27. Words

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Pov. Yukwon

Es ist ruhig im Haus, als ich spätnachts mein Zimmer verlasse und vorsichtig über den Flur bis hin zu Minhyuks Raum schleiche. Leise drücke ich die Klinke nach unten und tapse ins Dunkle. Das Licht hat er meist schon aus gemacht, wenn ich komme. Ohne ein Geräusch schließe ich die Tür hinter mir und laufe in Richtung seines Bettes.
Ich finde es, obwohl ich nichts sehen kann. Inzwischen kenne ich mich hier fast besser aus, als in meinem eigenen Zimmer. Ich halte den Atem an, während ich auf die Matratze klettere und einen Moment verharre. „Ich weiß, dass du da bist, Kwonnie."
Enttäuscht verziehe ich das Gesicht und lasse mich nach hinten fallen. „Man, ich dachte diesmal echt, dass du mich nicht gehört hast. Ich war doch so leise." Er lacht und ich spüre, wie er sich dreht und sich kurz darauf ein Arm um meinen Körper legt. „Ich werde immer merken, wenn du da bist. Außerdem, wenn du mich wirklich hättest erschrecken wollen, dann hättest du nicht auf die Matratze gehen dürfen. Du hättest es bevor du ins Bett kommst machen müssen."
Ich verdrehe die Augen, obwohl er es natürlich nicht sehen kann, und verschränke die Arme. „Ich sags dir, Lee Minhyuk, irgendwann schaff ich es schon noch und dann wirst du den Schock deines Lebens bekommen." Er lacht erneut und ich spüre dabei seinen Atem an meinem Ohr. Ein angenehmer Schauer durchläuft mich und ich kann nicht anders, als den Kopf in seine Richtung zu wenden.
„Das will ich erst Mal sehen." Ich presse die Lippen fest aufeinander und starre direkt nach vorne. Ich habe keine Ahnung, was ich da gerade ansehe. Seine Augen, seinen Mund, seine Stirn? Es ist so dunkel, dass ich wirklich gar nichts erkennen kann. Und vielleicht ist es besser so. Ich sollte ihn auch gar nicht so ansehen. Ich sollte es nicht angenehm finden, seine Wärme spüren zu können und ich sollte nicht darüber nachdenken, wie es wohl wäre, mich jetzt ein winziges Stück weiter nach vorne zu bewegen und unsere Lippen zu versiegeln. Er ist ein Mann. Ich bin ein Mann. Mir wurde lange genug eingetrichtert, dass so was falsch ist. Und doch kann ich nicht anders, als mich enger an ihn zu kuscheln und seine Nähe zu genießen.

„Hast du Angst vor Morgen?" Er überlegt einen Moment, dann verneint er die Frage. Ich presse meine Fingernägel in die Innenseiten meiner Handflächen und ignoriere den Schmerz, der sich dort sofort ausbreitet. „Hast du etwa Angst davor?" Stockend hole ich Luft und wende den Kopf ab, während meine Wangen sich rot färben. Er kann es in der Dunkelheit zwar nicht sehen, doch ich habe das Gefühl, er spürt es trotzdem.
„Es ist albern. Ich sollte nicht aufgeregt sein, aber irgendwie kann ich das nicht unterdrücken. Es ist einfach, weil wir schon eine ganze Weile nichts mehr gemacht haben. Und die Sache Morgen ist so groß. Stell dir vor, irgendwas geht schief? Was, wenn Einer von uns verletzt wird? Oder festgenommen? Was sollen wir denn dann tun?"
Minhyuk richtet sich ein Stück auf und legt dann seine Hand an meine Wange. Ich kann nicht anders, als mich hinein zu schmiegen. Er weiß, dass ich es liebe, wenn er das tut. „Mach dir doch keine Sorgen, Kwonnie. Wir haben das jetzt so lange geplant und alles perfekt vorbereitet. Es ist noch nie eine unserer Aktionen schief gelaufen, also wird auch diesmal nichts passieren. Wir treten nur ein paar Leuten in den Arsch und zeigen, dass wir uns nicht unterkriegen lassen."
Ich beiße mir auf die Lippe und nicke leicht. Seine Worte klingen so überzeugen, sie schaffen es tatsächlich, einen Großteil meiner Angst zu nehmen. Und doch habe ich noch Zweifel. Sie sind da, seit wir Jaehyo vor ein paar Tagen erzählt haben, was wir vor haben. Er hat zum Glück relativ positiv reagiert, womit ich nicht gerechnet hätte, doch irgendwie hat es in mir auch Sorgen geweckt. Ich könnte es nicht ertragen, wen einem von uns was passieren würde. Oder, wenn wir festgenommen werden würden und sie uns so lange befragen würden, bis irgendeiner von uns es irgendwann nicht mehr aushalten könnte und Jaehyo verraten würde. Der Kleine ist doch praktisch hilflos. Er ist nicht besonders kräftig, kann nicht kämpfen und mit Waffen kann er auch nicht umgehen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir ihm etwas beibringen. Falls uns doch mal was passiert.
„Ach Yukwon, ich merke doch, dass du dich immer noch verrückt machst. Aber bitte hör auf damit, es wird nichts passieren, ich verspreche es dir. Wir sind Profis und wir werden alle heil wieder zurück kommen. Daran hast du doch früher auch nicht gezweifelt." Ich seufze und fahre mir durch die Haare. „Es ist wegen Jaehyo. Irgendwie frage ich mich, seit er richtig zu unserer Familie gehört, was wohl wäre, wenn Einem von uns etwas zustößt. Wir können doch ohne einander gar nicht mehr. Stell dir vor, Jihoon würde sterben. Oder Kyung. Oder Taeil. Oder Jiho. Oder ich. Was würdest du dann tun?"
Plötzlich entfernt er seine Hand von meiner Wange und ich höre ihn angestrengt ausatmen. Erschrocken setze ich mich auf und sehe in die Richtung, in der ich sein Gesicht vermute. „Yukwon bitte, hör auf über sowas zu reden. Ich will mir nicht vorstellen, dass irgendjemand von euch stirbt. Das wäre das Furchtbarste, das passieren könnte, also bitte, ich will nicht mehr daran denken. Lass und einfach schlafen." Mit geweiteten Augen starre ich in die Dunkelheit, bevor ich ihm leise zustimme und mich wieder neben ihn sinken lasse.
Diesmal legt er den Arm nicht um mich und genau das ist es, was Schuldgefühle in mir aufsteigen lässt. Ich weiß, wie wichtig wir Minhyuk sind. Ich hätte ihn nicht daran erinnern sollen, was bei unseren Aktionen alles passieren kann.
Vorsichtig bewege ich meine Hand ein Stück nach rechts, dort hin, wo er liegt. Ich taste mich über die Matratze, bis hin zu ihm und berühre mit den Fingern vorsichtig seine weiche Haut.
Als ich weiter nach oben streiche, fühle ich seidige Haarsträhnen, die wie Wasser durch meine Finger gleiten. „Es tut mir Leid. Ich weiß doch, meine Sorgen sind dumm, aber sie wollen nicht weg gehen. Bitte sei nicht böse."

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