Eine unsichtbare Kraft sorgte dafür dass ich in Sekundenschnelle auf den Beinen war. Ich öffnete den Mund um mich zu verteidigen; um ihm zu sagen das nichts auf dieser Welt seinen Platz in meinem Leben einnehmen könnte, doch mit einem Wimpernschlag war er schon fort; verschwunden, in Luft aufgelöst, unauffindlich...
James war wie eine Sommerbrise. Mal spürst du es durch deine Haare wehen, wartest erneut auf den nächsten Stoß, aber nichts tut sich. Du vermisst die kurzzeitige Erfrischung und leidest unter den brennenden Strahlen der Sonne.
James...
"Hey, was ist passiert?", fragte Sam aufdringlich und stand ebenfalls auf.
Ich ignorierte den Brand in der Brust und zwang mir ein Lächeln auf die Lippen. "Nichts, ich dachte nur, ich hätte eine Taube gesehen."
"Oh, okay." Sam hob meinen Rucksack auf. "Du willst nicht zur Krankenstation, hab ich das richtig verstanden?"
"Ja.", entgegnete ich ihm, etwas irritiert, weil ich keinen Zusammenhang bilden konnte.
"Dann werde ich dich verarzten. Bei mir zuhause.", meinte er entschlossen.
Ich hob eine Augenbraue und sah ihn prüfend an. "Das kannst du knicken."
"Warum denn? Du hast keine andere Wahl.", gab er mir zu bedenken und grinste breit.
"Sam, falls ich vor dir sterben sollte, kannst du dir sicher sein dass ich bei dir zuhause spuken werde.", machte ich ihm weis und nun war ich diejenige, die grinste.
* * *
Sein Zimmer war viel größer als meins, dennoch fühlte es sich hier so stickig an. Überall an den Wänden waren irgendwelche Poster aufgehängt; seine Klamotten lagen zerstreut auf dem Boden, es wirkte so, als ob hier ne Bombe geplatzt wäre.
"Und du kannst hier leben?", war das erste, was ich wissen wollte.
Er lachte in sich hinein und bückte sich vor den Schrank um dort was rauszuholen. "Na klar, was dachtest du denn?"
Als er wieder vor mir stand hielt er ein kleines Fläschchen und einen Wattebalzen in den Händen. "Setz dich.", forderte er mich auf und deutete auf sein unaufgeräumtes Bett.
Ich gehorchte. Im nächsten Moment saß er schon neben mir und tupfte die Flüssigkeit in der Flasche auf den Wattebalzen und presste es gegen meine Wunde. Ich zuckte vor Schmerz zusammen und rückte etwas von ihm hinweg. "Das tut weh."
"Halt noch kurz durch. Es ist gleich vorbei.", stellte er sicher, woraufhin ich den Notizblock aus meiner Tasche holte, um mich mit dem Zeichnen abzulenken.
"Du scheinst dich für solche Mörder zu interessieren, nicht?", fragte ich, als ich mit ein paar flinken Bewegungen seine Wimpern zeichnete.
"Nicht wirklich. Es ist eher der Fall, der mich interessiert.", antwortete er, zufrieden mit meiner Wunde; und ließ das Fläschchen im Schrank verschwinden, wobei der Wattebalzen in den Mülleimer geworfen wurde.
Er zeigte mir einen Ordner, voll mit Bildern von Tatorten und Schriften, die zu klein gedruckt waren, um sie zu lesen. "Hier bewahre ich all meine Erfahrung und Forschungen auf. Ich liebe es einfach, Geheimnisse zu lüften.", schwärmte er und setzte sich wieder neben mir aufs Bett.
"Beeindruckend.", lobte ich ihn, da mir nichts weiter einfiel, was ich zu dieser unnötigen Sammlung sagen könnte. "Du sagtest, sie hätten ohne dich diesen Mörder nicht gefunden... Wie hast du..."
Sam lächelte stolz. "Ich habe so eine Katze gesehen, mit einer tiefen Schnittwunde auf dem Kopf. Ich verfolge die Verbrechen von diesem Typen schon sehr lange... Er ist geisteskrank, liebt es Lebewesen zu quälen und als ich diese Wunde sah..."
"Verstehe." Trozdem verstand ich nicht, wie er rechzeitig die Polizei informiert und sie zu mir geführt hatte. Glück? Unwahrscheinlich. "Was hat denn deine Interesse an diesem Mörder geweckt?"
"Es waren seine Morde. Er hält sich nicht in einem Gebiet auf, was es fast unmöglich macht, ihn aufzuspüren. Mal bringt er Menschen in dieser Stadt um, mal ist es irgendwo, zwei Stunden entfernt vom letzten Tatort. Er ist undurchschaubar."
"Wann hat er sein letztes Verbrechen begangen?", fragte ich, nicht wissend, wohin diese Konversation führen würde.
"Vor ungefähr drei Monaten.", sagte er und blätterte im Ordner umher. "Er brachte gleich alle drei Familienmitglieder um. Den Leichen fehlten die Zungen. Alles war mit Blut übersehen."
"Die Zungen? Warum denn das?" Ich setzte mich aufrecht hin und sah ihn neugierig, doch zugleich angewidert an.
"Ich weiß es nicht.", beichtete er und seufzte. "Zum Glück konnte doch noch jemand aus der Familie überleben. Sie sagten dass das Mädchen in dieser Nacht unterm Bett eingeschlafen war und der Mörder sie somit gar nicht erst sah. Man fand sie erst im Haus als die Leichen zur Autopsie geschickt wurden."
Ich bekam Gänsehaut und räusperte mich. "Wie... Wie hieß das Mädchen; weiß du das?"
Sam führte seinen Finger auf dem Papier hinunter und formte die Augen zu Schlitzen, um die Schrift lesen zu können. "Lass mich mal sehen..."
Erfreut sah er auf seinen Ordner hinab. "Sie heißt Alia. Alia Hutson..."
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Das Erwachen
Paranormal"Ist es wirklich so auffällig dass ich Menschen nicht leiden kann?" "Nein, überhaupt nicht. Du siehst sie bloß so an als ob du ne Zitrone gegessen hättest.", meinte er und fing die Klinge auf, welche sich kurzzeitig in der Luft gedreht hatte. Mein...