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Ich bereute meine Tat sofort. James wurde noch vor wenigen Tagen wegen seinen "Sünden" bestraft und schwer verletzt, doch was tat ich..?
Es war unmöglich für mich solch ein Wesen wie James zu werden. Ich war ganz klar ein Mensch: selbstsüchtig, rücksichtslos und unfähig erst nachzudenken bevor man handelt.
Mein ganzer Körper füllte sich mit Hass mir gegenüber.

All meine Gedanken huschten plötzlich in die abgrundtiefen Leeren meines Unterbewusstseins als ich spürte wie James meinen Kuss erwiderte. Seine warmen Lippen umhüllten meine und ich spürte wie sich sein Körper gegen meinen lehnte. Das Blut rannte mir heiß durch die Adern, vielleicht verdunstete es sogar, da meine Glieder federleicht wurden.

Mein Rücken drückte leicht gegen die Couch als ich spürte wie sich seine Hand unter meinem Pullover hochbahnte. Er streifte zwar über meine Haut, doch ich spürte die Berührung auf meiner Seele. Für einen kurzen Moment lösten sich unsere Lippen voneinander und die Atemzüge vermischten sich ineinder. Unsere Blicke trafen sich. Ich sah wie sich seine Lider schlossen und er sich erneut zu mir beugte, doch unsere Lippen trafen kein zweites Mal aufeinander.

Völlig entrüstet stützte sich James mit den Händen an der Couch ab und hievte sich von mir hoch. "Es... Es tut mir leid.", stammelte er hervor und setzte sich dem Tisch gegenüber hin; die Hände fest gegen die Schläfen gepresst. "Wie konnte ich nur..."

Ich rappelte mich verwundert auf und versuchte zu verstehen was ich vielleicht falsch gemacht haben könnte, sodass er sich so plötzlich von mir abgewandt hatte, doch ich traute mich nicht ihn zu fragen. Die Wut brannte förmlich in seinen Augen.
Ich wusste dass er diese Wut nicht mir gegenüber empfand, aber selbst der Zorn der an sich selbst gerichtet war bereitete mir Gänsehaut.

"James das war nicht deine Schuld.", vergewisserte ich ihn mit all dem Mut den ich nur aufbauen konnte.

Dicke Tränen rollten seine Wangen hinunter. "Doch das war es. Ich konnte mich kein bisschen beherrschen. Wer weiß was passiert wäre wenn ich..."

Ich wischte seine Tränen mit meinem Daumen hinweg. "Ich habe jede Sekunde genossen, obwohl ich wusste dass ich das nie hätte tun dürfen.", beichtete ich. "Es tut mir leid. Ich wollte nie etwas tun dass dich derartig betrübt."

"Nein, Alia, du verstehst es nicht. Ich bin derjenige der dich vor allem Bösen schützen sollte, doch ich kann dich nicht einmal vor meinen Begierden beschützen."

"Wer sagt denn dass ich überhaupt davon 'beschützt' werden will?"

James sah mich mit seinen eisblauen Augen an, dessen weiß sich zu einem hellen pink gefärbt hatte. "Das Gesetz, Alia."

"Was für ein 'Gesetz'?"

"Ich weiß selber nicht viel darüber. Nur einst ist klar... Wendest du dich gegen das Gesetz dann wendet es sich gegen dich."

Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus. "Dir wird doch nichts geschehen, oder?"

Ein mildes Lächeln erschien auf James Gesicht. "Wann sagtest du kommen deine Eltern mit David zurück?"

Er wich vom Thema ab. Das war eine Geste die mir verriet dass mir die Antwort nicht gefallen würde. "James...", betonte ich seinen Namen und wartete auf eine richtige Antwort auf meine Frage.

Ohne meiner Frage weiterhin Beachtung zu schenken legte er sich auf die Couch und breitete seine Arme aus. "Solange sie nicht früher hierher kommen als wenn wir aufwachen, sollte es kein Risiko geben dass sie dich mit einem fremden Typen zusammen sehen."

Ich gab mich geschlagen und die Hoffnung auf eine Antwort verschwand, also legte ich mich einfach neben ihn hin. "Du bist kein fremder Typ.", widersprach ich und legte meinen Kopf auf seine Brust.

"Für dich vielleicht, aber nicht für deine Eltern, oder David..."

"Warum wird deine Existenz eigentlich für jeden sichtbar wenn du schläfst?"

James seufzte und rollte sich einpaar meiner Haarsträhnen um den Finger. "Ich kann meine Existenz nicht verheimlichen wenn ich Unbewusst bin oder mich nicht richtig konzentriere."

Ich guckte zu James auf. "Weißt du überhaupt selbst was für ein Wesen du bist?"

James schloss die Augen und löste meine Haarsträhnen auf. "Nicht wirklich. Ich lerne jeden Tag etwas neues über mein jetziges Dasein und solange du bei mir bist, ist es mir egal was ich bin."

Ich konnte nicht weiter das Thema abwenden. Der Gedanke dass James etwas passieren konnte, überschlug alles andere in meinem Sinn. Meine Hand klammerte sich an sein Hemd und ich schmiegte meinen Kopf fest gegen seine Brust. "Ich will nicht dass dir was passiert. Ich will nicht dass du wegen mir leidest.", schluchzte ich unkontrollierbar.

James streichelte sanft meinen Kopf. "Mach dir keine Sorgen. Mir wird schon nichts passieren."

Dies war die schönste Lüge die er mir je erzählt hatte.

* * *

David POV

"Mom, ich halt's nicht länger aus. Ich gehe jetzt zu Alia.", flüsterte ich ungeduldig in ihr Ohr ohne es meiner Tante auffallen zu lassen.

"Womit willst du denn zurück nachhause fahren?"

"Ich finde schon meinen Weg mit dem Bus."

"Aber David, es ist doch unhöflich deiner Tante gegenüber. Wir wollten doch alle hier bei ihr übernachten."

"Ja, wir alle, aber Alia ist nicht hier und Gott weiß wie sie gerade vor Angst Zuhause zittert und sich fragt wie sie die Nacht durchmachen soll."

"David." Meine Mutter sah mich resigniert an. "Sie ist fünfzehn. Hab doch etwas vertrauen in ihr. Was wird sie denn davon halten wenn du zurück kommst? Hast du dir das schon mal gedacht?"

"Das hat nichts mit Vertrauen zu tun. Ich weiß doch wie ängstlich sie ist. Wir reden hier von einem Mädchen dessen ganze Familie vor einem Monat ermordet wurde. Glaubst du sie hat keine Angst alleine Zuhause?"

Meine Mutter seufzte und drückte mir einpaar Scheine in die Hand. "Fahr nicht mit dem Bus, nimm ein Taxi."

* * *

Als ich Zuhause angekommen war, war es schon drei Uhr Morgens. Noch wenige Stunden fehlten bis die Sonne aufbrach. Ich öffnete die Haustür leise mit dem Schlüssel und ging herein.

Die Lichter waren geschlossen, doch da meine Augen an die Dunkelheit einigermaßen gewöhnt waren fiel mir sofort die Tasse auf dem niedrigen Tisch vor der Couch auf und als ich mich der Couch näherte sah ich dass es sogar zwei Tassen waren.

Verwundert fiel mein Blick letzendlich auf die Couch wo ich Alia sah. Sie schlief völlig ruhig, doch sie lag dort nicht alleine.
Ihr Arm lag quer auf der Brust des Jungen neben ihr und sie hatte ihr Bein über seine gelegt.

Völlig entrüstet starrte ich die beiden an, doch was mich umso mehr erschütterte war, dass dies der Junge aus ihren Zeichnungen war.

Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt