Vor Schock ging ich unwillkürlich ein paar Schritte zurück und meine Hand presste sich auf meinen Mund. Mein Fuß stolperte leicht an dem Teppich. Ich hielt inne und mein Blick fiel sofort wieder auf die beiden, doch der Junge schlief nicht länger, sondern wandte seinen Kopf in meine Richtung und seufzte genervt. "Etwas leiser wenn ich bitten darf.", murrte er und stand vorsichtig auf ohne Alia zu wecken.
Völlig empört ballte ich die Hände zu Fäusten. "Was fällt dir eigentlich ein? Was machst du hier bei Alia? Wer bist du!?"
Er rollte die Augen und sprach ohne mich anzusehen. "Was ich hier mache fragst du also? Ich tue das, was du an meiner Stelle hättest tun müssen."
Sprachlos starrte ich ihn an. "Ich..."
"Nein, David. Du hättest bei ihr bleiben müssen und nicht ich. Wenn sie sich unwohl fühlt müsstest du die Person sein die ihr Trost gibt. Sie hat ihre ganze Familie verloren. Sie braucht Geborgenheit in dieser Welt und ich dachte dass sie das bei euch finden kann, doch du hast mich enttäuscht."
Seine Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht. Er kam auf mich zu und legte seine Hand auf meine Schulter. "Du bist ein guter Mensch, David. Ich vertraue dir, aber du musst verstehen..." Seine Stimme klang gedämpfter. "...es ist nicht leicht für Alia dich heute auf morgen als ihren Bruder zu akzeptieren. Ihr müsst ihr noch mehr Zeit geben und egal was passiert, sie niemals alleine lassen. Sie hat niemanden außer euch."
"Was... Was ist mit dir?", stammelte ich hervor.
"Ich?" Er blickte zu Alia rüber. "Ich habe nur noch gezählte Tage und dann... werde ich nicht mehr für sie da sein können. Deshalb muss ich mir sicher sein, dass sie bei euch in Sicherheit ist und sich wohl fühlen kann."
"Du kannst dich auf mich verlassen, doch... was wird denn mit dir in ein paar Tagen passieren?"
Der Junge hockte sich neben die Couch nieder und strich Alia's Haare. "Ich habe nicht mehr lange zum Leben, aber das weiß Alia nicht und ich will auch nicht dass sie das erfährt. Wirst du dieses Geheimnis für mich halten können?"
Ich nickte. "Das... Das tut mir leid, aber vielleicht wird sich dein Zustand ja verbessern und du wirst nicht sterben."
Er lachte bitter und drückte einen Kuss auf Alia's Stirn. "Das ist leider keine Krankheit die geheilt werden kann." Der Junge stand auf und wandte sich der Haustür zu.
Ich hielt ihn sofort auf und packte ihn am Arm. "Warte! Du musst nicht gehen. Du kannst hier bei Alia bleiben. Ich wusste nicht dass ihr beide Freunde seid."
"Das sind wir auch nicht.", entgegnete er mir und legte die Hand auf die Türklinke. "Du hast mich nie gesehen, verstanden?"
"Ja...", murmelte ich und sah zu wie er das Haus verließ.
Dieser Junge musste ihr viel bedeuten sodass sie ihn so nah an sich ran ließ und zu wissen dass er nicht mehr lange zu Leben hat... dass Alia erneut jemanden verlieren wird den sie liebt, zerriss mir einfach das Herz in Stücke.
Ich setzte mich neben ihr hin und betrachtete ihr entspanntes Gesicht. "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun damit du glücklich wirst, Schwesterherz."
Ich schmeckte salzige Tränen im Mund. Nach zehn Jahren war es das erste Mal dass ich jemanden außer meiner verstorbenen kleinen Schwester so ansprach.
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Das Erwachen
Мистика"Ist es wirklich so auffällig dass ich Menschen nicht leiden kann?" "Nein, überhaupt nicht. Du siehst sie bloß so an als ob du ne Zitrone gegessen hättest.", meinte er und fing die Klinge auf, welche sich kurzzeitig in der Luft gedreht hatte. Mein...