34. Lonely

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Ich weiß nicht, wie spät es ist, als ich aufwache. Ich weiß auch nicht, wie lange ich geschlafen habe. Mein Kopf fühlt sich endlich wieder leicht und frei an, als die Augen blinzelnd öffne und langsam zu mir komme. Als ich mich strecke, knacksen meine Knochen, als wären sie schon lange nicht mehr bewegt worden.
Gähnend setze ich mich auf und schwinge die Beine über den Bettrand. Im Zimmer herrscht dämmriges Licht, so dass ich nur schemenhaft erkennen kann, was sich alles darin befindet. Es ist eh nicht besonders viel. Neben dem Bett steht ein Nachtkästchen, ein Schrank ist an einer Wand und ein Fenster mit dunklen Vorhängen ist in die Mauer eingelassen.
Leicht taumelnd tapse ich durch den Raum zu einer Tür, die mich in ein winziges Bad führt. Ich sehe ihn den Spiegel und nehme langsam die Brille ab. Rote Abdrücke sind auf meinem Gesicht und ich sehe im Allgemeinen ziemlich ungepflegt aus.
Gemächlich hole ich mir ein paar Klamotten aus meinem Rucksack und dusche erst einmal. Da nur kaltes Wasser kommt, bin ich danach auch richtig wach und realisiere, dass mein Magen ziemlich laut knurrt und auch meine Kehle ausgedörrt ist. Ich sollte Essen besorgen und dann direkt weiter.
Meine schmutzigen Sachen lasse ich in dem Zimmer zurück, sie wären nur unnötiger Ballast. Dann ziehe ich mir wieder den Mundschutz über und setze die Brille auf meine Nase, ebenso wie die Kapuze auf meinen Kopf. Die Jacke ist das einzige Kleidungsstück, dass ich behalte, obwohl es etwas dreckig ist. Aber ich brauche eben die Kapuze von ihr.

Mit großen Schritten laufe ich durch den Gang des Motels und die Treppen nach unten zur Rezeption. Dort gebe ich meinen Schlüssel ab und bezahle die Nacht. Draußen atme ich erst mal tief die frische Luft ein, bevor ich mich etwas umsehe. Dies scheint eine Art Dorf zu sein, allerdings ein sehr kleines. Ich frage einen älteren Herren, ob es hier Geschäfte gibt, doch er meint, da muss ich in die nächste Stadt fahren. Ebenfalls frage ich nach der Uhrzeit und er teilt mir mit, dass es schon 17:16 Uhr ist. Ich habe wirklich lange geschlafen.
Da ich das Handy nicht mehr benutzen kann, mache ich stattdessen von einer Telefonzelle Gebrauch. Erst habe ich Angst, dass diese gar nicht funktioniert, so alt und klapprig wie sie aussieht, doch sie tut tatsächlich noch was sie soll und so kann ich einen Taxidienst anrufen. Da mir der Mann auch den Namen des Dorfes verraten hat, ist es kein Problem sich einen Fahrer zu bestellen. Dieser kommt erstaunlich schnell. Als er wissen will, wohin es gehen soll, stocke ich jedoch. Mir fällt nicht mehr ein, was Jihoon gesagt hat, wo ich als nächstes hin muss. Im ersten Moment überkommt mich Panik, doch dann hallen mir seine Worte wieder durch den Kopf:"Du kannst Bus, Bahn oder sonst was benutzen, aber du musst zum Lex Hotel." Ich gebe ein leises Schnauben von mir und grinse etwas in mich hinein. Was für einen Bus oder eine Bahn bitte, Jihoon, hier gibt es nicht mal feste Straßen?
Ich nenne dem Fahrer die Adresse und er runzelt leicht die Stirn. „Sicher? Das ist ein ganz schönes Stück, da brauchen wir gut drei Stunden, wenn nicht mehr." Ich zögere und knete nervös meine Finger. Die Angst, erkannt zu werden ist allgegenwärtig und mein Verhalten ist nicht gerade unauffällig.
„Oh, naja dann vielleicht erst mal einfach nach Seoul rein, von dort aus kann ich auch mit der Bahn fahren oder?" Er nickt und ich atme auf. „Also gut, dann fahren sie mich bitte dort hin."

Wir fahren zwei Stunden, bis wir richtig in Seoul drin sind. Dazwischen halten wir nur einmal, damit ich mir bei einem kleinen Bäckerladen etwas zu essen kaufen kann. Die Fahrt kostet einen Haufen Geld und ich bin froh, dass Jiho mir so viel gegeben hat.
Als ich das Auto verlasse, bin ich komplett überwältigt. Während wir unterwegs waren habe ich nicht wirklich aus dem Fenster gesehen, ich war mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, doch jetzt nehme ich alles um mich herum war und es ist wie eine Explosion für meine Sinne.
Alles leuchtet in bunten Farben, überall sind Menschen, es riecht nach den unterschiedlichsten Gerichten und die Luft vibriert förmlich von all den Stimmen, der Musik und dem üblichem Lärm der Stadt um mich herum.
Ich stehe völlig überfordert da, versuche das alles in mich aufzunehmen und schaffe es nicht, mich zu bewegen. Ich habe doch tatsächlich vergessen, wie Seoul bei Nacht ist.
Schließlich laufe ich dann doch los, da die Leute schon angefangen haben zu starren. Etwas unsicher sehe ich mich um und zucke jedes Mal zusammen, wenn mich aus versehen jemand streift oder mir einfach nur zu Nahe kommt. Ich war noch nie sehr kontaktfreudig, doch jetzt bin ich geradezu Menschenscheu.
Es macht mir Angst, hier zu sein. Sie alle sind potenzielle Gefahren für mich. Jemand könnte mich erkennen und dann wäre die Hölle los. Nervös ziehe ich alle paar Sekunden meinen Mundschutz höher und zupfe ihn zurecht. Mein Herz pocht wild und ich bilde mir ein, mein Blut durch meine Adern rauschen zu hören, obwohl das bei dem Lärm hier unmöglich ist.

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