit dazu bisher verwehrt geblieben. Wahrscheinlich rief er an, um sich reumütig zurück zu melden.
Er warf einen letzten Blick zu Anamika, die sich nun herum drehte und aufzuwachen begann.
Entschlossen griff Barry das Telefon und wischte über den grünen Knopf.
"Wu!" keifte er in den Hörer und als Anamika ihn erschrocken an blinzelte, war ihm bewusst, dass er zu laut gewesen war, um ihr die Chance zugeben behutsam zu erwachen.
Sie verzog das Gesicht, wühlte sich aus den Kissen und war in wenigen Schritten bei ihm, " Sie sind ein elender feiger Mistkerl...!" gefolgt von einer Menge kreolischer Flüche, während seine Freundin stumm nach dem Hörer verlangte.
"Gib ihn mir..." forderte sie und zerrte an dem Aparat.
"Sie haben keine Ahnung was ich..." schimpfte er weiter, während Anamika nun mit einem Ruck das Gerät in ihre Gewalt brachte.
Barry ließ ein verächtliches Schnauben vernehmen und wandte sich dann von ihr ab um verärgert den Küchenbereich zu verlassen.
Er wandte sich erst wieder um, als ihre Worte genauer an sich heran ließ.
"Wo bist... OWEN!!"
Barry drehte sich um und schnellte zu ihr zurück.
"Ist er bei ihm?!" fragte er hastig und er spürte eine schlagartige Erleichterung.
Anamika machte eine abwehrende Handbewegung und deutete auf den Aparat.
"Schht ich verstehe doch nichts, es ist WAS?! ...Claire? ..." und die Frage nach ihr ließ Anamika in Barrys Blick die bittere Antwort finden, "Owen?Hallo? Owen?!"
Sie ließ den Hörer sinken und ihr Gesicht blickte ernst und ratlos.
"Das war Owen...", meinte sie verwirrt und starrte nochmal den Apparat an, der ihr eindeutig einen Anruf von Henry angezeigt hatte.
Barry ließ ein erleichtertes Seufzen vernehmen, "Guuut.. und wo ist er ? Wieso ruft er von..." begann er doch Anamika fiel ihm ins Wort, "Er hat sofort nach Claire gefragt, ob sie okay ist. Dann hat er gesagt, dass der Akku gleich tot ist, die Verbindung war total schlecht. Das Letzte was ich verstanden habe war: Sorna." sie hielt ihm den Apparat hin, als wollte sie ihm beweisen, dass die Verbindung beendet war.
"Ist er dort?" fragte Barry und sein Blick wurde leer und ratlos erwidert.
Anamika konterte mit einem Achselzucken.
"Verdammt!" fluchte Barry, "... na immerhin ist er tatsächlich am Leben - sollte das bedeuten, dass wir den Kerl jetzt jeden verdammten zweiten Tag irgendwo im Pazifik auflesen müssen?! Er sollte dringend seine Hobbys überdenken!"
Aus dem Schlafzimmer meldete sich einer der Zwillinge zu Wort.
"Ich geh nach ihnen sehen..." meinte Anamika und legte das Handy ab, dass Barry sofort wieder aufnahm.
Er switchte durch die Anruferliste und drückte den Rückrufbutton.
"Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar." tönte es aus dem Apparat.
Anamika kam mit Derek auf dem Arm zurück.
"Guten Morgen..."murmelte sie in einem zuckersüßen Säuselton, " Guten Morgen, guten Morgen..." dann lächelte sie den Kleinen an und wog ihn sanft hin und her, "Onkel Barry musste nochmal versuchen, ob tatsächlich die Verbindung abgerissen ist..." meinte sie zynisch zu dem Kind und dann grinste sie Barry an.
Er lächelte verlegen und streichelte ihre Wange, " Entschuldige, ich..."
"Schon okay..." murmelte sie erneut mit derselben, wohlwollenden babyfreundlichen Stimme, " ich hätte es auch versucht." Dann wandte sie sich wieder dem Kind zu, das sich nun in ihren Haaren zu verkrallen begann.
"Du machst dich wirklich gut..." bemerkte Barry, "so als Ersatzmama..."
"Ich mag den hier ein klein bisschen lieber..." gab sie zu und drückte einen dicken Schmatzer auf das rosige Kindergesicht und entlockte ihm so ein Glucksen, "ich darf das sagen, ich bin schließlich nicht seine Mum."
"Was machen wir jetzt?" stellte Barry die unvermeidbare Frage und es überraschte ihn immer wieder aufs neue, das es für Anamika keine ausweglosen Situationen zu geben schien als sie ihm antwortete: " Du fliegst nach Sorna und siehst nach ob er irgendwo dort sitzt und auf den Bus wartet."
"Ich?... Und was machst du?" fragte er verblüfft.
"Na die Ersatzmama kümmert sich solange um die kleinen Scheißer hier..." meinte sie und blickte Derek grinsend an, "außerdem muss ich im mal im Krankenhaus nach meinem Assistant Manager sehen und herausfinden - was man ihr zumuten darf und was nicht. BEVOR wir Owen davon in Kenntnis setzten, dass..." sie stockte einen Augenblick , um das Unvermeidliche zu umgehen und wich dann aus, "... ich werde einfach nach ihr sehen."

Owen hatte ein Werkzeugset gefunden, doch war einfach nichts dabei, dass sich eignete, um die Nieten zu entfernen oder den Deckel über den Zündkabeln zu lösen.
Er wusste nicht zu welchem Ergebnis, sein Anruf geführt haben mochte, als das Telefon sein Lithium - Ionen - Leben dahingehaucht hatte - abhängig von einem Strom Netz - doch das kurze Telefonat mit Claire hatte ihn dermaßen beunruhigt, dass er es nicht drauf ankommen lassen wollte noch länger hier zu sitzen und abzuwarten, ob seine Freunde ihn vielleicht verstanden hatten oder nicht.
Nicht noch eine Nacht!
Zugegebenermaßen, es hatte schlechtere Nächte gegeben, als diese, doch auch wenn ein nicht zu vernachlässigender Teil seinen Herzens an Dschungel und Dinoschuppen hing, so zerrte es ihn in die unausweichliche Realität zurück, und die verlangte nach einer Erklärung.
"Komm schon du verdammtes Drecksteil...Es ist mir egal was im Wasser auf mich wartet... ich muss dich bloß irgendwie ans Laufen bringen..." knirschte er zwischen den Zähnen hervor während er versuchte einen Schraubendreher zwischen das Metall zu klemmen.
"Verdammt nochmal!" schickte er erneut einen Fluch in die Bucht und sein Blick wanderte unwillkürlich kurz herüber zum Wald, doch es zeigte sich keine Regung im Unterholz.
Er war völlig allein.
Endlich hatte er mit der flachen Seite des Werkzeugs eines Stelle gefunden an der sich die Metallplatte nachgiebig zeigte und er schob den Metallstift dazwischen.
Doch als er seinen behelfsmäßigen Keil weiter hineintreiben wollte, rutschte das Metall über die glatte Fläche, sauste über seinen linken Handrücken und hinterließ eine tiefe Furche entlang der Knöchel die unmittelbar zu bluten begann.
"Fuck...!!" Er ließ den Schraubendreher fallen und schlug mit der Hand wütend auf die widerspenstige Metallplatte, "Verfluchter, elender Drecks Kahn!!" er wischte sich die Hände an der Hose ab, die frisch entstandene Schürfwunde kratzte unangenehm am Jeansstoff und erneut versuchte er sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Vertieft in sein Vorhaben, nahm er das Geräusch den Hubschraubers erst wahr, als dieser fast über ihm war.
Der Wind der Rotorblätter zerrte an seinen Haaren und wirbelte Sand, Wasser und lose Blätter auf.
Ungläubig wanderte sein Blick nach oben und er sah den glänzend schwarzen Sikorsky
über sich, auf dessen Seite das Masrani Global - Logo zu lesen war.
Der Seiteneinstieg war offen und es stand tatsächlich jemand an der Kante, der wild herum gestikulierte.
"Barry?" Dann erhellte sich sein Gesicht.
Welcher schwarze Kerl, dieser Statur, sollte sich sonst wohl hierher verirren, hm? Grady?! - Deine spärlichen Angaben haben scheinbar ausgereicht
Barrys Gestalt rollte eine Notleiter aus und unter dem ohrenbetäubenden Lärm des Helikopters rief er ihm irgendetwas unverständliches zu, als Owen danach griff und sich an Bord holen ließ.
Barry reichte ihm die Hand und zog ihn an sich, patschte ihm fest die Hand in den Rücken und lachte erleichtert.
"Ich dachte du könntest ein Taxi gebrauchen!", sagte er dann und schob die Luke zu.  

Das Leben findet einen Weg - After we had a 2nd DateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt