19

16 1 0
                                    

Die Lesung ist wirklich zum einschläfern und ich bin wirklich froh, als die Lesung ihr Ende gefunden hat. Erleichtert atme ich aus und packe meine Sachen zusammen. Eine aufgelöste Caroline schnieft auf einmal in der unteren Reihe laut auf. Verwundet hebe ich meinen Kopf und sehe wie sie geschockt auf ihr Handy schaut. Sie hält sich die Hand vor den Mund und murmelt einen Namen „Will."
Sara ist schon vor gegangen, da sie dringend nochmal auf die Toilette muss. Weil sich anscheinend keiner dazu bereit erklärt Caroline zur Seite zu stehen, mache ich das. Langsam gehe ich auf sie zu und sie bemerkt mich gar nicht. Mein Räuspern lässt sie aufblicken und ein paar Tränen, die sich in ihrem Augenwinkel gebildet haben, wegwischt. „Ist alles in Ordnung?" Fragend sehe ich sie an und sie schluchzt einmal schüttelt dann ihren Kopf. Ich setze mich neben sie, habe keine Ahnung was ich sagen soll. „Ich-ich muss ins  Krankenhaus." Nun sehe ich die fragend an. Ist Will im Krankenhaus oder geht es ihr selber nicht gut?
„Was ist denn los?" Meine Neugier ist nicht mehr zu stoppen. „Will ist mit starken Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Das hat er mir geschrieben." Auf einmal wird mir heiß und kalt zugleich. Harvey war gestern mit ihm unterwegs. Ihm ist doch hoffentlich nichts passiert. Ruckartig steht Caroline auf und begibt sich nach draußen. „Warte! Ist noch jemand verletzt worden?" Sie zuckt mit den Schultern und geht aus dem Saal. Aufgeregt suche ich in meiner Tasche nach meinem Handy und finde es nach kurzer Zeit. In Lichtgeschwindigkeit schreibe ich  Harvey eine SMS.« Hey Harvey, ich habe eben erfahren das Will im Krankenhaus ist. Geht es dir gut? » und abgeschickt. In dem Moment ist mir es auch egal, was er jetzt von mir denkt wenn ich ihm sowas schreibe, aber was zählt ist das es ihm gut geht. „Ruby kommst du?" Noah schaut in den Saal und sieht mich abwartend an. Nickend stecke ich mein Handy weg und schultere meine Tasche. Hoffentlich ist alles gut.

Wir begeben uns wie immer nach draußen. Auf dem Parkplatz sehe ich das Caroline soeben in ihr Auto steigt und sich ein paar Angst-Tränen wegwischt. Wie gerne würde ich jetzt mitfahren. „Setzen wir uns zu Sara?" Noah tippt mich von der Seite aus an, weil ich immer noch wie gebannt zum Parkplatz starre. Nickend lasse ich mich von ihm mitziehen und wir laufen zu einer im Park stehenden Picknickbank. Langsam setze ich mich hin wo Sara und ein anderes Mädchen sitzen und über irgendjemandem reden. Noah spricht schon mit und ich sehe abwesend weg. Mein Handy liegt schon längst in meiner Hand und jede Minute schaue ich, ob mir jemand geschrieben hat. Ob Harvey mir geschrieben hat. Nichts. Funkstille.

Den restlichen Tag in der Uni habe ich nichts von ihm gehört und mache mir wirklich Sorgen. Wo ist er und warum meldet er sich nicht? Ich sitze schon auf meinem Bett und sehe wieder auf mein Handy. Noah ist mit Steve ausgegangen. Wenigstens hat er heute was vor. Draußen sieht es kalt aus doch ich entscheide mich dazu raus zu gehen. Vielleicht in die Stadt. Das ausgeliehene Buch könnte ich mitnehmen. Entschlossen suche ich mir meinen Mantel aus dem Schrank und nehme meine Handtasche mit. Schnell schnappe ich mir den Wohungsschlüssel und verlasse unsere Wohnung. Zügig entfliehe ich dem Wohnheim und gelange schnellstmöglichst auf den Innenhof. Keiner ist draußen. Niemand ist auch nur an der frischen Luft. Der Himmel sieht aber auch nicht besonders einladend aus. Sehr dunkel. Trotzdem brauche ich diese frische Luft jetzt.
Meine Füße tragen mich wie von selbst zum Park. Dort setze ich mich auf eine freie Bank und hole das Buch aus der Handtasche. Ich schlage die jeweilige Seite auf und fange an die einzelnen Zeilen zu durchfliegen. Das Universum, unendliche Weiten mit verschiedenen Zeiträumen. Keine Wunder das Harvey dies so interessant findet. Der leichte, kühle Wind durchstreift mein Haar. Eine Gänsehaut bildet sich auf meiner Haut. Mit einmal und plötzlich unerwartet klingelt mein Handy. Verwundert gehe ich ohne raufzuschauen ran und erstarrte sofort „R-ruby? Isch binsch." Ein vollkommen komisch anhörender Harvey ist an der anderen Seite. „Mir geht's guuut." Er lallt ins das Handy und ich weiß sofort das nichts gut ist, sonst würde er nicht anrufen. 
„Wo bist du gerade?" Frage ich ernst und warte auf eine Antwort, packe schon mein Buch weg. „Keine A-Ahnung irgendwo da auf'm parkplass," sagt er leise und ich versuche ihm mitzuteilen das ich gleich da bin und er nicht weggehen soll. Zügig lege ich auf und springe auf um zu Parkplatz zu joggen. Mein Herz bebte noch nie so schnell wie jetzt. Ich bin aufgeregt und habe Angst zugleich. Weiter hinten macht sich der Parkplatz breit und ich erkenne schon Harvey, der auf der Bornsteinkante sitzt und nach unten guckt. Automatisch verschnellert sich mein Tempo bei diesem Anblick.
Ich erkenne schon vom weitem das er auch einen Mantel trägt nur seiner ist Schwarz. Trotzdem er total betrunken ist, sieht er von weitem wirklich gut aus. Doch der Schein trügt. „Harvey." Ich hocke mich zu ihm runter und lege meine Hand besorgt auf seine Schulter. Er bewegt seinen Kopf schwach in meine Richtung und mein Atem stockt. Sein linkes Auge ist total blau und auf seinen Wagen kann ich Kratzspuren erkennen. Er sieht doch nicht so gut aus. „Rubyyy," murmelt er und nickt seinen Kopf wieder nach unten um mich kurz danach wieder anzusehen. Seine Augen sind so blutunterlaufen wie bei dem Andrew am Donnerstag. „Isch will schlafennn." Er legt seinen Kopf auf meine Schulter und ich streichel ihm überfordert den Rücken. „Wo wohnst du?" frage ich und bekomme nur ein Schulterzucken. Hat er sich jetzt echt den Verstand weggesoffen? „Aber du kannst doch nicht bei dieser Kälte hier draußen bleiben." Harvey zuckt wieder nur mit den Schultern. Was mache ich denn jetzt? Ich kann ihn doch unmöglich mit zu mir nehme. Wenn Noah das mitbekommen würde....
„Du bischt übrigenns die einzige die gefragt hat wie esch mir geeeht." Er sieht auf den Boden und versucht auf eine komisch Weise aufzustehen. Ich stütze ihn und beschließe etwas.
Ihn jetzt hier sitzen zu lassen kann ich nicht, deswegen muss ich ihn wohl oder übel mit zu mir nehme...

Wonder~When Impossible things become possible...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt