Man hatte mir die Zunge an den Gaumen genagelt. Anderseits konnte es keine Erklärung für mein Schweigen geben.
War das wirklich der Junge, von dem ich seit meiner Kindheit träumte?
Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen, den ich auch nur aus mir heraus schöpfen konnte und drehte mich zu ihm. Mein Blick kletterte von seiner Brust bis zu seinen Lippen. Weiter traute ich mich nicht. "Versuch's nicht einmal.", ermahnte er mich.
Ich wollte es aber. Ich wollte ihn direkt ansehen und nicht die öden Zeichnungen auf dem Papier. Ich wollte mich in seinen Augen verlieren und nie wieder in diese Welt zurückkehren.
Ein Blick... Was konnte da denn schon schlimmes passieren?
Ich war zu unwissend.
Hätte ich gewusst, was für ein Schmerz meinen Körper heimsuchen würde, hätte ich mich nicht einmal getraut mich zu ihm zu drehen, doch ich hatte es getan und ging auch zu weit, in dem ich seine Warnung ignorierte und meine Augen direkt auf seine richtete.
Als mein Blick von seinen eisblauen Iriden gefangen genommen wurde, schien eine fremde Macht zu versuchen mir die Seele aus dem Körper zuziehen. Meine Lungen akzeptierten keinen Sauerstoff mehr. Mein Herz lehnte es ab weiterzuschlagen. Kurz gesagt: Etwaige Lebensfunktionen standen bevor nicht weiter ihren Job zu erfüllen.
Erst als er seine Augenlider schloss, erhielt ich die Möglichkeit mich aus der Starre zu befreien. Gierig schnappte ich nach Luft. Völlig benommen schmiegte sich mein Körper gegen seinen.
"Ich hatte dir gesagt, du sollst es nicht einmal versuchen, Alia."
Meine Augen weiteten sich. Woher kannte er meinen Namen? Er war nur ein Produkt meines Unterbewusstseins; selbstverständlich kannte er meinen Namen, meine Vergangenheit, einfach alles über mich, aber, trotzdessen... warum wirkte er so real?
Ich krallte meine Hand an sein Hemd und presste mich noch weiter gegen ihn. Nicht nur sein Aussehen betäubte mich, sondern auch sein Duft; sein bloßes Dasein reichte.
Die Angst, dass er jeden Moment verschwinden könnte umhüllte mich. Ich umarmte ihn so, als ob das die Letzte wäre. "Bleib.", fiel das erste Wort seit seiner Erscheinung über meine Lippen. "Bleib!", wiederholte ich mich, nur lauter und entschlossener.
"Du kannst also doch reden..." , stellte er fest. Seine heitere Stimme umhüllte etwas düsteres. "Ich hätte nie hierher kommen dürfen."
"Was... Was soll das denn heißen?" Ich wollte mich von ihm lösen und ihm noch ein letztes Mal in die Augen blicken, auch wenn es mir den Tod bringen würde, doch er schien mich erneut durchschaut zu haben, da er mich gegen sich presste, sodass mir keine andere Wahl übrig blieb, als still in seinen Armen zu ruhen.
"Ich habe eine große Sünde begangen und das für ein Mädchen, dass nicht einmal meinen Namen kennt.", beichtete er, ohne jene Emotion in der Stimme und erhob sich. "Lebe wohl."
Mein Herz drohte meinen Brustkorb zu durchbrechen. Ich griff nach dem Stoff seines Hemds. "Geh nicht! Ich tu alles was du willst... Ich..!"
Im nächsten Moment war er schon in das tiefe Schwarz der Nacht zerrannt. Ich schmeckte die salzigen Tränen im Mund; spürte die zerknüllte Zeichnung in meiner Hand.
"...liebe dich." Ich nahm das Gesicht zwischen die Hände und gab den Tränen freien lauf. Ehe ich meine Tasche über die Schulter geworfen hatte, fand ich mich schon auf den Straßen, welche von dem Zwiellicht der Laternen erhellt wurden.
"Alia!", hörte ich jemanden nach mir schreien. Ich drehte meinen Kopf zur Stimme, doch neigte es wieder hinab als ich feststellte dass David nach mir rief und nicht der Junge aus meinen Träumen.
"Ich hab mir so große Sorgen um dich gemacht.", jammerte er und umschloss mich in seine Arme. Am liebsten hätte ich ihn einfach nur von mir weggezerrt und gesagt, dass er aufhören sollte sich um mich zu sorgen, doch dazu fehlte mir die Kraft.
"Wo warst du denn? Hat dir jemand was getan?"
"Nein.", entgegnete ich ihm trocken.
Er holte sein Handy aus der Jackentasche, wessen Vibration auch ich gespürt hatte. "Lena, ich hab sie gefunden. Komm zur Eichenstraße. Wir können jetzt wieder nach Hause.", erteilte er der Person am Telefon mit und lächelte breit, wonach er das Handy verschwinden ließ.
"Geh du schon mal ins Auto.", forderte er mich auf als er seine Jacke über meine Schultern legte. "Mir ist nicht kalt.", fauchte ich schon fast.
David runzelte die Stirn. "Ich kann mich nicht daran erinnern dich danach gefragt zu haben. Merkst du nicht wie sehr deine Zähne klappern?"
Ich hatte keine Lust mit ihm zu diskutieren, daher setzte ich mich ins Auto und guckte aus dem Fenster zur Straße hinaus. Da bemerkte ich ein Mädchen, welches sich förmlich in David's Arme schmiss und dann die Lippen fest gegen seine presste. Schockiert blickte ich weg.
Nach wenigen Sekunden stiegen sie ebenfalls ins Auto; das Mädchen von vorhin drehte sich zu mir und grinste. "Du bist also Alia, richtig? Die Schwester von David? Wir dachten dir wäre was passiert! Hast du denn keine Angst alleine rauszugehen?"
Wollte sie den Abdruck meiner Fußsole auf die Fresse geklatscht kriegen oder warum fragte sie so blöd? Ignorieren war die beste Wahl die ich treffen konnte.
"Du sprichst also nicht so gern, was?"
Als sie merkte dass sie meine Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen konnte, drehte sie sich wieder um.
"Er muss sich glücklich schätzen so eine talentierte Verehrerin zu haben. Meine Freundin kann nicht mal einen graden Strich zeichnen."
Jetzt glaub ich dir das David, jetzt glaub ich's dir...
"Schnall dich an, Alia." Bei der plötzlichen Ansage von David, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und tat schnell was er sagte, wobei mir die zerknüllte Zeichnung wieder einfiel, welche ich fest in meiner Faust hielt.
Ich faltete die Zeichnung sanft aus. Meine Pupillen schrumpften abrupt als ich den Namen unter dem Bild las: "James."
Ich beschriftete meine Zeichnungen nicht. Wer hätte das... Bestürzt zogen sich meine Augenbrauen zusammen. Konnte es wirklich sein, der Junge aus meinen Träumen..?
"James...", flüsterte ich seinen Namen.Unten links stand noch was geschrieben:
❝Würdest du tatsächlich alles tun, damit ich bei dir bleibe? Beweise es.
Auftrag I: "Töte deinen Willen."❞
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Das Erwachen
Paranormal"Ist es wirklich so auffällig dass ich Menschen nicht leiden kann?" "Nein, überhaupt nicht. Du siehst sie bloß so an als ob du ne Zitrone gegessen hättest.", meinte er und fing die Klinge auf, welche sich kurzzeitig in der Luft gedreht hatte. Mein...