Ultimatum

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„Ich hatte nicht sonderlich viel Zeit, Marion in Gänze zu erfassen, aber ein bisschen habe ich mitbekommen." Edwards Stimme klang müde und erschöpft – ein Zustand, der Carlisle mehr als nur besorgte. Die Schmerzen, die dieser immer noch zu haben schien, waren dem auch deutlich anzusehen. „Wie ich sagte, Aiolos hatte Schöpfungen. Die wenigsten blieben wirklich bei ihm. Marion muss etwas für ihn empfunden haben, ansonsten hätte der Rache nicht in Erwägung gezogen." Leise seufzend ließ er seine Hand weiter durch Edwards Haar gleiten. „Anderson musste ihn über alles informiert haben, was er gesehen und bemerkt hatte. Aber das ist Interpretation, keine belegte Tatsache."

Es war keine sonderlich beruhigende Erzählung seines Gefährten. Aiolos zu töten war ihm damals als die einzige – und vor allem beste – Option erschienen und erst Jahrzehnte später hätte Edward fast den Preis dafür gezahlt. Ein Gedanke, der immer noch eine Mischung aus Wut und Sorge hervorbrachte. Sein Gefährte hatte sich gedankenlos vor ihn gestellt, hätte das Leben riskiert und auch den Tod angenommen.

Edel, aber idiotisch. Renesmee war fast in Tränen ausgebrochen, als selbst die abgespeckte Version eindeutig in Edwards Handeln geendet war. Irgendwie hätte er Marion auch selbst stemmen können. Jedenfalls wäre es besser gewesen, als ein Vater, Ehemann und Sohn, der sich vor einen stellte und kaum Raum zum Eingreifen gab. Darauf würde er aber erst später zu sprechen kommen, Edward brauchte Ruhe.

„Lässt du nach, Kleiner?", fragte Emmett neckend und meinte es wohl als Scherz. Edward nahm es gänzlich als Tatsache auf.

„Ich hätte Aiolos mehr studieren sollen", meinte der nur mit Verbitterung in der Stimme, „Das tut mir leid."

Alice seufzte nur ungeduldig. „Wir sind nicht allwissend, das weißt du selbst." Auch im dieses Thema würde er sich später intensiv kümmern. Erst einmal war seine Frau Priorität. Die hatte den Schock von Marions wahrem Ziel noch nicht ganz verkraftet und weigerte sich von seiner Seite zu weichen. Ein wenig Familie beruhigen und den Vater mimen, dann seine Frau und am Ende Edward. Bis dahin könnte Bella sich ja ein wenig anstrengen und seinen Gefährten beruhigen. Entweder fehlte ihr die Übung, der Ehrgeiz dafür oder sie war zu unsicher.

„Trotzdem", brummte Edward nur und richtete sich mit sichtlicher Mühe auf, „Aber ich brauche eine Jagd und das am besten vorgestern. So gut die Idee mit Mikrowellen-Blut ist, es geht nichts über frisches Blut." Alice und Edward hatten sich gleichermaßen an den Vorräten an Tierblut bedient, die jedoch für das, was beide brauchten, viel zu wenig war. Augenblicklich vermisste er das Gefühl auf seinem Schoß. Anhänglich wie eh und je hatte Edward das halbe Sofa zum liegen beansprucht und den Kopf auf seinen Schoß gebettet gehabt. Esme hielt er fest im Arm.

„Du hast noch Schmerzen", stellte er fest, „Solange die sind wird es wohl eine recht unangenehme Jagd und unnötiger Ballast."

Außerdem wollte er Edward nicht aus den Augen lassen. Der warf ihm nur ein müdes Lächeln zu. „Ich brauche jetzt eine Jagd und ihr Zeit für euch." Mit der Hand verwies Edward auf Esme und ihn. „Die Anzeichen kenne ich und ich werde nicht weiter stören."

Esme öffnete schon den Mund, um zu protestieren, doch Alice rappelte sich auch auf. „Eine Jagd ist jetzt genau das Richtige. Ich habe gesehen, dass ein Bär unseren Weg streifen wird und vielleicht ist da auch für Edward was Hübsches drin."

Ich will nicht, dass du gehst bediente er sich instinktiv der mentalen Methode und konnte nicht mehr zurückrudern, als ihm einfiel, dass es zurzeit nicht angenehm für seinen Gefährten war. Der verzog nur kurz das Gesicht. „Entschuldige", wandte er sich wieder verbal an ihn, „Bleib, wir jagen später."

„Ich brauche Blut. Mach dir keine Sorgen. Eine alleinige Jagd wird das sicher nicht."

Rosalie musterte scheinbar uninteressiert ihre Nägel, als sie sprach. „Wird es nicht, Brüderchen, dich darf man ja kaum aus den Augen lassen." Geschwisterliche Sorge, wie gut das Rosalie sie ohne Sarkasmus zum Ausdruck bringen konnte. Ein müdes Lächeln glitt über Edwards Lippen.

Opfer für die FamilieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt