Kapitel 2

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Betrübt machte ich mich mit meinem Fahrrad auf den Weg nach Hause.

Amelie traf sich also mit Finn und so wie es sich anhörte, auch nicht das erste mal. Das passte mir aber ganz und gar nicht! Aber sie wusste ja nichts davon, dass ich Gefühle für ihn hegte, beruhigte ich mich wieder etwas. Denn ich hatte keinem davon erzählt. Dass ich mich ausgerechnet in Finn verknallt hatte, war mir äußerst unangenehm.

Als ich wenige Minuten später die Einfahrt zur Garage entlang fuhr, stellte ich mit Erstaunen fest, dass das Garagentor offen war. War Alex etwa aus seinem Urlaub mit seinen Kumpels zurück? Anders konnte ich es mir nicht erklären.

Schnell schob ich mein Fahrrad in die Garage, zog das Tor hinter mir zu und betrat das kühle Haus. Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und tapste barfuß ins Wohnzimmer.

"Hey Schwesterherz", begrüßte mich mein großer Bruder von der Couch aus.

"Hey Bruderherz", erwiderte ich und ein breites Grinsen stahl sich auf mein Gesicht.

Er kam auf mich zu und umarmte mich. Ich erwiderte die Umarmung und atmete tief seinen Geruch ein. Er hatte mir sehr gefehlt. Denn er war fast einen ganzen Monat weg gewesen und ohne ihn fühlte ich mich so einsam.

"Alles okay bei dir?", erkundigte Alex sich besorgt und sah mir mit ernster Miene ins Gesicht.

Ich zögerte noch und überlegte, ob ich ihm das mit Finn erzählen sollte, schüttelte dann aber den Kopf.

"Okay, dann bis heute Abend", meinte er, winkte mir noch kurz zu und war dann verschwunden.

"Wo gehst du hin?", rief ich ihm hinterher, doch er schien mich nicht mehr zu hören.

Bedrückt machte ich mir das Mittagessen warm. So hatte ich mir das Wiedersehen nicht vorgestellt. Ganz sicher nicht. Ich hatte mich schon gefreut, dass ich mit ihm nun den Nachmittag verbringen konnte, nachdem meine Freundinnen alle beschäftigt waren. Doch daraus wurde nichts.

Mies gelaunt starrte ich die weiße Wand unseres Esszimmers an. Dann fasste ich einen Gedanken. Wenn schon keiner für mich Zeit hatte, dann würde ich die Zeit nutzen, um ein bisschen Zeit auf Muchwrite zu verbringen. Muchwrite war eine App, auf der man seiner Kreativität freien lauf lassen konnte. Man konnte an Wettbewerben, den sogenannten Awards teilnehmen und man konnte auch für seine eigenen Kapitel Votes von anderen Lesern bekommen. Natürlich gab es auch Follower, aber bis jetzt hatte ich erst drei, nämlich meine Freundinnen. Daher beschloss ich ein paar Geschichten von anderen Nutzern zu lesen und auch welche anzuschreiben, deren Geschichten mir gefielen.

Kurze Zeit später hatte ich schon ein paar interessante Bücher in meine Bibliothek hinzugefügt. Die erste Geschichte war von 'Eis-Emilio'. Was war das bitteschön für ein Name? Aber egal, er schrieb gut, also tippte ich eine Nachricht an ihn.

<Hey, du schreibst gut!>

~Hey, vielen Dank!~

<Wann veröffentlichst du dein nächstes Kapitel?>

~Morgen, denke ich~

<Cool! Freu mich schon :)>

~Kannst du auch ;)~

<Supi>

Es vergingen ein paar Minuten, bis wieder eine Nachricht von ihm reinkam.

~Ich hab gerade dein erstes Kapitel gelesen, finde es super!~

<Aww, Dankeschön!>

Dann legte ich mein Handy auf die Seite und schaute auf meine weiße Armbanduhr und erschrak fürchterlich. Es war bereits 20:00 Uhr. Schnell machte ich mir eine Kleinigkeit zum Essen und machte mich dann schon einmal bettfertig. Erstaunlicher Weise schlief ich sofort ein.

Für einige Zeit wohnten Jonas, mein Freund und noch ein paar Freunde bei zwei anderen Jungen im Haus. Weit weg von zu Hause. Der Sinn einer solchen Aktion war mir unbekannt, da ich zu dieser Zeit auch mit einem Gips an meinem Bein umherlief, da es gebrochen war. Als wir dort ankamen und wir das Auto verlassen hatten, stützte mich Jonas behutsam. Er hatte seinen rechten Arm um meine Taille gelegt und sein linkter Arm ruhte auf meiner rechten Schulter. Ich hielt mich an seinem Bauch umklammert fest und schmiegte mich an seine rechte Schulter. Langsam gingen wir auf die beiden Jungen zu, welche uns breit grinsend entgegen schauten.

Die darauffolgenden Tage behandelte mich Jonas wie Luft, er tat einfach so, als ob er mich nicht kannte. Was hatte ich ihm denn getan? Konnte das mir vielleicht netterweise jemand erklären? Dazu kam, dass Noah und Elias auch immer seltsam grinsten, wenn sie meinen Blick auf Jonas ruhen sahen. Was hatten die bloß?

Eines Tages kam dann Elias an und hatte mich angebaggert. Ich habe da natürlich nicht mitgespielt, denn im Gegensatz zu Jonas, kannte ich ihn noch.

Das Verhalten von meinem Freund verletzte mich wirklich sehr. Wie konnte er mir nur so was antun?

"Emilia? Schläfst du schon?", weckte mich die Stimme meines Bruders.

Müde und noch mit geschlossenen Augen räkelte ich mich, bis ich ich ihn schließlich verschlafen ansah.

"Was machst du hier?", wollte ich müde wissen.

"Ich wollte mit dir reden. Über das von heute Nachmittag. Irgendwas stimmt doch nicht", sagte er und setzte sich zu mir ans Bett.

"Um diese Uhrzeit?", grummelte ich, setzte mich aber trotzdem auf.

"Es ist erst 22.30 Uhr", grinste er.

Aber ich grunzte nur etwas unverständliches.

"Was war denn los?", begann Alex und er sah wirklich besorgt aus.

Ich atmete noch einmal tief durch, ehe ich zu sprechen begann.

"Es...es geht um Finn", sagte ich stotternd und starrte auf den Boden.

"Der eine Junge aus deiner Klasse, der dir gefällt?", fragte mein Bruder nach.

Ich nickte.

"Er trifft sich mit Amelie...", hörte ich mich sagen und ich bemerkte auch den weinerlichen Ton, der in diesem Satz in meiner Stimme mit schwang.

Alex nahm mich, als er dies merkte, sofort in den Arm und hielt mich tröstend an seinen Körper. Nun gelang es mir nicht mehr die Tränen zurückzuhalten.

"Das ist so unfair", schluchzte ich.

"So was hält doch sowieso nie lange", versuchte er mich zu beruhigen.

Noch größere Schluchzer durchzogen die Stille in meinem Zimmer.

Mein Bruder war noch solange bei mir, bis ich mich ein wenig beruhigt hatte und mich wieder hinlegte.

Als ich am nächsten morgen aufwachte, torkelte ich verschlafen ins Bad und musste mit Erschrecken die Folgen meiner abendlichen Heulattacke feststellen.

Fieberhaft überlegte ich was ich dagegen tun konnte. So konnte ich auf keinen Fall in die Schule und Finn unter die Augen treten.

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