Carlisle war schon lange – vielleicht noch nie – so wütend auf jemand gewesen. Selbst als sein Gefährte den Suizid angestrebt hatte, hatte er nicht so stark empfunden und er wusste mit der Situation kaum umzugehen. Solch ein Trotz und diese Art der Aufmüpfigkeit waren ihm bisher nicht untergekommen. Ihm behagte es nicht, eins seiner Kinder rauszuwerfen, was anderes hatte er gerade nicht getan, vor allem in Anbetracht der ungeklärten Gefahr in Marion. Dennoch war ihm keine andere Methode eingefallen, die diese Situation wieder bereinigen könnte. Seine Schwiegertochter musste wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden und lernen, dass Regeln nicht grundlos waren und vor allem nicht dieser Ton ihm gegenüber anschlagen wurde.
Noch weniger ging man Edward in diesem Maße an. Seine Kinder hatten sich schon so unglaublich viel erlaubt und manchmal Grenzen überschritten. Dennoch war das nie und nimmer soweit gegangen, niemals bei den heiligsten ihrer Regeln.
Fest hielt er Edward im Arm und wusste auch, dass es jetzt einiger Argumente bedurfte, um den zum Bleiben zu bewegen. Der erste Wunsch nach Flucht hatte er bereits gesehen, aber recht erfolgreich unterbunden. Beim zweiten Mal, jetzt, würde es mehr brauchen, dessen war er sich bewusst.
„Wie konnte sie mir das antun?", fragte Edward mit heiserer Stimme, „Wie kann sie den Wunsch hegen, obwohl es um unsere Tochter geht?" Ein Teil von ihm verstand Bella. Ihre Sehnsucht danach, die Wahrheit zu kennen, war ihm schließlich nicht unbekannt und das war mitunter einer der Gründe, wieso er Edward heute so gut kannte. Es musste für sie schockierend gewesen sein, zu erkennen, wie eng verbunden er mit Edward war.
Ihr Handeln ließ sich dadurch jedoch nicht entschuldigen. Sie würde ihre Worte, allen voran die letzten, sicher von selbst bereuen und auch einsichtig werden – das war in seinen Augen so sicher wie das Amen in der Kirche. Nur half diese Gewissheit gerade nicht.
„Sie wollte dich verletzten", erwiderte er nur und seufzte tief, „Sie kennt die Punkte, die sie angreifen kann."
Er wollte nicht mehr, als dem den Schmerz wieder zu nehmen und die Wahrheit aus dessen Gedanken zu reißen. Ihm tat es selbst im Herzen weh, quälte Edward etwas, und er nicht zu helfen wusste. Beruhigend kraulte er dem den Nacken, eine Geste die sein Gefährte liebte, und suchte nach Worten, die helfen könnten.
„Nichts wird helfen." Damit wollte sein Gefährte sich von ihm drücken, aber er ließ ihn nicht los. Um nichts in dieser Welt würde er diesen jetzt ziehen lassen. Ergeben seufzend lehnte sich dieser abermals gegen ihn. Er spürte, wie Edward tiefe Atemzüge nahm und schließlich tief seufzte.
„Ich will allein sein."
„Den Fehler begehe ich nicht zweimal", betonte er nur, „Du wirst mir nicht noch einmal entwichen."
Ein Schauder überlief seinen Gefährten, ehe er dessen Kopfschütteln spürte. „Ich will nicht. Ich will nicht, dass ihr mich so seht." Mit Mühe schluckte er ein frustriertes Knurren. Für seinen Gefährten war es während Bellas Schwangerschaft kaum ein Problem gewesen, dass sie sein Leid gesehen hatten. Danach, sicher, da hatte der es bereut. Offenheit war nichts, womit sein Gefährte sich brüsten konnte, und es hatte ihn Jahre gekostet, dem das Versteckspiel abzugewöhnen, zumindest bei ihm.
„Es ist sicher nicht beschämend. Ich bin recht sicher, sie alle wissen dich lieber daheim, als sonst wo. Und ich will dich im Auge behalten." Er wollte sich vergewissern, dass es seinem Gefährten halbwegs gut ging. Außerdem wusste er, wie er zumindest ein wenig beruhigen und ablenken konnte. Der konnte beides gut gebrauchen und wohl eine gute Portion Liebe. Sei es seine oder die der Familie oder die der Tochter, es wäre zumindest eine kleine Prise.
„Ich hasse den Gedanken."
Er nahm ein wenig Abstand ein, stellte aber sicher, dass ihm Edward nicht entwichen konnte. Gehen war für ihn keine Option. Die dunklen Augen waren so voller Schmerz. Unverdient und grausam. Er hasste den Anblick.
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Opfer für die Familie
FanfictionAls sie sich fanden, fehlte es ihnen an Zeit. Als sie Zeit hatten, fehlte es ihnen an Freiraum. Carlisles und Edward Beziehung war schon immer besonders gewesen. Hundert Jahre nach Edwards Verwandlung, lassen sie Revue passieren, was ihre Beziehung...