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James griff nach meiner Hand und riet mir dicht bei ihm zu bleiben. Im nächsten Moment geschah etwas äußerst ungewöhnliches. Die Flure verschmolzen in eine Linie, ich konnte die Farben nicht mehr einander unterscheiden und als ich noch am Grübeln war was geschah, war's schon längst vorbei. Wir standen vor dem Eingangstor wo wir hergekommen waren.

Ich warf James einen Seitenblick zu. "Was war das eben?"

"Du musst wissen...", fing er an und blickte durchs Tor. "...nicht alle Lebewesen sind auf eine einzige Zeitspanne angewiesen. Manche leben etwas weiter von eurer Zeit voraus und das ermöglicht ihnen das zu tun was wir ebend gemacht haben."

"Aber ich bin keiner von euch."

"Noch nicht." Die empor steigende Sonne hatte die Wolken zum bluten gebracht und als sie versuchten sich die Tränen wegzuwischen, hatte sich das Rot an einigen Stellen zu einem Orange aufgehellt, das war jedenfalls die Geschichte die mir jedesmal mal in den Sinn donnerte, wenn ich Dämmerungen betrachtete.

James stand wie ein Symbol des Todes vor dem Sonnenaufgang und ich fragte mich ob er es war, der die Wolken zum Bluten gebracht hatte, so wie er es mit meinem Herzen tat, als sein Griff an meiner Hand verblasste und seine Erscheinung in die Dämmerung zerrann.

Von der Ferne sah ich wie sich eine Gestalt dem Tor näherte. Ich fasste mich und ging ihr entgegen, wobei sich mir der Magen krümmte. "Was machst du denn hier?", kam es von der Gestalt die sich als Sam entpuppte.

"Ich will den Mörder der Hutson Familie treffen, aber was machst du hier?", kam ich ihm mit einer Gegenfrage entgegen.

"Mein Vater wollte dass ich mit dem Leiter dieses Bezirks spreche."

"Und aus welchem Grund?"

Sam's Wundwinkel zogen sich schief zu einem Grinsen. "Warum so neugierig?"

"Sam.", seufzte ich und sah ihn müde an.

"Ja, ja. Schon gut.", räumte er ein. "Ich will dir zwar keine Angst einjagen, aber man berichtete meinem Vater dass es seit zwanzig Jahren zum ersten Mal einen Defekt bei den Überwachungskameras gab und zwar... bei allen aufeinmal. Dazu stellte sich noch heraus dass..."

"Dass was?"

"Du wolltest doch den Mörder der Hutson Familie persönlich sprechen, stimmt's? Und ich sollte dir dabei helfen, aber nachdem die Kameras wieder funktionierten, wurde er tot in der Zelle wiedergefunden."

Ich konnte ihm nicht antworten und eine Verwunderung vorspielen, schon gar nicht. Ich war einfach zu müde. "Was war der Grund für seinen Tod?"

"Man stellt momentan die Leiche für die Autopsie bereit, so vermute ich es jedenfalls."

"Verstehe." Ich blickte leer in die Weite und musste den Gedanke meiden, dass ich den Tod des Mörders noch vor wenigen Minuten betrachtet hatte.

Ich spürte eine Hand am Rücken und zuckte unwillkürlich zusammen. "Warum so frustriert?", fragte Sam und lächelte mich warm an.

Ich entfernte mich ein Stück von ihm und zuckte die Schultern. "Das kannst du dir wohl denken."

"Wie bist du überhaupt hierher gekommen? Ich mein, ich denke nicht dass du alt genug bist ein Auto zu benutzen."

"Hast du schon mal was von Taxis gehört?"

"Welches Taxi fährt denn bitteschön hierher?"

James...

Sam seufzte resigniert. "Ich weiß zwar nicht wie du hierher gekommen bist, aber wie's aussieht hast du niemanden der dich nachhause fährt."

Ich fälschte ein schwaches Lächeln auf die Lippen. "So sieht's wohl aus."

* * *

Ich war mir nicht ganz sicher ob das Schicksal darauf stand mich mit Sam in ein Auto zu stecken, aber was anderes als das Schicksal zu leben, blieb mir nicht übrig.

"Little-Picasso..."

Ohne den Blick von dem Fenster zu wenden gab ich ein leises "Hm" von mir.

"Ich würde dich gerne bei deinem Namen ansprechen."

Ich lehnte den Kopf noch fester gegen das Fenster. " Ich mag es nicht wenn mich Fremde mit meinem Namen ansprechen."

"Aber dir gefällt es von Fremden herum gefahren zu werden?"

"Sam.", dröhnte ich seinen Namen. "Ich fühl mich nicht gut. Wirklich nicht. Hör bitte auf damit."

"So wie du wünschst, Alia."

Ein Schauer lief mir über den Rücken. Hatte er mich ebend tatsächlich bei meinem Namen angesprochen, oder war das nur eine Einbildung?

"Wie bitte?"

Sam blickte plötzlich völlig ernst und umfasste das Lenkrad noch fester. "Ich verstehe nicht warum du mir deinen Namen verheimlicht hast. Dachtest du, ich würde dich für Alia Hutson halten? Das ist einfach nur kindisch."

Mein Herz pochte wie wild. "Woher kennst du meinen Namen und seit wann?"
Erst jetzt bemerkte ich dass wir auf einem langen Weg geradeaus fuhren, umzingelt von lichten Bäumen. Es war gar nicht der Weg wo ich hergekommen war.

Sam fuhr plötzlich langsamer und hielt an. "Nein, Fräulein. Du erzählst mir lieber alles von Anfang an, sonst werde ich mich an deiner Familie erkundigen müssen."

Ich versuchte hastig die Tür des Autos aufzumachen, doch er schloss sie mit einem Knopf ab. "Du gehst nirgendwo hin."

Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt