"Glaubst du ernsthaft dass dies der Körper eines Menschen ist?", fauchte er und drückte seine Fingerspitzen tief in meinen Oberarm, wobei mein Rücken die hölzerne Wand berührte.
Der Schmerz breitete sich über meinen ganzen Arm aus und meine Augen wurden glasig. "Was... was willst du damit sagen? Ich bin nicht gestorben. Man hat mich gefunden."
Mit einer raschen Bewegung umfasste er meine Haare und schlug meinen Kopf nach hinten. Ich schrie vor Schmerz auf und umklammerte sein Handgelenk; versuchte das Ziehen aufzuhalten, doch er zog meine Haare noch fester indem er seine Hand zur Faust formte. "Dann erinnere dich gefälligst an diese Nacht."
"Ich... ich kann mich nicht erinnern.", schluchzte ich. Alles was mir in den Sinn kam war mein Bruder mit dem wir durch unsere kleine Hütte umher liefen.
Er zog plötzlich eine Klinge aus seiner Hosentasche und zog meine Bluse hoch. "Lass mir dir helfen deine Erinnerungen zu erfrischen oder wir werden sie gar nicht erst brauchen wenn ich mit dir fertig bin." Die grünen Iris waren zu einem Gold auferhellt. In meinem inneren Auge sah ich wie ich zum Revier gegangen war und mich genau dieselbe Person zu Boden gezogen hatte und mir den Atem aus den Lungen sog.
Meine Augen waren weit aufgerissen. Mein ganzer Körper bebte nur so vor Angst. Kein Ton kam aus mir raus. Die Tränen ließen die Klinge wie ein strahlender Halbmond aussehen. Ich kniff die Lider zusammen als ich das kalte Metall auf meiner Haut spürte.
"Nathaniel!", schrie eine männliche Stimme. Als ich meine Augen öffnete sah ich den Jungen von vorhin. Er hielt Ormond's Hand in der er die Klinge hatte. "Was ist wenn du dich irrst? Du darfst keine Menschen töten."
"Sie ist kein Mensch, Aron.", zischte Ormond ohne seine Augen von mir zu wenden.
"Das kannst du nicht wissen. Es ist armselig wie du dich vor ihr fürchtest. So sehr, dass du das Risiko eingehen würdest ein unschuldiges Mädchen das Leben zu nehmen."
"Sie ist kein unschuldiges Mädchen, verdammt!", schrie Ormond auf.
"Siehst du nicht wie sie zittert? Bist du ernsthaft so blind vor Angst geworden?"
"Ich werde kein für immer mit diesen Monstern verbringen."
"So etwas gibt es nicht, Bruder. Nur weil du seit 600 Jahren am Leben bist, heißt es nicht dass du dem Tod entkommen wirst."
"Jeder ist gestorben. Jeder Mensch. Wir sind es die noch am Leben sind und das für immer teilen werden. Ich werde es ihnen nicht geben."
"Und was wirst du tun wenn die Erde untergeht? Im Nichts eine Ewigkeit mit deinen Sünden verbringen? Werd nicht lächerlich. Wir werden sterben und ich habe nicht vor das Bedauern eines unschuldigen Lebens auf meinen Schultern zu tragen wenn wir diese Welt verlassen."
"Du spinnst doch nur. Wir können nicht sterben."
"Was wenn?"
Ormond hielt inne. Seine Hand lockerte sich. Die Augen formten sich zu Schlitzen. "Macht doch was ihr wollt!", brüllte er und stand auf, die Augen auf Aron gerichtet. "Wenn wir wegen dir--"
"Das wird nicht geschehen."
Wir waren nun alleine mit Aron im Zimmer. Ich zitterte immer noch; hatte mich kein bisschen beruhigt. Er fuhr sich mit der Hand zwischen seine dunkel braunen Haare und setzte sich neben mir aufs Bett. Ich rückte ein ganzes Stück zurück und er lächelte. "Du brauchst keine Angst vor mir zu haben."
Ich schluckte schwer und sah auf meine Hände hinab. "Ihr seid Monster."
"Wenn dich das wohler fühlen lässt..." Ich wusste nicht was er damit meinte bis ich ihn wieder ansah. Vor meinen Augen sah ich meinen Bruder. Mein Herz platzte mir fast aus der Brust. "...kann ich auch in dieser Gestalt neben dir sitzen."
"Du..."
"Ich kann jede Gestalt annehmen die ich will. Wenn es dir so lieber ist, dann--"
Ich wusste ganz genau dass er nicht mein Bruder war; dass dies nur seine Gestalt mit einer fremden Seele war, aber dennoch drückte ich ihn fest in meine Arme und gab den Tränen freien lauf. "Milan...", wisperte ich seinen Namen, legte meinen Kopf auf seine Schulter und verstummte.
Wir beide rührten uns nicht von der Stelle, bis ich mich beruhigt hatte und nicht mehr weinte. Ich löste mich von ihm und sah das Gesicht meines Bruders noch ein letztes Mal an. Ich hatte ihn so schrecklich vermisst. Selbst seine Gestalt zu sehen füllte die Lücke in meiner Brust.
"Es tut mir leid.", sagte ich leise und wischte mir die Tränen weg. "Du kannst wieder deine eigene Gestalt annehmen."
Aron lächelte nachdem er seine ursprüngliche Gestalt angenommen hatte. "Du musst dich nicht entschuldigen. Es ist okay."
"Kannst..." Ich stoppte, doch fand meinen Mut wieder. "Kannst du mir sagen ob ich ihn jemals wieder sehen werde?"
Aron richtete seine hell grünen Augen auf meine. "'Man ist mit seinen liebsten zusammen...' Es gibt immer eine Vereinigung."
Es gab keinen Grund ihm zu glauben, doch komischerweise zweifelte ich kein bisschen an seinen Worten. "Ich weiß nicht warum Ormond mir den Tod wünscht und James als einen Monster sieht, aber du musst mir glauben... ich habe keine Ahnung was ich tun soll. James ist kein Monster. Ich weiß es einfach. Es mag zwar dumm klingen, aber ich kenne ihn seit dem ich denken kann. Er war immer in meinen Träumen für mich da wenn ich glaubte dass das Leben die Hölle für mich bereit stellte. Er ist ein guter Mensch."
"Stelle dich deiner Vergangenheit."
Meine Augen weiteten sich und Aron sprach weiter. "Es gibt bestimmt einen Grund warum du niemals das Grab deiner Familie besucht hast, oder?"
Meine Brauen zogen sich einander und meine Hände begangen zu zittern. "Ich kann dort nicht alleine hingehen."
"Und warum nicht?"
"Weil... Weil..." Die schrecklichen Erinnerungen die ich seit Jahren versucht hatte zu unterdrücken spielten sich wieder vor meinen Augen ab. Ich schnappte schockiert nach Luft. "Ich gehe niemals zu diesem Ort zurück."
Aron hielt meine Schultern und fragte mich ein weiteres Mal mit sanfter Stimme. "Warum?"
Unsere Blicke kreuzten sich erneut. "Er lebt noch immer. Der Mörder hat ihn nicht getötet. Er hätte sterben müssen und nicht meine Familie."
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Das Erwachen
Paranormal"Ist es wirklich so auffällig dass ich Menschen nicht leiden kann?" "Nein, überhaupt nicht. Du siehst sie bloß so an als ob du ne Zitrone gegessen hättest.", meinte er und fing die Klinge auf, welche sich kurzzeitig in der Luft gedreht hatte. Mein...