Henrik POV
Sam hatte nicht einmal gefrühstückt und saß schon am Computer und spulte die Aufnahmen aufmerksam vor. Dunkle Ringe hatten sich unter seinen Augen gebildet. Als sein Vater machte mir diese ganze Sache langsam sorgen.
"Ist es nicht etwas zu früh um dir die Aufnahmen von gestern anzugucken?", fragte ich kleinlaut und setzte mich neben ihn auf einen Stuhl hin.
"Warum kümmert dich das denn überhaupt? Ich dachte du willst nicht dass ich das durchziehe...", murmelte er ohne seinen Blick von dem Monitor zu wenden.
"Sam, das ist es nicht. Du steigerst dich zu sehr rein. Vielleicht war das was wir vor ein paar Tagen im Revier gesehen haben, eine überarbeitete Version gewesen und jemand möchte dass wir diesem Unsinn glauben."
"Dad, glaub was du willst. Ich habe alles mit meinen eigenen Augen gesehen und..." Er brach seinen Satz in der Mitte ab. "Man erkennt fast gar nichts wenn's dunkler wird! Was ist das denn für ne Scheiße!? Argh wie aktiviere ich jetzt denn den Nachtmodus..." Sam stoppte die Aufnahme und suchte mit zitternden Händen nach einem Weg den Nachtmodus zu aktivieren.
Ich legte meine Hand auf seine, die die Maus umhüllte. "Sam, beruhig dich doch. Dir läuft niemand hinterher. Lass mich mal dran." In wenigen Sekunden fand ich schon den Nachtmodus und Sam atmete erleichtert aus.
"Danke, Dad."
"Gern ge--" Sam hielt plötzlich inne und stellte die Aufnahme auf die normale Geschwindigkeit. "Das muss Alia sein, doch wer ist dieser Typ neben ihr?"
"Wenn du die Kamera nicht in einen Blumentopf gesteckt hättest, dann wüssten wir das vielleicht."
Sam rollte die Augen und ich guckte mit ihm auf die Aufnahme. "Sie sitzen nur und trinken was. Sicher dass du dir das jetzt anschauen willst?", fragte ich gelangweilt und stützte die Hand an meinen Kinn.
"Ich muss doch wissen wer das ist."
"Und warum? Wie soll dich das denn weiter bringen?", hakte ich nach.
Sam fuhr sich mit der Hand durch die Haare und setzte sich aufrecht hin. "Ich weiß es nicht. Je mehr Informationen ich über sie habe, desto größer ist die Chance Antworten auf meine Fragen zu bekommen."
"Verstehe...", seufzte ich und guckte erneut auf den Bildschirm. "Sie haben die Tassen auf den Tisch gelegt. Wow. Sam, das solltest du dir notieren!", forderte ich ihn ironisch auf und er warf mir einen tödlichen Blick zu.
"Dad, du nervst.", bemerkte Sam und sah wieder auf den Monitor und seine Augen weiteten sich.
Man konnte sehen wie nah Alia's Gesicht an dem des Jungen stand und die Lücke zwischen ihnen nicht mehr zu sehen war. Wenige Sekunden später wurde sie schon auf die Couch gezerrt, ohne ihre Arme von ihm zu lösen.
Ich gab ein künstliches Husten von mir. "Das wird gleich zum Sex-Tape. Ich glaub wir sollten nicht mehr spannen. Was meinst du?"
Sam schnaubte nur so vor Wut und schloss völlig agressiv den Ordner und löschte die ganzen Aufnahmen von den letzten 24 Stunden.
"Sam, was machst du!?", zischte ich verwirrt.
Er war hektisch aufgestanden und schlug seine Faust gegen die Wand. "Das kann doch nicht ihr Ernst sein...", sprach mein Sohn vor sich hin und runzelte die Stirn.
"Kannst du dich mal bitte beruhigen junger Mann? Du bist es der ein Verbrechen begeht und ein minderjähriges Mädchen bespannt und jetzt ist sie die Schuldige oder was?"
"Eine Minderjährige, toll! Hast du nicht gesehen was sie da macht?"
Ich erhob mich von meinem Stuhl und legte eine Hand auf seine Schulter. "Sam, ihr privates Leben geht dich doch nichts an. Außerdem warum diese Wut? Du hast doch sowieso keine Beziehung zu ihr. Ich verstehe nicht warum dich das so ausrasten lässt."
Sam vermied Blickkontakt mit mir. "Ich gehe frische Luft schnappen.", teilte er mir mit und griff nach seiner Jacke.
Ungläubig starrte ich ihm hinterher. "Sag mir nicht du hast dich in sie verliebt..."
Er schlug die Tür laut hinter sich zu, ohne mir zu antworten.
"Ich glaub's nicht. Er hat sich tatsächlich in sie verguckt.", kam es noch kleinlaut von mir nachdem er gegangen war.
* * *
Ich wusste dass ich die Vergangenheit nicht weiter ans Licht bringen durfte, doch die ganze Reue die ich noch von diesen Tagen in mir trug, überlief auf die neuen Seiten die ich glaubte in meinem Leben geöffnet zu haben.
Alles woran ich nur noch denken konnte war James und mein jüngeres Ich, dass dieses ganze Unglück verursacht hatte.Der kalte Wind ließ mir die Nackenhaare aufsteigen als ich das Tor des Friedhofs überquerte.
Es war falsch, das war mir bewusst, doch ich musste seinen Grab nochmal sehen. Er lag schon seit Jahren einsam unter der Erde und ich lebte mein Leben weiter... Das war einfach nicht gerecht.
Von der Weite war eine dumpfe Stimme zu hören; als ich der Person näher kam, wurden die Wörter klarer.
"Ich habe einen Fehler begangen und verdiene auch die Bestrafung dafür, aber warum muss ich jede Sekunde mit der Angst davor leben? Kann ich es nicht ein für alle mal hinter mich bringen?" Die Stimme stoppte und nun war nur noch ein lautes Schluchzen zu hören. "Oder verzeihe mir einfach... Trenn mich nicht von ihr..."
Stumm hatte ich dem Jungen zugehört der vor James' Grab kniete. Er hatte die Hände fest gegen sein Gesicht gedrückt und weinte herzhaft. Seine Knie waren mit Schlamm bedreckt, doch dies schien ihn nicht zu kümmern. Er wirkte so verzweifelt und zerbrechlich, wie ein kleines Kind dass Geborgenheit bei seiner Mutter suchte.
Nur ein Schritt weiter genügte und er hatte mich bemerkt. Seine Blut untermalten Augen starrten mich verwundert an.
Ich schluckte schwer als ich sein Gesicht sah. "James?"
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Das Erwachen
Paranormal"Ist es wirklich so auffällig dass ich Menschen nicht leiden kann?" "Nein, überhaupt nicht. Du siehst sie bloß so an als ob du ne Zitrone gegessen hättest.", meinte er und fing die Klinge auf, welche sich kurzzeitig in der Luft gedreht hatte. Mein...