Die grellen Strahlen der Sonne hatten sich langsam zurück gezogen. Es wurde kühler, doch das Feuer in meiner Brust wollte einfach nicht aufhören zu wachsen, so wie die Fragen, die sich in meinen Kopf stachen.
"Was meinen Sie damit? Was soll heißen, sie hätte nie existiert?" Ich hatte mich schon abgeschnallt und sah den Polizisten entsetzt an, der sich noch immer mit der Hand durch die Haare wühlte.
"Da kommen wir wieder zur Theorie dass er schizophren war." Er nahm die Hand vom Kopf und ließ einen lauten Seufzer raus. "Ich weiß es nicht, Kind. Er war ein ziemlich komischer Kerl."
"Erzählen Sie mir mehr über ihn. Das reicht nicht. Ich...", er fiel mir ins Wort, "Das reicht. Du solltest deinen Besuch kurz halten. Ich denke nicht, dass du nach dem Sonnenuntergang noch im Friedhof bleiben möchtest."
"Sie haben recht." Ich stieg aus dem Auto. Als der Polizist das ebenfalls tun wollte, verhinderte ich dies mit einer Handbewegung. "Bleiben Sie drin. Ich gehe allein."
* * *
"Vielen Dank, der Herr." Ich lächelte dem Wächter, der mir zeigte wo James' Grab war, noch kurz zu, bevor ich nun völlig allein war.
Nur ein öder Grabstein. Keinerlei Blumen oder Unkraut. Einfach nur Erde und dieser Stein, wo sein Name eingemeißelt war.
Ich kniete mich nieder und ließ die Erde durch meine Finger gleiten. "Ruhe in Frieden, James."
Unwillkürlich rollten mir die Tränen übers Gesicht. Meine Brust hob und senkte sich schmerzhaft. Ich vernahm eine seltsame Kälte, die mir die Nackenhaare aufsteigen ließ. Ich drehte meinen Kopf nach links und da erblickte ich schon den Grund der Eiseskälte: James.
Er hockte neben mir; hatte sich die Knie fest an die Brust gezogen und blickte leer auf seinen Grab hinab. "Du bist die Erste, die mich besuchen kommt.", teilte er mir völlig abwesend mit.
Seine kohlenschwarzen Haare fielen ihm wie ein Schatten ins Gesicht. Ich konnte schwach erkennen wie sich seine Lippen zu einem Lächeln formten. "Als ich noch am Leben war, gab es so viele Mädchen, die meinten, sie liebten mich über alles und würden mir überall hinfolgen. Aber keines von ihnen kam zu meiner Beerdigung."
Ein Hauch von Wut spielte in seiner Stimme mit, was mich erschaudern ließ. "Von wegen 'lieben'. Das Einzige, was sie an mir liebten, war mein Aussehen, sonst nichts. Niemand hat mich je wirklich geliebt, aber weißt du, was das Schlimmste von allem ist?"
Ich traute mich nicht ihn anzusehen. Mein Blick war auf den Grabstein gefesselt. "Das du keinen Unterschied zu diesen Mädchen hast.", sagte er trocken.
Bei diesen Worten durchfuhr mich ein seltsamer Schmerz. "Was..?", hauchte ich entsetzt; befreite meinen Blick von den Fesseln und sah zu ihm hinüber.
"Du liebst mich auch kein bisschen." James' Schultern spannten sich an. Er verstärkte den Griff um seine Beine.
"James... Das stimmt nicht. Ich..."
"Nein!", zischte er aufgebracht. "Lüg nicht. Du kennst mich nicht einmal."
Ich biss mir auf die Lippe, als ich den bitteren Geschmack der Tränen auf der Zunge schmeckte. "Du hast recht. Ich kenne James Dearden nicht."
Ich atmete tief ein, merkte dabei wie sehr ich angefangen hatte zu zittern. "Aber ich liebe diesen Jungen, von dem ich schon seit meiner Kindheit träume. Ich liebe seine Art, seine Haltung, sein Lächeln, diese Beherrschung über seinen Körper wenn er kämpft. Ich liebe alles an ihm. Einfach alles..."
"Rede bitte nicht über Liebe, wenn du nicht einmal weißt, wie es ist jeden Tag leiden zu müssen, weil die Person, die du liebst, niemals zu dir gelangen kann. Du weißt dass sie in deinem Herzen ruht, doch das reicht nicht aus. Du willst sie bei dir haben, sie fest in deine Arme ziehen, doch je größer der Drang nach ihr wird, desto unerträglicher wird der Schmerz den du empfindest, wenn dir klar wird, dass das nie Wirklichkeit wird."
"James..." Ich legte meine Hand über seine Schulter, doch er reagierte nicht.
"Als ich im Krankenhaus meine letzten Atemzüge nahm, warst du nicht einmal in dem Bauch deiner Mutter, Alia." Er drehte sich zu mir. Nachdem ich in Erfahrung gebracht hatte, wie schmerzhaft es war ihm in die Augen zu sehen, genügte ich mich damit, meinen Blick auf seinen Lippen haftenzulassen.
"Selbst nach meinem Tod ist es ein Tabu dich zu berühren. Ich dürfte mich dir nicht einmal zeigen, aber ich habe gegen das Gesetz verstoßen und jetzt, gibt's kein Zurück mehr." Er schmiegte seine Hände an meine Wangen. "Auch wenn meine Liebe einseitig ist... kann ich mich einfach nicht von dir fernhalten."
Mein Herz pochte wie wild, als wolle es mir die Rippen brechen. Er lehnte seine Stirn an meine. "Ich möchte dich in jeder Zelle meines Körpers spüren, Alia."
"James...", flüsterte ich schon fast. "Deine Liebe ist nicht einseitig."
"Doch das ist sie.", sagte er noch, bevor sich seine Lippen gegen meinen Hals pressten. "Alia, lass diesen Brand in mir verschwinden. Ich halte es nicht mehr aus.", flehte er förmlich und drückte mich noch enger gegen sich. "Ich möchte dich nicht lieben. Ich möchte das einfach nicht. Ich habe es satt zu leiden. Ich will einfach nicht mehr..."
"Du gibt's also auf?"
James schwieg. Ich fuhr mit der Hand durch seine Haare und zog seinen Duft tief in mich hinein. "Geb nicht auf. Ich werde dir beweisen dass ich dich liebe. Koste es, was es wolle."
"Auch wenn es dir die Menschlichkeit raubt? Wenn du weder tot, noch lebendig bist? Kein Mensch und doch zugleich kein Geist..."
"Es ist mir egal. Alles ist mir lieber als ein Mensch zu sein. Erteile mir den nächsten Auftrag.", forderte ich ihn auf. Die Entschlossenheit in meiner Stimme hatte selbst mich überrascht.
"Auftrag Nummer zwei...", fing er an, "Lüge nicht."
Er löste sich von mir, doch hatte seine Hände fest mit meinen umschlossen. "Außerdem möchte ich dass du Abstand zu diesem Typen nimmst."
"Wen meinst du?", fragte ich verwirrt und rückte noch etwas weiter zu ihm, sodass sich unsere Knie berührten.
"Sam. Der Sohn vom Polizisten, der dich hierher gefahren hat."
"Woher..." Ich hielt die Luft an. "Geht klar.", gehorchte ich sofort und fasste mich zusammen. "Dürfte ich aber fragen, wieso?"
"Er ist ein elender Lügner, Alia."
Ich zuckte die Achseln. "Ich fand ihn sowieso nervig, aber ihn als einen Lügner zu bezeichnen... Er hat die Polizisten zum Mörder geführt. Ich schulde ihm..." James unterbrach mich. "Du schuldest ihm nichts." Er sprach die Wörter so aus, als würde er sie in den Erdboden drängen wollen.
"Es war nicht dieser Typ, der die Polizei informiert hat, wo sich der Mörder aufhält." James ließ einen leichten Atemstoß aus, dessen Wärme ich auf meinem Gesicht deutlich spüren konnte. "Ich war's."
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Das Erwachen
Paranormal"Ist es wirklich so auffällig dass ich Menschen nicht leiden kann?" "Nein, überhaupt nicht. Du siehst sie bloß so an als ob du ne Zitrone gegessen hättest.", meinte er und fing die Klinge auf, welche sich kurzzeitig in der Luft gedreht hatte. Mein...