Der Wind strich sachte durch die Wipfel der Bäume. Irgendwo schrie eine Möwe. Im Hafen war es erstaunlich ruhig, selbst für diese Jahreszeit. In eine dicke Winterjacke eingepackt ließ Gül ihren Blick über die scheinbar friedliche Hafenlandschaft Hamburgs gleiten. Wie schön es doch hier war. Ihr Blick schweifte in die Ferne als ein nur allzu bekannter Schmerz von ihrem Herz Besitz ergriff. Bilder tauchten vor ihren Augen auf. Bilder von Taylor. Wie er sie liebevoll anschaute, wie er sie abends in den Arm genommen hatte, wenn sie verängstigt war und wie er sich damals von ihr verabschiedet hatte, als er zu dieser Geschäftsreise aufgebrochen war. Er hatte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn gehaucht, hatte ihr liebevoll über die Wange gestrichen, dann war er gegangen. Und wieder einmal fragte sie sich ob er sich vielleicht anders von ihr verabschiedet hätte, wenn er gewusst hätte, dass er sie nicht mehr wiedersehen würde. Sie hörte Schritte hinter sich und zuckte sofort zusammen. Erschrocken drehte sie sich um, stellte aber erleichtert fest, dass es lediglich ein Mann und eine Frau waren, die, wie sie, die Aussicht genießen wollten.
Sofort zog sie sich die Kapuze über, stand auf und ging los. Sie konnte hier nicht bleiben. Sie musste weiter. Musste den Ort wechseln, wie so oft in den letzten Monaten. Sonst würde er sie finden, da war sie sich sicher. Schließlich war er kein Mensch, sondern ein Werwolf. Einer der Einflussreichsten auf der ganzen Welt. Sie war sich darüber im Klaren wie viele Connections er hatte und dass die Verbindung von Werwölfen untereinander eine ganz Andere war, als die Verbindung von Menschen zueinander. Von ihrer Arbeit bei Davis kannte sie außerdem die ganzen Geschäftspartner, die bei der Suche nach ihr sicherlich auch mithelfen würden. Sie war also nicht sicher. Weder hier noch woanders. Doch sie würde nicht aufgeben. Sie würde sich diesem Monster nicht noch einmal aussetzen. Niemals! Entschlossen aber müde stieg sie in die U-Bahn ein. Während sie noch überlegte wie sie jetzt weiter machen könnte ließ sie ihren Blick unauffällig durch die U-Bahn schweifen. Plötzlich schlug ihr Herz schneller. Sie kannte ihn nicht, aber sie ahnte, dass er anders war als die restlichen Passagiere. Er hatte einen schicken schwarzen Mantel an, darunter trug er wahrscheinlich einen Anzug und dazu passende Schuhe. Anderen wäre es sicher nicht aufgefallen, aber ihrem geübten Auge fiel sofort das Beben seiner Nase auf. Er schnupperte. Herrgott! Er versuchte eine Fährte zu finden! Das musste einer von Harrys Männern sein.
"Ausstieg in Fahrtrichtung rechts," schallte es durch die Lautsprecher. Das klang nach einem verführerischen Angebot. Zwar hatte sie ihr Parfüm gewechselt und war sogar auf ein anderes Duschgel umgestiegen, doch sie wollte ihr Schicksal nicht heraus fordern. Gerade als die Türen sich hinter ihr geschlossen hatte, drehte sie sich noch einmal um. Ein Schauer jagte ihr den Rücken herunter als sie den Mann auf der anderen Seite der geschlossenen Tür stehen sah. Er schaute sie direkt an. Sein Blick bohrte sich förmlich in ihre Augen während er langsam sein Handy an sein Ohr führte. Sie glaubte deutlich zu sehen wie er mit seinen Lippen die Worte "Ja, ich habe sie gefunden!" formte. Schnell drehte sie sich um. Die nächste Station stand fest. Entschlossenen Schrittes entfernte sie sich von der U-Bahn Station.
Eine halbe Stunden später stand sie am Flughafen, wie immer ohne Gepäck, und versuchte die Dame am Schalter davon zu überzeugen, dass es eine Möglichkeit geben musste die Suche nach einem günstigen Flug zu beschleunigen.
"Es ist mir absolut egal wohin der Flug geht! Aber ich brauche einen Flug! Jetzt! Bitte! Beeilen sie sich. Ich kann es gar nicht erwarten endlich auch mal Urlaub zu machen!", log Güls sie an. Sie wusste, dass die Lüge schwach und unglaubwürdig klang, aber sie hatte keine andere Wahl. Nicht, wenn sie überleben wollte. Die Frau schaute sie zwar lächelnd aber spöttisch an. Immer wieder beteuerte sie, dass es leider nicht schneller ginge. Die Suche sei so unspezifisch, dass es leider nicht schneller ginge.
"Griechenland?", fragte ich verzweifelt, hoffend, dass es jetzt schneller gehen würden.
"Oh, Griechenland. Keine Gute Wahl. Da ist es um diese Jahreszeit nicht so schön, vielleicht wollen sie lieber noch einmal nachdenken...", fachsimpelte sie und musterte mich erneut mit ihrem aufgesetzten Business-Gesicht.
Gül stöhnte resigniert auf. Was war bloß los mit dieser Frau? Erst war die Suche nicht spezifisch genug, jetzt anscheinend nicht gut genug. Sie fluchte. Dieser Tag war verflucht. Sie drehte sich um, strich sich nervös eine Strähne aus dem Gesicht und fror dann mitten in der Bewegung ein. Ihr Blick irrte durch die Halle hinter ihr und die Panik stieg von Blick zu Blick. Da waren sie. Drei, fünf, da waren noch ein paar. 10. Zehn Männer in schwarzen Mänteln. Da! Das war doch der Mann aus dem Zug! Verdammt! Ohne weiter auf die Frau zu achten nahm sie ihre Beine in die Hand. Es schien so, als würden die Männer noch nach ihr suchen, sie hatten noch nicht ihre Fährte aufgenommen. Es war gut, dass sie sich an einem mit Menschen gefüllten Ort befand. Sie würden es viel schwerer habe sie zu wittern. Das musste sie ausnutzen. Die Frau rief ihr noch etwas hinterher, doch Gül hörte gar nicht mehr zu. Sie schritt von hier nach da, von einem Stockwerk zum anderen, von einer Toilette zu nächsten und wieder zum Ausgangspunkt. Sie verteilte ihren Geruch ganz gezielt im kompletten Flughafen, ehe sie das Gebäude verließ und dann in den nächstbesten Bus stieg. Wie in Trance bezahlte sie was der Busfahrer verlangte und setzte sich auf einen freien Platz am Fenster. Während sie so dasaß und beobachtete, wie die Hunde von Harry, mal hierher eilten und mal dorthin, ohne sie auszumachen, bis der Bus sich schließlich in Bewegung setzte, schweiften ihre Gedanken erneut ab. Zu dem Tag als Harry sie vergewaltigt hatte. Nein, diesen Gedanken konnte sie so nicht stehen lassen. Sie hatte gedacht er hätte sie vergewaltigt. Ja, das traf es eher. Sie hatte geträumt, dass er sie vergewaltigt hatte. Völlig panisch war sie heulend in den Armen von Ily wach geworden. Die Arme hatte wohl schon seid geraumer Zeit versucht sie aus ihren brutalen Träumen zu reissen, hatte es aber nicht geschafft. Gül fiel es unheimlich schwer wieder zu sich zu kommen, war der Traum doch so real gewesen. Und obwohl Ily ihr immer wieder versicherte, dass alles gut werden würde, wusste Gül, dass es nicht so war. Sie wusste, sie musste verschwinden, so lange es noch nicht zu spät war. Egal ob sie Taylor liebte oder nicht. Sie konnte und wollte weder sich selbst noch Taylor dieser Gefahr aussetzen. Dann war sie so zusagen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von dort abgehauen."Endstation! Bitte alle aussteigen!", rief der Busfahrer und holte Gül damit unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück. Ohne es zu bemerken war sie viel zu weit gefahren. Mist! Wo war sie hier? Stöhnend stellte sie fest, dass sie in irgendeinem Kaff außerhalb von Hamburg gelandet war. Verunsichert stieg sie aus. Es war dunkel... wie hatte das passieren können? Unschlüssig wohin sie jetzt hier gehen sollte schaute sie sich um, ehe sie mit den Schultern zuckte und einfach drauflos lief. Im Grunde war es egal wo sie hinging. In einem Hotel durfte sie nicht einkehren, dort hätte man sie zu schnell finden können. An der Straße durfte sie auch nicht lang laufen, auch dort war die Gefahr entdeckt zu werden zu groß. Also musste sie querfeldein laufen. Sie hasste die Dunkelheit und die Abgeschiedenheit, doch die letzten Monate war ihr einfach nichts Anderes übrig geblieben. Während sie weiter durch die Straßen irrte - sie glaubte in nicht allzu weiter Ferne schon den Wald erkennen zu können - überlegte sie wann sie das letzte Mal geschlafen hatte. Sie konnte sich nicht erinnern wann sie das letzte Mal länger als 3 Stunden geschlafen hatte. Sie wusste auch nicht mehr, wann sie das letzt Mal in einem richtigen Bett geschlafen hatte. Vielleicht würde sie hier ja gleich irgendwo ein Plätzchen finden, dass ihr ein bisschen Schutz, gegen die immer kälter werdenden Nächte, bot. Schließlich war es in Deutschland schon fast Winter.
Knack! Güls Kopf schoss herum. Da war Etwas ... oder irgendjemand! Knack! Da! Wieder! Waren sie etwa hier? Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein!Knack! Panik machte sich in ihr breit, als sie plötzlich ein Knurren vernahm. Sie hatten sie gefunden!
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Die andere Mate
Werewolf*Achtung! Enthält sexuelle Inhalte und Szenen der Gewalt!* "Du bist schon feucht? So eine bist du also? Das macht es für mich einfacher...", seine Stimme war rau und belegt. Plötzlich gingen bei Gül alle Alarmglocken an. Sie wehrte sich, versuchte s...