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Die kalte Luft prickelte leicht auf meiner Haut. Ich hatte die Hände fest gegen meine Knie gepresst und starrte zu Boden. "Wenn das so ist, warum... warum hast du mich nicht gerettet? Weshalb musstest du die Polizei informieren?"

"Er kann mich sehen."

"Wen meinst du?", hakte ich nach.

James erhob sich und ließ einen Seufzer raus. "Die Meinesgleichen, können sich den Personen zeigen, die sie wollen; doch es gibt Wesen, die uns sehen können, ohne dass wir was dagegen tun können."

Ich sprang sofort auf die Beine und sah mich nervös um, woraufhin er mich am Arm griff und zu sich zerrte. "Keine Angst. Uns bemerkt hier keiner.", vergewisserte er mich und lächelte seelenruhig.

"Was für Wesen sind das, James?"

"Tiere, Menschen die ihren Verstand verloren haben und Neugeborene, bis zu ihrem dritten Lebensjahr.", zählte er mir flink auf.

"Das heißt also..."

"Ja.", räumte er ein. "Dieser Mörder, gehört zu den Geisteskranken. Ich konnte es einfach nicht riskieren... Auf mich hätte er keine Rücksicht genommen, doch vor der Polizei..."

Ich legte die Arme um ihn und presste meine Stirn gehen seine Brust. "Danke.", hauchte ich. "Dass du immer über mich wachst."

"Das werde ich auch.", erwiderte er auf meinen Dank und schlung ebenfalls die Arme um mich. "Solange meine Seele nicht in dieses Grab gesogen wird, werde ich immer bei dir sein."

* * *

"Warum hast du so lange gebraucht?", fragte der Polizist als ich ins Auto stieg und mich anschnallte.

Ich wollte ihm gerade sagen, dass ich Schwierigkeiten dabei hatte sein Grab zu finden, doch da blitzte mir der neue Auftrag in den Sinn: Lüge nicht.

"Finden Sie?", gab ich nur kurz zurück und lehnte mich nach hinten. Meine Augenlider gingen langsam zu; egal wie sehr ich mich gegen den Schlaf wehrte, wurde der Druck über meinen Augen enormer und ich schlief letzendlich ein.

Als wir zum Revier zurückkehrten, weckte mich Sam's Vater sofort. Die Sonne war schon längst untergegangen und die Dunkelheit umhüllte die Straßen. Ich bedankte mich noch schnell bei ihm und machte mich auf den Heimweg.

Meine Beine wollten mir nicht gehorchen. Ich machte einen Schritt nach links, doch sie hatten sich nach rechts bewegt. Ich stützte mich an einer Straßenlaterne ab und schloss die Lider.

Wie schön wär's jetzt einfach einzuschlafen...

"Little-Picasso, warte!", schrie jemand hinter mir her. Da sah ich über die Schulter schon Sam, der auf mich zu lief.

Ich wäre am liebsten mit voller Kraft weggelaufen, doch das schien nicht nur unmöglich, sondern auch total lächerlich zu sein.

Er hielt neben mir an und ging auf die Knie. Ich glotzte ihn mit trockenen Augen an, die ich mir rieb während ich versuchte zu verstehen was er da tat. "Was wird das?"

"Ich nehm dich Huckepack."

Überrascht hob ich die Brauen und legte die Arme unter die Brust. "Ein Minderjähriger wie du, sollte Nachts nicht so viel trinken."

Er stand wieder auf und legte die Hände auf seine Hüften. "Hab ich doch gar nicht und woher willst du wissen, dass ich minderjährig bin? Du bist totmüde und kannst nicht einmal richtig gehen. Lass mich dich doch wenigstens bis zu dir nach Hause begleiten."

"Damit du erfährst wo ich wohne? Das kannst du vergessen.", zischte ich ihn an und machte eine scheuchende Bewegung mit der Hand.

"Wie dickköpfig du doch bist." Sam legte mir eine seiner Hände unter die Achsel und wollte mit der Anderen unter meine Knie greifen, da riss ich mich sofort von ihm los. "Lass das! Ich gehe allein!"

"Weißt du überhaupt wo du dich gerade befindest?"

Ich sah mich um und musste der Tatsache ins Gesicht sehen: Ich hatte keinen Schimmer wo ich war und wie ich nach Hause gelangen konnte.

"Nein...", murmelte ich resigniert.

"Sag ich doch. Sei nicht so stur und lass dich von mir nach Hause führen."

Tränen stiegen mir in die Augen. Ich lehnte den Rücken gegen die Straßenlaterne und sah ihn unsicher an. "Ich... Ich kenne meine Adresse nicht."

"Was!?", stieß er rasch aus und blickte mich ungläubisch an.

"Wenn du mich zurück zur Stelle bringen würdest, wo ihr den Mörder festgenommen habt, würde ich mit Leichtigkeit den Weg nach Hause finden."

"Du bist ein hoffnungsloser Fall, Little-Picasso.", meinte er lachend und wir gingen gemeinsam bis zum Parkplatz, wo sich sein Auto befand.

Ich blieb wie erstarrt dort stehen. Die Kälte brannte förmlich auf meiner Haut. James' Warnung pochte in meinem Schädel.

"Was ist denn? Steig doch ein."

Ich biss mir auf die Lippe und sah Sam misstrauisch in die Augen. "Kann ich dir auch wirklich trauen?"

Erst verzog Sam beleidigt das Gesicht, doch dann, lachte er wieder. "Hätte ich was unanständiges mit dir vor, dann hätte ich das schon tun können, als wir bei mir Zuhause waren."

"Ja, aber..."

"Aber was?"

Ich fürchtete mich einfach zu sehr davor James zu enttäuschen, ihn nie wieder sehen zu können... da geriet ich in Panik.

"Du hast mich schon einmal belogen."

Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt