Er existierte nicht. Er war nur eine Vorstellung. Ein Bild, welches aus den aufgeschnappten Puzzelteilen entstanden war, die meine Augen gesammelt und mein Gehirn umwandelt hatte.
Die Tränen kullerten mir in Form von Perlen über die Wangen. "Lass das.", schluchzte ich. "Hör auf damit."
"Womit?", wollte James wissen, der nun die Hände auf meine Taille platzierte.
"Du existierst nicht. Du..." Ich kam nicht weiter, denn nur der bloße Gedanke, James als eine imaginäre Person zu betrachten, quetschte mir das Herz aus der Brust.
"Ach komm schon." Nun konnte ich die Wärme seines Atems deutlich spüren. "Mach dich nicht lächerlich. Wir beide wissen ganz genau, dass du daran nicht glaubst."
"Ich verstehe dich nicht. Erst sagst du, du hättest nie hierher kommen dürfen und nun schlägst du mir vor mich zu entführen."
"Das war bevor du deinen Auftrag erfüllt hattest, aber wenn du in dieser Streiterei noch länger verwickelt sein möchtest... nur zu.", sagte er, wonach ich die Laute um mich herum wieder begann wahrzunehmen.
Reflexartig drehte ich mich um; er war nirgends zu sehen. "James!", brüllte ich verzweifelt.
Alle verstummten.
"Alia..? Alles okay?", fragten sie im Chor. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und stand auf. "Alles bestens." Meine Stimme bebte, so wie meine Knochen auch.
Ich lief in mein Zimmer und schmiss mich auf mein Bett. "Nimm mich mit. Bitte...", flüsterte ich zwischen dem bitteren Geschmack der Tränen.
Die Tür knirschte hinter mir. Ich vergrub das Gesicht im Kissen.
"Hey, Alia. Du musst dich wegen dem Streit vorhin nicht betroffen fühlen.", machte mir David weis, der sich auf mein Bett sinken ließ.
"Das tu ich auch nicht."
"Hör auf deine Gefühle zu unterdrücken. Es ist okay sich schlecht zu fühlen.", meinte er und führte seine Hand über mein Haar.
Wie von einem Stromschlag betroffen zuckte ich zusammen. "Fass mich nicht an!", kreischte ich und warf mich aus dem Bett.
"Alia, was..."
"Hör endlich auf damit! Du bist nicht mein Bruder. Ich will deine Zuneigung nicht."
David stand ebenfalls auf und richtete seine leeren Blicke auf mich. "Tut mir leid versucht zu haben mich wie ein Bruder zu verhalten." Er machte einen Schritt auf mich zu. "Ich würde mich freuen, wenn du es lassen würdest, deine Wut gegen den Mörder deiner Familie, an mir auszulassen."
Meine Augen weiteten sich. "Das stimmt nicht."
"Oh, doch. Das tut es."
"Nein, tut es nicht!", konterte ich.
"Warum denn dann? Warum siehst du mich als deinen Feind? Was habe ich dir getan?"
"David, geh bitte raus. Ich will nicht darüber reden." Ich streckte den Arm in Richtung Tür aus. "Geh."
"Nein, ich gehe nirgendwo hin.", stellte er klar und machte noch einen Satz auf mich zu. "Sag, warum du mich hasst."
"Ich hasse dich nicht."
"Doch, das tust du." Zwischen mir und David gab es nun nicht mal einen ganzen Meter.
"Du weißt nicht was ich alles durchgemacht habe. Du hast keine Ahnung über meine Vergangenheit. Ich habe meine Gründe dir nicht zu vertrauen!"
"Und die wären?"
Mein Arm spannte sich noch döller an, das Ziehen tat langsam weh. "Geh hab ich gesagt!"
"Nein!", widerholte er sich und schob meinen Arm hinunter. "Wir können darüber reden. Was in der Vergangenheit passiert ist, bleibt auch in der Vergangenheit. Wir müssen uns auf die Zukunft konzentrieren."
"Ich habe keine Zukunft! Mir ist nichts geblieben was mich an das Leben bindet. Das Zeichnen lässt mich zwar atmen, aber ich durste nach Freiheit. Ich will endlich zu meiner Familie zurück kehren. Ich..." David ließ mich nicht weiter aussprechen und drückte seinen Zeigefinger sanft gegen meinen Mund. "Pschh... Sag... Sag das nie wieder. Hörst du? Nie wieder."
Er nahm seinen Finger wieder weg. "Du wirst weiter leben, für deine Familie. Du wirst dich an diesem Mörder rechen, in dem du weiter lebst. Es gibt kein Aufgeben, nur weiter kämpfen. Versprich mir, dass du nicht einmal daran denkst, zu sterben. Einverstanden?"
"Aber wir alle werden sterben."
"Alia, du bist erst 15; in diesem Alter sollte man andere Gedanken haben, als der Tod. Es stimmt, wir alle werden eines Tages eins mit der Erde werden, doch wenn wir andauernd daran denken, können wir doch nicht in Ruhe leben."
"Ich fürchte mich nicht vor dem Tod. Während die Menschen in meinem Alter sich von dem hinterlistigen Lächeln des Lebens betören lassen, bin ich mir ganz im klaren, was eigentlich auf mich wartet, während mein Herz weiter schlägt."
"Ach, Alia... Du bist noch zu jung um an so was zu denken.", erklärte er, mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen.
"Der Tod hat kein Alter."
"Genau. Wie wahr du doch sprichst." Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Das war James, der direkt hinter mir stand. Ich schluckte schwer.
"David... Siehst... Siehst du dort jemanden?", fragte ich stotternd.
"Wo? Was ist los mit dir? Du bist so blass im Gesicht.", stellte er fest und sah sich um.
"Ich wusste es. Du bist nur ein Produkt meiner Fantasiewelt. Du existierst nicht."
"Alia, mit wem redest du?", wollte David wissen, der mich fast schon ängstlich musterte.
"Mit...", ich kam nicht weiter, denn die warme Handinnenfläche von James presste sich gegen meine Lippen. "Ich möchte nicht, dass ein Mensch meinen Namen ausspricht.", ließ mich James wissen und gab meinen Mund frei.
"Du vergisst, dass ich auch ein Mensch bin.", erinnerte ich ihn und drehte mich zu ihm.
James lachte in sich hinein und grinste breit. "Bald nicht mehr."
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Das Erwachen
Paranormal"Ist es wirklich so auffällig dass ich Menschen nicht leiden kann?" "Nein, überhaupt nicht. Du siehst sie bloß so an als ob du ne Zitrone gegessen hättest.", meinte er und fing die Klinge auf, welche sich kurzzeitig in der Luft gedreht hatte. Mein...