Kapitel 10

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"Ja klar, gerne!", erwiderte er sofort und ich konnte deutlich sein Grinsen im Gesicht spüren.

"Cool und wann?", erwiderte ich fröhlich.

"Vielleicht schon morgen!", antwortete er. "Mal schauen, ich muss nach der Arbeit noch einkaufen gehen!"

"Okay!", meinte ich zufrieden.

Die Hauptsache war, dass wir wieder telefonieren, ob das nun schon morgen war oder erst ein paar Tage später, das war mir egal.

Wir redeten noch ein bisschen über belangloses Zeug und dann legten wir auf.

Seufzend lehnte ich mich in meinem Bett zurück. Das Telefonat war wunderschön, wir hatten doch glatt zweieinhalb Stunden telefoniert. Wow! Er war genauso, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, obwohl, sein Charakter war sogar noch besser.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es bereits hell und die Sonne strahlte herein. Ich warf einen schnellen Blick auf die Uhr und erschrak. Es war schon 9.00 Uhr! Doch mit einem Schlag brach die Erleichterung über mich herein. Es war doch Samstag, da war keine Schule.

Dennoch stand ich auf und tabste ins Bad. Ich war anscheinend nach dem Telefonat irgendwann eingeschlafen, stellte ich fest, als ich merkte, dass ich noch meine normale Kleidung trug.

Ich saß gerade beim Frühstücken, als mein Smartphone anfing zu Klingeln. Ich blickte auf das Display und erkannte Maries Nummer. Na nu, was wollte die denn? Neugierig nahm ich den Anruf entgegen.

"Hallo!", sagte ich.

"Hey Emilia!", erwiderte sie.

"Was gibt's?", unterbrach ich sie.

"Lass mich ausreden, dann erfährst du es!", brachte sie mich zur Vernunft.

"Geht klar!", knurrte ich.

Sie lachte kurz auf und begann dann weiter zu erzählen.

"Weißt du noch, wie vor ein paar Monaten mal die Idee aufkam, dass unsere Klasse für ein paar Tage auf Klassenfahrt ging? Wo wir lauter Gemeinschaftsspiele und so spielen sollten?", wollte sie wissen.

"Ja!", sagte ich und nickte, obwohl sie mich gar nicht sehen konnte.

"Anscheinend hatte Herr Meyer das jetzt durchgesetzt und wir fahren am Montag los!", fuhr sie fort.

"Och ne!", murren ich. "Dann seh ich Finn den ganzen Tag mit Amelie!"

"Stimmt!", sagte Marie. "Aber sehs positiv, du musste in dieser Woche nichts lernen!"

Wo sie recht hat, hat sie recht. Und das mit Finn werde ich schon irgendwie hingekommen, dachte ich zuversichtlich.

"Das kriegst du hin!", meinte meine beste Freundin, als ob sie gerade meine Gedanken gelesen hatte.

"Irgendwie schon!", erwiderte ich.

"Wurde das euch alles gestern erzählt?", erkundigte ich mich.

"Ja, wir haben auch eine Liste bekommen, was wir alles mitnehmen sollen, die schicke ich dir dann auch gleich!", meinte sie.

"Okay, danke für die Info!", bedankte ich mich bei ihr.

"Kein Ding!", sagte sie fröhlich und legte auf.

Ich aß schnell mein Frühstück fertig und sah dann nach, ob sie die Liste schon geschickt hatte.
Bingo! Gerade war sie angekommen. Als ich den Umfang dieser Liste erblickte riss ich die Augen auf, das sie so umfassend war, hatte ich nun wirklich nicht gedacht und Marie hatte davon auch nichts erwähnt.
Auf der Liste standen folgenden Dinge:

Zahnputzzeug

Schlafanzug

Kleidung

Unterwäsche

Socken

Schuhe, die dreckig werden dürfen

Taschenlampe

Handy

Geld

Bettbezug

Kopfbedeckung

Kleid

Sonnenkreme

Regenkleidung

Schlafsack

Stift und Papier

Gute Filme

Bücher

Musik

Lautsprecher

Gummistiefel

Zelt

Sind wir in der ersten Klasse, oder was? Sind doch selbstverständliche Dinge! Und wer auch immer diese Liste erstellt hatte, konnte die Punkte nicht orden. Das sah so aus, als hätte ein Teenager eine Liste für die Übernachtung beim Kumpel oder der besten Freundin gemacht. Müssen wir etwa in Zelten schlafen?

"Schwesterherz, was schaust du so geschockt?", wollte mein Bruder auf einmal wissen.

Ich hatte ihn gar nicht kommen hören. Wortlos gab ich ihm mein Smartphone. Schweigend laß er sich alles durch und brach dann in schallendes Gelächter aus.

"Was ist denn so lustig?", fragte ich beleidigt.

"Ihr seid doch keine zehn mehr!", prustete Alex, wurde augenblicklich aber wieder ernst, als er meinen Gesichtsausdruck sah.

"Was ist los?", fragte er besorgt.

"Finn ist in meiner Klasse, er fährt da mit und dann sehe ich ihn den ganzen Tag!", antwortete ich langsam.

"Ach komm, das schaffst du!", versuchte er mich zu beruhigen.

Ich schüttelte den Kopf. Mein ganzer Mut von vorhin war auf einmal verwunden. Ich konnte das nicht!

"Du schaffst das, du bist schließlich meine Schwester!", sagte er augenzwinkernd.

Ich rang mir ein kurzes Lächeln ab.

"Ich kann da nicht hin!", sagte ich heiser.

"Du wirst mitfahren!", ordnete Alex mit lauter Stimme an.

Erschrocken schaute ich ihn an. Dass mein Bruder schrie kam so selten vor, wie eine eins in Physik. Traurig senkte ich den Blick und rannte in mein Zimmer. Ich knallte die Tür hinter mir zu und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Dann heulte ich wie ein Schlosshund.

"Emilia, mach auf!", nahm ich die Stimme meines Bruder wahr.

"Nein!", schrie ich mit Tränen erstickter Stimme zurück.

"Sei vernünftig!", wollte er mich besänftigen.

"Lass mich in Ruhe du Idiot!", rief ich sauer und drehte mich auf die andere Seite des Bettes.

"Emilia!", sagte er streng, doch ich antwortete ihm nicht mehr.

Wie konnte er mir sowas nur antun? Ich konnte wirklich nicht mit! Mir wird garantiert wieder so schlecht, sodass ich mich nur noch in der Toilette verstecken konnte. Ich schluchzte.

Irgendwann machte ich mich dann auf den Weg ins Bad, um mir mein Gesicht zu waschen und um auf die Toilette zu gehen. Danach schlurfte ich wieder in mein Zimmer und schmiss mich bäuchlings auf mein Bett. Was sollte ich nur tun? Ich konnte da unmöglich mit! Unmöglich! Am besten ich werde krank, aber dann wurde ich vielleicht nachgeliefert, wer weiß, wie weit wir überhaupt wegfahren. Danach hatte ich Marie dummerweise nicht zu gefragt. Oder ich brech mit den Fuß? Aber dann dürfte ich auch die anderen Wochen den Fuß nicht belasten. Also doch lieber krank werden, aber wie?

"Emilia?", hörte ich nun wieder meinen Namen vor der Tür.

Ich antwortete nicht und sah, wie er langsam die Türklinke herunter drückte. Plötzlich fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, abzuschließen. Ich dreht mich Richtung Wand und krümmte mich zusammen. Ich wollte jetzt nicht mit meinem Bruder reden!

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