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"Gül, lass ihn los. So können wir ihn nicht versorgen. Bitte. Wir können ihn retten...wenn du uns lässt. Er wird nicht sterben, hörst du?", sprach Andrew auf mich ein. Ich hörte wie liebevoll er mit mir umging und nahm auch wahr, dass er jetzt schon seit geraumer Zeit versuchte mich von Taylor zu lösen, doch ich konnte nicht! Ich wollte nicht! Was auch immer da grade mit mir passiert war, es machte es mir unmöglich nicht heulend über seinem blutüberströmten Körper zu hängen. Ich wusste er hatte recht, doch mein Körper gehorchte mir nicht mehr.

Jemand berührte mich sachte an meiner Schulter, dann an meiner Hand. Langsam hob ich meinen Blick und als dieser auf den von Ily traf, diesen mütterlichen Ausdruck in den Augen, der mir sofort klar machte, dass sie wusste wie ich mich gerade fühlte, als wenn mir jemand das Herz herausreissen würde und es langsam und quälend vor meinen Augen in kleine, winzig kleine Stücke zerlegte. Da war es dann um mich geschehen. Ich schluchzte laut und lies mich von ihr in den Arm nehmen. Ich heulte hemmungslos. Ich heulte, als sie mir Taylor aus den Armen nahmen. Ich heulte als sie ihn behandelten und ich heulte noch immer als Ily mich sanft aber gestimmt aus dem Raum geleitete. Nur sehr langsam schaffte ich es mich halbwegs zu beruhigen. Mittlerweile waren wir in dem Loft von Ily und Andrew angekommen. Sie hatte mir einen Tee gemacht und ich stand nur stumm vor dem Panoramafenster mit der Aussicht auf die Skyline. Normalerweise wäre gleich Mittagspause, doch heute arbeitete niemand. Zu sehr war man damit beschäftigt die Schäden zu reparieren und sich um den Alpha zu sorgen. Obwohl man mir zugesichert hatte, dass sie ihn heilen könnten erweckten sie nicht unbedingt den Anschein als wären sie tatsächlich dazu in der Lage. Mein Blick glitt hinunter zum Eingang des Hochhauses. Auch dort rannten die "Menschen" aufgeregt herum. Wie aufgescheuchte kopflose Hühner. Und ausgerechnet in deren Hände hatte ich den Mann den ich liebte übergeben? Ich Trottel. Aber jetzt konnte ich nur noch warten, denn vorerst durfte ich nicht zu ihm.

"Gül?", Ilayne war neben mich getreten und schaute mich, ich wusste es auch ohne sie anzuschauen, besorgt an. Wieder überkam mich der Wunsch weiter zu heulen, doch das wollte ich nicht zulassen, taten mir doch die Augen schon so extrem weh als hätte ich irgendetwas Fremdartiges hineingerieben. Es musste schnell ein anderes Thema her....

"Warst du schon immer ein Wolf?", fragte ich den Blick immer noch auf die Straßen unter mir gerichtet. Warum ich sie ausgerechnet das fragte konnte ich gar nicht so genau sagen. Es war die erste Frage gewesen die sich in meinem Kopf manifestiert hatte. Um so erstaunter war ich als Ily mir mit einem "Nein" antwortete. Überrascht schnellte mein Kopf herum.

"Ich war auch mal ein ganz normaler Mensch...So wie du. Aber das ist schon etwas länger her."
Meinte ich das nur oder schwang da Trauer in ihrer Stimme mit?
"Damals war ich neu hier, mein erster Tag am Empfang unten. Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen. Ein wahnsinnig gut aussehender Mann trat durch die Tür," sie lächelte mich an bei diesen Worten und ich wusste sofort wer gemeint war, >Andrew< schoss es mir durch den Kopf und Ily nickte unmerklich bevor sie ihren Blick wieder nach draußen richtete. "Seine Augen zogen mich in ihren Bann, sein Körper löste Dinge in mir aus, die ich so noch nie erlebt hatte." Sie lachte:"Dabei hat er mich nicht mal angesehen. Herrgott, ich war ja so verknallt."

"Wie ist er auf dich aufmerksam geworden?", fragte ich nun wirklich neugierig. Liebesgeschichten sind so toll. Diese Art von Nervenkitzel und der Glaube an ein Happy End sind das Einzige was mich nicht die Hoffnung verlieren lies in meiner, bis vor kurzem, noch sehr öden Welt.

"Er interessierte sich nicht für mich. Das dachte ich zumindest. Heute weiß ich, dass er mich am Liebsten schon damals verschlungen hätte." Sie musste meinen verstörten Blick bemerkt haben, denn plötzlich zog sie mich lachend mit sich auf die Couch:" Du und deine blühende Fantasie. Wenn ich verschlingen sage, dann meine ich das auf sexueller Basis. Er hat in mir natürlich sofort seine Mate erkannt und wollte mich haben. Jetzt schau doch bitte nicht so. So sind sie, die Wölfe. Jetzt wo ich selbst einer bin kann ich nachempfinden wie er sich gefühlt haben muss. Er war mir so nah und doch hat er sich selbst nicht erlaubt mein Leben von heute auf morgen auf den Kopf zu stellen. Er war geduldig und wirklich sehr gewieft..." Sie schmunzelte. Ob ihr bewusst war wie sehr sie gerade strahlte? "Zuerst war es nur die Frage nach Anrufen oder nach Klienten die auf ihn oben warten könnten. Dann ging er dazu über sich bei mir einen Kaffee zu bestellen, den ich ihm natürlich in sein Büro bringen musste. Ich war so verrückt nach ihm. Seine Ausstrahlung, du wirst es mir nicht glauben, aber ich habe immer die Luft angehalten wenn ich sein Büro betreten habe. Ich habe nie etwas gesagt. Ich hatte viel zu große Angst etwas Falsches oder sogar etwas Dummes zu sagen. Meine Güte, mein Gehirn setzte aus, sobald er in der Nähe war. Und dann irgendwann fragte er mich, ob wir nicht gemeinsam etwas Essen gehen wollen. Er und ich. Unfassbar oder?"
Ich hätte ihr gerne gesagt, dass ich das gar nicht so unfassbar fand wie sie, denn sie ist und war es bestimmt damals schon ein absolut hübsches Ding, doch sie hatte meine Gedanken mal wieder gelesen. "Gott, bist du süß, danke! Und ich habe nur genickt. Einfach genickt und das war dann der Anfang..." Insgeheim fragte ich mich, welchen Anfang sie meinte. Den Anfang vom Ende? Oder den Anfang der Beziehung? Doch dann sah ich ihren Blick und es war mir schlagartig klar. "Er holte mich ab, ich hatte mir extra ein neues Kleid gekauft. Wir gingen aus, er brachte mich nach Hause. Von da an gingen wir öfter zusammen weg. Und dann kam der Tag als..."

"Ilayne Schatz, was erzählst du Gül für Geschichten? Tut mir leid, wenn ich euch störe, aber Taylor möchte dich sehen, Gül." Plötzlich war Andrew im Raum. Genervt rollte ich die Augen. Diese Wolffähigkeiten machten mich manchmal echt wahnsinnig. Doch als er Taylors Namen erwähnte gab es für mich kein Halten mehr. Ich entschuldigte mich bei Ilayne und verließ dann den Raum, nicht ohne den warnenden Blick zu bemerken, den Andrew Ilayne zuwarf.

Die andere MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt