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Ich wache durch das leise Schnarchen von Noah auf. Er hat tatsächlich die ganze Nacht mit mir in meinem Bett verbracht. Dankbar gebe ich ihm einen Kuss auf die Wange und stehe schließlich auf. Heute bin mal als erstes wach, was ein Wunder. Meine Augen fühlen sich so an, als würden sie jeden Moment zuwachsen. Mit einer merkwürdig guten Energie gehe ich ins Bad, um meine gestrige Enttäuschung wegzuspülen. Rein Methaphorisch gesehen. Das warme Wasser der Dusche entspannt meinen Körper und meine Augen fühlen sich nicht mehr so verklebt von den Tränen an, die ich gestern vergossen habe.
„Ru, ich mache schon mal Frühstück!" Mit einem lauten „Ja" beantworte ich Noahs Aussage, welche soeben durch die Tür hindurch drang und steige schließlich aus der Dusche. Ich sehe schon viel besser aus, als vor der Dusche. Das verrät mir mein Spiegelbild. Gestern habe ich es wirklich übertrieben, wegen jemanden zu weinen, den ich gerade so flüchtig kenne. Ab heute lasse ich keinen Jungen, bis auf Noah, näher an mich ran. Vor allem muss ich Harvey aus meinem Kopf verschwinden lassen. Es gibt wirklich wichtigeres, als irgendwelche dubiosen Jungs. Zufrieden lächelt mich mein Spiegelbild an. Rasch ziehe ich mein Kleid über, was ich mir vorhin rausgesucht habe. Diesmal trägt es die Farbe hellblau.
„Guten Morgen." Noah lächelt mich an, als ich das Bad verlasse. „Du hast doch nichts gegen ein bisschen Rührei, oder? Ich habe gestern extra noch eine Ladung Eier im Supermarkt gekauft." Ich schüttele lächelnd den Kopf und packe meine Deutschunterlagen in meine Tasche. Die liegen von gestern Abend noch auf dem Tisch. Noah bereitet das Rührei zu und ich setze mich schon an den Tisch. Er nimmt meinen Teller und füllt etwas drauf. „Mal wieder sind sie mir 1 A gelungen." Grinsend sieht er auf meinen Teller, den er soeben vor mich platziert hat. Schmunzelnd nicke ich „Da hast du wohl recht. Du mutierst zum Meisterkoch." Er nickt zustimmend und ich lache. Wir nehmen das frische Rührei zu uns. Es herrscht Stille am Tisch, bis Noah sich zu Wort meldet „Ru?" Ich sehe zu Noah, der mich ein wenig besorgt mustert. „Wegen gestern.." Ich unterbreche ihn schlagartig „Ach alles gut, es war übertrieben von mir zu Weinen." Schnell schüttelt Noah seinen Kopf „Weinen ist nie übertrieben. Die Tränen zeigen einfach wie verletzt du von ihm bist und du hast wirklich das größte Recht dazu." Nachdenklich nicke ich, räuspere mich dann aber schnell und stehe auf um meinen beschmutzten Teller in die Spülmaschine zu stellen. „Egal jetzt. Ach übrigens.." Schnell lenke ich vom dem Thema ab. Ich will nicht mehr mit Harvey konfrontiert werden. Er ist es nicht wert. Viel wichtiger ist, dass ich Noah noch nicht erzählt habe, das es für mich am Wochendende nach Hause geht. „Und das erzählst du mir jetzt erst?" Noah ist gerade dabei seine Tasche zu packen, während ich mir die Zähne putze. Ich nicke aus dem Bad schauend „Ja." Schnell entferne ich die benutzte Zahnpasta aus meinem Mund „Es geht nicht anders." Er wirft mir, als ich das Bad verlasse meine Jacke zu, damit wir los können. Noah nickt nur auf meine aussage und sagt „Wenigstens kann ich dann ja alle Reese Riegel alleine essen." Zustimmend nicke ich „Nur zu."

Die Flure des Wohnheims sind hellerleuchtet, durch die Sonne, die stark durch die Fenster scheint. Viele Studenten sind schon unterwegs. „Ruby, Noah wartet mal." Unsere Nachbarin Anna, aus der Wohnung 913, kommt freudestrahlend durch ihre Tür und schließt diese ab. Wir drehen uns um und lächeln sie auch an. Sie schließt uns letztendlich in eine Umarmung und nun laufen wir zu dritt durch die Flure. Anna wohnt hier schon seit Noah und ich hier eingezogen sind. Sie hat blonde, kurze Haare und ist sogar ein wenig kleiner als ich, dass muss man erstmal schaffen. Zwar ist ihr Look, bestehend aus meist einer Latzhose und gestreiften T-shirts sehr gewöhnungsbedürftig, aber trotzdem ist sie eine sehr liebenswerte Person. Wir bekommen sie nicht sehr oft zu Gesicht, weil sie hier in der Stadt an vielen Kunstkursen und Kunstmessen teilnimmt. Sie studiert auch Kunst als Hauptfach. Es passt einfach zu ihr.
„Auf jeden Fall ist diese Frau so inspirierend, dass ist wirklich der Hammer!" Begeistert, als wir den Park erreichen, erzählt uns Anna von ihrem gestrigen Kurs und der neuen Kunstlehrerin, Miss Wilson. Sie hat wohl sehr effektive Techniken und Tricks drauf, die Annas Leben anscheinend sehr bereichern. „Definitiv gehe ich später nochmal hin, bis später ihr zwei!" Sie klatscht sich angeregt in die Hände und läuft voraus, weil vorne ein paar Freunde von ihr stehen und auf sie warten. Sie sind genauso Kunstverrückt wie Anna. Noah seufzt theatralisch und ich sehe ihn mit einer erhobenen Augenbraue an. „Weißt du was?" Mein Blick liegt weiterhin auf seinem Gesicht. Plötzlich sieht er in den Himmel, während wir laufen „Vielleicht sollte ich auch mal diese Miss Wilson treffen und meine kreative Ader aufsprühen lassen, dann bin ich bestimmt in der Lage dazu ein Nackt-Portrait von Steve zu zeichnen." Empört sehe ich Noah an, der mich plötzlich pervers angrinst. Ich lache und klopfe ihm auf die Schulter „Mach das, dann kannst du Leonardo DiCaprio ja fragen, ob er dir Nachhilfe geben kann. Er hat als Jack auch seine liebste Nackt gezeichnet." Er nickt begeistert und ich muss lachen.
Wir sind in der Uni abgekommen und Piesacken und schubsen uns immer mal wieder ein wenig, der alten Zeiten wegen. Wir laufen durch die Flure und Noah legt seinen Arm um meine Schulter, als wir vorne unsere Säle sehen, die heute nebeneinander liegen. Er hat heute eine Lesung und die findet neben meinem Geschichtskurs statt. Deswegen. „Wer ruft mich denn jetzt an?" Noah lässt von meiner Schulter ab und geht an sein Handy, welches sich in seiner Hosentasche befindet und vibriert. Sein Gesicht erhellt sich urplötzlich, als er den Anruf annimmt „Hey Steve, was ist los?" Er hält kurz das Handy an seine Brust und sagt zu mir „Ich gehe auf das Klo telefonieren. Wir sehen und später." Nicke lächelnd und sage noch „Viel Spaß und Grüße Steve von mir." Noah nickt eifrig und verschwindet um die Ecke gehend, da sich dort die Toiletten befinden. Dann mach ich mich anschließend allein auf den Weg Richtung Geschichtskurs. Innerlich hoffe ich tatsächlich das ein gewisser Grünauge heute nicht da ist, doch diese Hoffnung wird mir genommen, als ich oben an den Treppen angekommen bin. Aus dem Augenwinkel kann ich seine Präsenz identifizieren „Hey Ruby, ich dachte schon du kommst nicht mehr." Heute bin ich tatsächlich ein bisschen später in der Uni angekommen als sonst. Sara lehnt neben der Tür des Saals. Schnell gehe ich auf sie zu und umarme sie. „Stimmt das, das du und der neue gestern an einer Argumentation arbeiten solltet? Caroline hat mir davon erzählt" bricht es ihr heraus und ich halte den Atmen an. Wann wird man mal nicht mit ihm konfrontiert? Und warum wird so was rumerzählt? So toll ist das jetzt auch nicht. Ich kratze meinen Oberarm und sehe geradeaus, als ich die Person sehe die ich aus meinem Kopf verbannen möchte. Seine Augen starren mich an. Er hat sicherlich Angst das ich ihn verrate. Soll ich? Schnell schlucke ich einmal und wende mich dann wieder Sara zu „Ja ich.." Was mein Kopf so entscheiden lässt, weiß ich nicht. „Ja WIR haben den Text gestern zusammengeschrieben."

Ich bin echt zu nett.

Ein räuspern verlässt meine Kehle und mein Blick wandert zu Harvey, welcher mich erleichtert ein wenig anlächelt. Nur ich lasse mich nicht von seinem Grübchen Lächeln einwickeln und höre Sara zu, die mir von ihrer, tatsächlich stattgefundenen, Traditionsfeier erzählt.

Wonder~When Impossible things become possible...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt