Kapitel 3

89 24 40
                                    

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich es schließlich geschafft meine verquollenen Augen mit etwas Make-Up zu vertuschen.

Jetzt musste ich mich aber beeilen, sonst kam ich zu spät zur Schule. In genau 15 Minuten würde der Unterricht beginnen und ich brauchte etwa 10 Minuten bis zur Schule. Schnell sprang ich auf mein Fahrrad und raste los. Drei Minuten vor dem Gong hetzte ich ins Klassenzimmer und setzte mich auf meinen Platz.

Hastig atmend packte ich meine Deutschsachen auf den Tisch.

"Ist jemand gestorben?", erkundigte sich Marie mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Wortlos schüttelte ich den Kopf.

"Aber irgendetwas muss doch passiert sein, du bist doch sonst nicht so!", bohrte sie weiter.

"Ich habe zu lange fürs Schminken gebraucht", antwortete ich schließlich.

Sie sah mir prüfend ins Gesicht.

"Du hast doch nur deine Augenringe abgedeckt, was dauert da so lange?", meinte sie dann.

"Ich...musste meine verquollenen Augen abdecken, nach meiner Heulattacke gestern", sagte ich leise.

"Was ist passiert?", fragte sie nun etwas drängend.

"Ich liebe Finn", flüsterte ich und legte dann meinen Kopf auf meine verschränkten Arme.

"Was???", hörte ich Marie fragen und konnte ihre Verblüffung deutlich heraushören.

Ich gab nur ein Grunzen von mir und richtete mich mit Tränen in den Augen wieder auf.

"Ja, schon länger, sag aber bitte den anderen nichts, vor allem Amelie, okay?", bat ich sie.

Sie nickte. Dann gongte es.

"Hey, Emilia, das ist für Amelie", sagte Anna und gab mir einen zusammengefalteten Zettel.

Ich gab ihn Alina, die ihn zwinkernd an Amelie weiter reichte. Misstrauisch beobachtete ich sie, wie sie vorsichtig den karierten Zettel auseinanderfaltete und sich dann sofort ein Lächeln auf ihren Lippen stahl. Der Brief war bestimmt von Finn, dachte ich und ein komisches Gefühl machte sich in mir breit. Ich merkte wie Tränen in meine Augen schossen und überlegte panisch, was ich jetzt tun sollte, damit das keiner merkte. Kurzentschlossen sprang ich so schnell auf, dass der Stuhl umkippte und rannte aus dem Klassenzimmer. Ich rannte weiter bis nach draußen zu dem Lehrerparkplatz und zu den daneben stehenden Fahrradständern.

Völlig aus der Puste ließ ich mich auf eine nebenstehende Bank fallen und atmete tief durch. Musste ich mich immer zum Affen machen? Was sollte ich den anderen denn jetzt erklären, warum ich fortgelaufen war?

"Emilia, alles in Ordnung?", nahm ich plötzlich eine Stimme hinter mir wahr und ordnete sie meinem Lateinlehrer Herr Wurzel zu.

Langsam hob ich den Kopf und sah ihn an. Sagen konnte ich nichts. Ich stellte fest, dass mich der etwa 25 jährige Lehrer schon etwas besorgt musterte und sich schließlich neben mich auf die Bank setzte.

"Es ist wegen Amelie und Finn", begann ich plötzlich zu reden.

Eigentlich wollte ich ihm gar nicht erzählen, weshalb ich mich in so einem Zustand befand, aber jetzt tat ich es trotzdem.

"Ich hab gestern erfahren, dass sich Amelie mit Finn trifft...wahrscheinlich schon öfter...aber...aber ich...", ich verstummte, als ein lauter Schluchzer aus meiner Kehle drang.

"Du liebst ihn, oder?", beendete mein Lateinlehrer meinen Satz.

Ich nickte und immer mehr Schluchtzer durchzogen meinen Körper.

"Alles wird gut", meinte er sanft und erhob sich dann.

"Hoffentlich", erwiderte ich mit zitternder Stimme.

"Natürlich", sagte er entschlossen, drehte sich um und ging.

Ich saß noch eine Weile auf der Bank und machte mich dann auf den Weg zum Mädchenklo. Erstaunlicherweise sah mein Gesicht gar nicht so schlimm aus, wie ich befürchtet hatte. Schnell beseitigte ich die Spuren, die meine Heulattacke hinterlassen hatte und machte mich dann wieder auf den Weg zu meinem Klassenzimmer. Vorsichtig öffnete ich die Tür und schlich mich leise zu meinem Platz. Zum Glück merkten nur meine Mitschüler mein Wiederkommen. Die meisten interessierten sich aber nicht dafür.

"Was war los?", flüsterte Alina mir zu.

"Ist egal", flüsterte ich zurück.

Sie musterte mich und wandte sich dann wieder ihrem Aufgabenheft zu. Wenige Minuten später gongte es zur nächste Stunde.

Weitere 45 Minuten später gongte es zur Pause und wir strömten aus dem Klassenzimmer.

"Was war denn los?", wollte Amelie wissen und sah mich neugierig an.

"Nichts...", sagte ich tonlos und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sie zog fragend eine Augenbraue hoch und schien zu überlegen, was sie darauf erwidern sollte.

"Wir können uns doch alles sagen", startete sie einen weiteren Versuch.

Ich wechselte einen Blick mit Marie und dachte erst gar nicht daran, ihnen zu erzählen, was los war.

"Ist egal!", sagte ich schließlich mit Nachdruck, woraufhin sie auch endlich mit der Fragerei abließ.

Nach dem Unterricht verschwand Amelie relativ schnell und war auch nirgends mehr zu sehen. Auch Alina verabschiedete sich.

"Wollen wir uns heute Nachmittag bei dir treffen?", fragte Marie mich. "Wir könnten über, du weißt schon was, reden".

Ich nickte zustimmend und dann verabschiedeten wir uns voneinander und ich fuhr gemächlich nach Hause.

Zuhause setzte ich mich zuerst an meine Hausaufgaben. Hunger hatte ich nicht. Amelie und Finn hatten es geschafft, mir den Appetit zu verderben.

Kaum war ich mit den Hausaufgaben fertig, klingelte es an der Tür und ich schlurfte langsam zur Haustür und öffnete sie. Wie bereits erwartet stand Marie davor.

"Hi", begrüßte ich sie.

"Hey", erwiderte sie fröhlich und betrat das Haus.

Wir stiegen die schmale Holztreppe zu meinem Zimmer hoch und setzten uns auf mein hellgrünes Sofa.

"Jetzt erzähl mal, wie lange stehst du schon auf ihn?", kam meine beste Freundin auch gleich zum Punkt.

"Schon sehr lange", gestand ich.
"Und wieso hast du es niemanden erzählt und warum dürfen es die anderen beiden nicht wissen?", wollte sie wissen.

"Ich...hab mich nicht getraut...ich dachte, dass ihr dass scheiße findet und nach dem von gestern, erst recht nicht mehr! Amelie darf das nie erfahren und Alina...solls auch noch nicht wissen!".

"Okay, aber so schlimm ist das doch auch wieder nicht! Finn ist doch ganz okay, aber du solltest dir keine all zu großen Hoffnungen machen, ich hab gehört, dass es etwas ernstes sein soll!".

"Scheiße...", sagte ich nur tonlos und mir stiegen wieder Tränen in die Augen.

Ich nahm ein oranges, rundes Kissen und presste es mir ins Gesicht.

MuchwriteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt