Misstrauen

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Carlisle wollte sich jetzt nicht anderen Dingen widmen. Sich dem notwendigen Gespräch zu stellen war ja an sich schon schwierig genug. Das Ganze auch noch hinauszuzögern gab ihnen beiden zu viel Freiraum zum Nachdenken. Vor allem Edward, der die letzten Wochen offensichtlich die Jagd hat schleifen lassen, was nur ein Zeugnis der emotionalen Last war, die dieser mit sich herumschleppte.

Nur zu gerne hätte er was Aufmunterndes gesagt. Dem ein wenig der Last genommen. Edward würde sich nicht für die kleine Szene im Wohnzimmer entschuldigen, denn das war sein Fehler gewesen. Nur wollte er damit gerne die Aussprache wirklich einleiten. Gleichzeitig war die Sorge seiner Tochter nicht unbegründet – zahlreiche Nomaden hatten ihnen mittlerweile Probleme bereitet und es war besser, wenn er von Anfang an dagegen steuern konnte. Ihm passte ein Nomade jetzt überhaupt nicht in den Kram, dafür stand der Haussegen eindeutig zu schief, aber das Wohl der gesamten Familie stand über seinem eigenen.

Es war einer der wenigen Momente, in denen er wünschte, sich diese Aufgabe nicht angenommen zu haben. Denn wenn etwas nicht nach Protokoll lief, musste er gleich alles sein. Sie hatten zwölf Jahre der Ruhe genossen und ausgerechnet jetzt musste ein Vampir auf sie treffen. Mittlerweile fühlte er sich wirklich wie einer der Serien, die die weiblichen Mitglieder seiner Familie so gerne sahen.

„Zerbrich' dir nicht so dermaßen den Kopf darüber", tadelte Edward ihn leise, „Du lässt mich dem ohnehin nicht entkommen." Doch noch während sein Gefährte sprach, spürte er den leicht ängstlichen Blick auf sich. Auch wenn er zurückgerudert war, indem er die Herausforderung gerade eben ohne Konsequenzen hingenommen hatte, war seine Reaktion im Haus prägender gewesen. Edward hatte normal kein Problem damit, ihm so etwas zu sagen und in manchen, passenden, Augenblicken auch mal zu ermahnen.

„Entschuldige", setzte dieser auch sogleich an, „Ich..."

„Ist gut, du hast recht", unterbrach er ihn ruhig, „Wir haben später genügend Zeit."

Eine Flucht vor dem, was nun einmal geschehen war und geschehen wäre brächte nichts. Sie konnten die Familie nicht in Dinge hineinziehen, die diese nur unnötig belasten würden. Bellas Konfrontationskurs war zwar der falsche gewesen, vor allem weil ihm die ganze Situation so unbekannt gewesen war, aber die Nachricht dahinter war offensichtlich gewesen. Außerdem war er viel zu leicht wütend geworden.

„Trotzdem tut es mir leid, wie respektlos ich war", flüsterte Edward nach ein paar Sekunden, „Ich wollte nicht so aus der Haut fahren. Es kommt nicht wieder vor." Sein Junge hatte sich, wie in manchen Fällen nun einmal üblich zwischen ihnen, mit ihm angelegt. Es wäre auch nicht das erste Mal gewesen, dass sie sich ein wenig angifteten und ein paar unliebsame Worte oder Taten folgten. Nur hatte er keine Entschuldigung erwartet. Zwar hatte sich das vor der Familie abgespielt, in einem recht großen Maße, aber er hatte hier den Fehler begangen.

„Ist gut, ich habe dir schon längst wieder verziehen. Es war unfair von mir, dir eine Änderung aufzuzwingen, in die du nicht eingeweiht warst." Ein jämmerlicher Versuch, seinen Jungen zu einem Sohn zu machen, der dieser nun einmal nicht für ihn war.

„Heißt das, für mich gelten dieselben Regeln fortan?" Unsicherheit spiegelte sich in Edwards Stimme wieder. Eine Frage, die er nicht ganz beantworten konnte. Esmes Aussage ‚lass es geschehen' war nicht gerade hilfreich, versuchte er doch einen Weg zu finden, bei dem er behalten konnte, was er mit Edward hatte, ohne jene Zukunft heraufzubeschwören, die diese ganze Konfliktsituation überhaupt hervorbrachte.

„Wir reden später."

„Das war auch eine Antwort."

„Edward, fang' jetzt bitte nicht so an. Ich vertrage jetzt wirklich nicht noch mehr Streit. Wir verbleiben, wie wir es vorher waren." Er beobachtete, wie Edward einen tiefen Atemzug nahm und sich innerlich ermahnte.

Opfer für die FamilieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt