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"Für mich jedenfalls, hört sich das alles nur nach einem Haufen Unsinn an.", kommentierte Mrs. Morgen und nippte an ihrem Kaffee.

Es herrschte Stille am Tisch. Ich spürte David's Blicke auf mir. "Alia, können wir mit dir nach dem Frühstück ein wenig sprechen?"

"Klar.", stimmte ich ein, doch hatte ein komisches Gefühl bei der Sache.

* * *

David ließ mich auf seinen Drehstuhl neben seinem Schreibtisch sitzen und er setzte sich auf sein Bett. Ich hatte versucht für eine Weile dieses Bedürfnis zu unterdrücken, doch ich war schließlich noch ein Kind, also drehte ich mich eine Runde mit dem Stuhl und lächelte zufrieden, doch mein Körper zitterte noch immer wegen den Nachrichten. Ich musste mir den Gedanken aus dem Sinn bannen, doch er stach sich durch alle anderen hindurch und übertönte sie.

David kicherte und streckte sich nach dem Stuhl aus und drehte mich eine weitere Runde. Mir wurde das irgendwie peinlich, also versuchte ich ihn abzulenken. "Worüber wolltest du denn mit mir sprechen?"

David's breites Lächeln schrumpfte. "Wegen gestern Nacht... Du hättest mir sagen können dass du dich mit deinem Freund triffst. Wir haben uns schreckliche Sorgen gemacht."

Seine Worte liefen mir wie kaltes Wasser über den Rücken. "Meinen Freund? Ich habe keine Freunde."

"So mein ich das nicht. Ich meine deinen festen Freund. Sam Clews. Hätte ich ihn gestern nicht beim Revier getroffen, hätten wir der Polizei Bescheid gegeben und diese Sache wäre gewachsen."

Egal wie sehr mich die Lüge von Sam anwiderte, musste ich mitspielen. "Er hatte mir versprochen es niemanden zu sagen."

"Alia, es ist nichts schlimmes mit jemanden auszugehen. Lieben ist was schönes. Ich bin dir kein bisschen böse, nur..."

"Nur was?"

"Ich finde es einfach nur..." Seine Augen wurden leicht rötlich und glasig zugleich. "Du bist einem völlig Fremden so nahe gewachsen, doch ich... derjenige, der wie dein Bruder sein sollte... Dass du..." Er konnte sich nicht weiter zusammen reißen und brach in Tränen aus.

Ich fühlte mich schlecht weil ich kein Mitleid mit ihm haben konnte. Wüsste er nur dass alle Menschen nichts weiter als Fremde in meinem Leben waren, mit denen ich nichts zu tun haben wollte... Seien es meine Pflegeeltern oder ihr Sohn. Ich hatte meine ganze Familie verloren und der Mensch, der das letzte wertvolle Stück aus meiner Vergangenheit war, existierte nicht in dieser Welt und auch wenn, tat er es nur, wenn er wollte.

"David... Das stimmt doch gar nicht. Ich hab euch alle sehr gern. Ich schäme mich nur meine Liebe zu zeigen, das ist alles.", log ich und lächelte; sogar mein Lächeln war eine Lüge.

"Das musst du aber nicht!", schluchzte er und nahm mich in die Arme. Ich bekam Gänsehaut. Wie sehr ich es hasste berührt zu werden...

Er wischte sich die Tränen weg und stand auf. "Wenn du was brauchst, dann sag es mir bitte."

Ich nickte. "Hat dir Sam seine Telefonnummer gegeben?"

"Ja? Möchtest du ihn anrufen?"

* * *

Je mehr ich an die Nachrichten dachte, desto schlimmer wurde die Übelkeit in meinem Magen. Er ging nicht ran. Es klingelte und klingelte. Meine Runden außerhalb des Hauses, kurz vor dem Eingang wurden immer schneller vollendet. "Hallo?", kam es vom Handy und ich presste es mir panisch gegen das Ohr.

"Sam sie denken ich hätte ihn getötet.", wisperte ich verzweifelt in den Hörer. "Du musst mir helfen. Wenn meine Eltern rauskriegen dass ich heute dort war ist es aus für mich. Ich flehe dich an. Du musst mir helfen."

"Ganz ruhig Alia. Ich habe mir schon dasselbe gedacht. Ich schwebe auch in Gefahr und das obwohl es mein Vater war der mich dorthin geschickt hat. Wir werden alle verdächtigt."

"Das ergibt einfach keinen Sinn."

"Wir müssen das Resultat von der Autopsie abwarten, aber falls--", der Anruf wurde plötzlich beendet. Ich versuchte es erneut zu öffnen doch das Handy hatte sich bereits geschlossen und verlangte das Passwort.

"David!", rief ich und gab ihm das Handy. "Es ist plötzlich ausgegangen. Kannst du dein Passwort eingeben?"

Er nickte und versuchte sein Handy einzuschalten, doch es blieb schwarz. "Der Akku ist wohl alle. Es dauert nicht lange bis es ladet."

"Okay. Ich bin dann draußen." Der Sauerstoff brannte in meinen Lungen. Ich konnte nicht stehen bleiben und marschierte auf der Straße entlang. Vor meinen Augen sah ich zwei Männer in Uniformen. Das war ein Scherz. Jemand wollte mir Angst einjagen. Das konnte einfach nicht passieren. Die Männer in der Polizei-uniform gingen auf mich zu und sahen auf das Foto in ihren Händen. "Alia Hutson, richtig? Sie kommen mit uns.", machte er mir weis und zeigte mir seinen Ausweis.

Ich machte einen Satz nach hinten. "Und warum wenn ich fragen darf?"

"Sie werden im Revier erwartet. Es gibt Fragen die Sie beantworten müssen."

Schweigend folgte ich ihnen. Als wir beim Revier ankamen schmerzten meine Beine wie wild. Mir blieb es noch immer ein Rätsel warum sie kein Auto bei sich hatten, doch das interessierte mich momentan auch kein bisschen. Die Stiche in meiner Brust und das laute Pochen meines Herzens machten es unmöglich klar zu denken.

"Hier entlang.", führte mich der Mann in ein isoliertes Zimmer mit einem Tisch in der Mitte, umzingelt von zwei Stühlen, auf denen ein Mann saß, dessen Gesicht ich mich nicht traute anzusehen.

Derjenige der mich bis hierhin begleitet hatte verließ den Raum und wir blieben allein. Mein Körper badete nur so im Schweiß und meine Wangen glühten hell vor Aufregung; mein Kopf vorgebeugt, um meine Nervosität zu verbergen. "Was...", stotterte ich. "Was wollen Sie wissen?"

"Vieles, aber was mich am meisten interessiert ist, was dein Unterschied zu diesen Menschen sein soll, die du so abgrundtief hasst. Du konntest immerhin nicht mal zwei Aufträge erfüllen."

Diese vertraute Stimme ließ meinen Körper zusammen zucken. Bestürzt erhob ich meinen Kopf und erblickte James.
Worte hatten ihre Bedeutungen verloren und die Reue würde nichts weiter bringen als Schmerz, der die Vergangenheit nur noch lebhafter machte.

Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt