Kapitel 9

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Er parkte sein Auto in der Einfahrt und half mir dann aus dem Auto. Alex führte mich ins Wohnzimmer und ich setzte mich auf die Couch.

"Jetzt erzähl, was ist passiert", meinte er mit sanfter Stimme und ließ sich neben mich aufs Sofa fallen.

Sofort spürte ich wie wieder Tränen in meine Augen schossen. Als er dies merkte nahm er mich in seine kräftigen Arme und drückte mich sachte an sich.

"Ich...ich hab Amelie gesehen...mit Finn...sie haben geknutscht...und dann ist mir ganz komisch geworden...", schluchzte ich.

"Ich weiß auch nicht wieso, ich dachte ich mag ihn nicht mehr".

"Anscheinend doch noch", stellte Alex fest.

"Mir war auf einmal so schlecht, was soll ich denn jetzt machen?", jammerte ich.

"Wenn das so bleibt, dann kann ich nie wieder in die Schule gehen".

"Das wird schon wieder, da bin ich mir sicher", erwiderte er tröstend.

"Mhm", brummte ich nur.

"Dir läuft bestimmt mal ein Junge über den Weg, der dir gefällt", meinte er schließlich.

"Es gibt eigentlich schon einen, aber der ist mir noch nie über den Weg gelaufen", sagte ich leise.

"Wie soll ich das jetzt verstehen?", fragte Alex verwirrt, löste sich von mir und sah mir mit gerunzelter Stirn ins Gesicht.
"Ich hab doch so eine App, bei der man Bücher und so weiter schreiben kann und man kann auch mit anderen Nutzern schreiben. Ja, und da habe ich ihn kennen gelernt. Wir wollten heute Abend sogar telefonieren", erzählte ich ihm.

"Sei vorsichtig", ermahnte er mich mit ernstem Gesichtsausdruck.

"Es ist nur meine Handynummer, damit kann er nichts schlimmes anfangen", versuchte ich ihn zu besänftigen.

"Trotzdem, sei vorsichtig", erwiderte und sah mich streng an und brachte mich dadurch zum Lachen.

"Bin ich, mach dir keine Sorgen", sagte ich.

"Ich mach mir aber Sorgen, du bist schließlich meine Lieblingsschwester", erwiderte er breit grinsend.

"Du hast nur eine Schwester", antwortete ich ebenfalls grinsend.

Dank meinem Bruder war ich nun wieder bei guter Laune und konnte mich nun den Vorbereitungen für das bevorstehende Telefonat widmen. Mir war schon bewusst, dass es noch mindestens neun Stunden dauerte, aber ich wollte mir unbedingt noch ein paar Fragen überlegen, falls uns kein Gesprächsthema einfiel.

Ich konnte nach seiner Lieblingsfarbe fragen, nach seiner Schuhgröße, Körpergröße, Lieblingsessen und vieles mehr. Einfach diese simplen Fragen halt. Da werden mir schon welche einfallen.

Nun zu meinem Aussehen. Was, wenn er über Videoanruf anrief? Dann musste ich auf jeden Fall gut aussehen, aber ich durfte es auch auf keinen Fall übertreiben.

Nach langem hin und her blieb ich so wie ich war. Ich kämmte nur noch kurz meine Haare.

Die ganze restliche Zeit bis zu dem Telefonat verbrachte ich auf Muchwrite. Ich laß, votete und kommentierte Kapitel von anderen Muchwrite Nutzern. Irgendwann begann ich dann an meinem eigenen Buch weiter zu schreiben, um wieder weiter zu kommen.

Um 18.30 Uhr beschloss ich schnell etwas zu essen und marschierte in die Küche. Dort traf ich auf meinen Bruder, welcher mir entgegen lächelte. Er war ebenfalls dabei, sich etwas zum Essen zu machen.

Ich gesellte mich zu ihm und steckte drei Scheiben Toast in den Toaster.

"Na, schon aufgeregt?", neckte Alex mich.

Ich nickte. Meine Aufregung nahm immer weiter zu. Echt nervig. Ich konnte kaum mehr klar denken.

Um Punkt 19.00 Uhr war ich fertig mit dem Abendessen und ging hoch in mein Zimmer. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Ich wartete ungeduldig auf seinen Anruf. Ich konnte ihn nicht anrufen, da nur ich ihm meine Nummer gegeben hatte. Irgendwann entschloss ich mich dazu Videos zu schauen, bis er anrief.

Es waren bereits fünfzehn Minuten vergangen und noch immer kam kein Anruf rein. Hatte er es vielleicht vergessen? Hoffentlich nicht. Ob ich ihm schreiben sollte? Nein, lieber nicht, das kam viel zu aufdringlich rüber, das wollte ich nicht. Er testete einfach unbewusst meine Geduld. Konnte mir definitiv nicht schaden.

Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken setzte ich mich gerade hin und starrte auf mein Smartphone. Eine unbekannte Nummer wurde angezeigt. Das konnte nur er sein. Zögern nahm ich ab und meldete mich.

"Hallo?!".

"Ja, hallo", erwiderte die Stimme an der anderen Leitung.

Wow, sie klang tiefer als gedacht, aber schön.

"Was machst du so?", fragte ich, um irgendetwas zu sagen.

"Ich telefoniere mit dir", antwortete er schmunzelnd.

"Cool", meinte ich.

"Ja", erwiderte er.

Dann kehrte Schweigen ein. Keiner sagte ein Wort. Ich wollte etwas sagen, aber mein Kopf war wie leer gefegt. Nachdenklich marschierte ich in meinem Zimmer auf und ab und wurde immer nervöser. Wo sind die ganzen Fragen hin? Mir fiel keine einzige mehr ein.

"Ich hab irgendwie alles vergessen, was ich sagen wollte", sagte ich schließlich langsam.

Er lachte, aber nicht böse.

"Geht mir irgendwie genauso", meinte er plötzlich und ich blieb für kurze Zeit stehen.

Wie süß war das denn?

Nach und nach fielen mir wieder die Fragen ein und jede Frage stellte er mir zurück. Die Stimmung wurde inzwischen immer lockerer und ich hatte es sogar geschafft mich ruhig auf mein Bett zu setzen und nicht mehr wie eine Irre auf und ab zu laufen.

Mittlerweile war unser Gespräch voll und ganz am Laufen und wir plauderten entspannt miteinander. Wir redeten auch kurz über Finn, aber schweiften schon bald wieder ab. Er erzählte mir wo und was er arbeitete und erklärte mir genau, was er da machen musste, da ich mir nichts darunter vorstellen konnte. Wir sprachen über unsere Haustiere, über unsere Freunde und unsere Zukunftspläne, beziehungsweise eher über die fehlenden Zukunftspläne bei mir. Er hatte schon eine Arbeit, mit welcher er zufrieden war. Wir unterhielten uns über die Schule, er war richtig froh, dass er schon damit fertig war, denn vor allem mit Mathe konnte er sich nicht anfreunden und da konnte ich ihm bloß zustimmen. Englisch hingegen mochte er richtig gern und konnte es auch, im Gegensatz zu mir.

Er war richtig nett, genauso wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich hoffte, dass das nicht unser erstes und auch letztes Telefonat war und fragte ihn auch sofort:

"Sag mal, telefonieren wir mal wieder?".

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