Es regnete. Mal wieder. Keine Seltenheit hier in der Nähe von Hamburg, dass hatte Gül schon vor Jahren gelernt, als sie für ein halbes Jahr in dieser wundervollen Stadt gelebt und gearbeitet hatte. Schietwetter nannten sie es liebevoll. Gül hatte es nicht so toll gefunden. Sie mochte Regen nur dann, wenn sie sich dem Schutz eines Hauses oder zumindest eines Daches über dem Kopf sicher sein konnte. Dennoch kam sie nicht umhin zuzugeben, dass das Geräusch der Regentropfen auf dem Laub des Waldes sie ungemein beruhigte. Und Ruhe hatte sie, bei Gott, im Moment wirklich nötig. Sie liefen schon seid geraumer Zeit durch den Wald. Ihren Widerstand hatte sie nahezu augenblicklich aufgegeben, als ihr klar wurde, mit welch einer Übermacht sie es zu tun hatte. Als kleiner, dicklicher Mensch, der sie nun mal war, hatte sie dem Rudel, dass sie umgab einfach Nichts entgegen zu setzen. Sie hatte versucht zu flüchten, aber noch ehe sie 3 Meter hinter sich gebracht hatte, stand ein neuer Wolf vor ihr. Der Klos in ihrem Hals, der in den letzten Wochen ihr ständiger Begleiter geworden war, fühlte sich sehr groß und fest an. Größer als sonst. Als hätte er die Macht sie zu ersticken.
Aphatisch setzte sie einen Fuß vor den anderen. Sie war gefangen worden. Das Wochenlange Versteckspiel hatte ein jähes Ende genommen. Ohne ihr Zutun. Jetzt musste sie sich wohl in ihr Schicksal fügen... ob sie wollte oder nicht. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ihr Leben war vorbei. Ein Tropfen fand seinen Weg auf ihre Nase und zum ersten Mal seit langer Zeit schien sie gezielt ihre Umwelt wahr zu nehmen. Der Tropfen fühlte sich nicht kalt an, so wie sie es erwartet hatte. Er war warm. Lauwarm. Wo kam er her? Sie hob müde den Kopf und blickte in den Himmel. Er war schwarz. Weitere Tropfen landeten auf ihrem Gesicht. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie komplett durchnässt war. Sie spürte wie die Tropfen sich auf ihrer Haut ein Rennen lieferten. Vielleicht würde sie ja an einer Lungenentzündung sterben bevor sie Harry wiedersehen konnte?
Nein. Sie glaubte nicht, dass das Schicksal so gnädig mit ihr wäre.
Ein tiefer Säufzer entwich ihrer Kehle.
>Meine Güte, was ist denn mit dir passiert, dass du so theatralisch vor dich hin vegetierst?<, fragte eine weibliche Stimme in die Stille hinein.
Gül verzog die Lippen, diese Art der Kommunikation war ihr zu bekannt, zu schmerzlich war die Erinnerung. Sie zog es vor nicht zu Antworten. Sie würden schon genau wissen warum. Schließlich waren sie ja nicht ohne Grund hier.
>Das ist unser Revier, deswegen sind wir hier. Wir wohnen hier. Du kommst aus einem anderen Rudel, anders kann ich mir diese geringe Reaktion auf einen Werwolf nicht erklären. Aber...,<der Wolf schnüffelte an ihr. >Ich kann dein Rudel nicht riechen.<
Wieder entfuhr Gül ein Seufzer, der allerdings noch tiefer und noch auswegloser klang, als der vorherige.
„Ich bin vor Monaten vor ihnen geflüchtet, aber das wisst ihr sicher schon.", antwortete sie mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen. Taylor. Ihr geliebter Taylor. Sie vermisste ihn. Nein, sie vermisste ihn nicht nur, es zerriss ihr das Herz, wenn sie an ihn dachte.
„Nein, wir wissen von Nichts, aber ich möchte deine Geschichte hören. Die ganze Geschichte. Die, die so einen traurigen Menschen aus dir gemacht hat...,", ließ sie eine weibliche Stimme wissen und plötzlich stand eine junge Frau vor ihr. Dort wo grade eben noch ein Wolf gestanden hatte, dort stand eine wunderschöne Blondine. Ihre Haare glänzten wie Gold im Licht der aufgehenden Sonne. Ihr Körper war wohl geformt, wie der einer Göttin. Gül spürte einen kurzen Anflug von Eifersucht, ein kleiner Stich im Herzen. Aber nein, dass durfte sie jetzt nicht zulassen, sie musste bei der Sache bleiben.
Verdutzt schaute sie der jungen Frau jetzt in die Augen. >Ozean. Ihre Augen sind so blau und so weit wie der Ozean< dachte sie und ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte fühlte sie Sympathie. Sympathie für die Frau, die sie im Wald aufgegriffen hatte, die behauptete nichts von Harry zu wissen, die ihre Geschichte hören wollte. War es möglich, dass sie wirklich nicht von Harry geschickt worden waren? Das sie es ernst meinten und ihr nichts Böses wollten? Wie dem auch sei, sie hatte gar keine andere Wahl. Ihr Herz befahl ihr, dass sie dieser Frau vertrauen musste.

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Die andere Mate
Manusia Serigala*Achtung! Enthält sexuelle Inhalte und Szenen der Gewalt!* "Du bist schon feucht? So eine bist du also? Das macht es für mich einfacher...", seine Stimme war rau und belegt. Plötzlich gingen bei Gül alle Alarmglocken an. Sie wehrte sich, versuchte s...