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Seufzend öffne ich die Kabine und trete raus auf den Flur. Er darf mich nicht so verletzen. Voller Motivation das ich ihn jetzt schon aus meinem Kopf verbannt habe, laufe ich Richtung unseres Geschichtsraums.

Es ist schon verrückt das ein einzelner Mensch soviel Einfluss auf ein anderes Individuum hat, sodass er sogar Tränen vergießt um seinen Schmerz auszudrücken. Wo bleibt denn die Unabhängigkeit der heutigen Generation?
Endlich erreiche ich den altbekannten Flur und biege um die Ecke. Naja ich will um die Ecke biegen, als ich abrupt stehen bleibe.
„Kommst du nachher vorbei? Ich habe Sturmfreiebude." Ich könnte kotzen wenn ich schon diese weibliche Frauenstimme höre.

Sie nutzt ihn doch sowieso nur aus. „Mal sehen," gibt der Braunschopf von sich. Wirklich begeistert davon scheint er ja nicht zu sein.
Dir raue Wand an die ich mich ablehne, scheint wie Feuer auf meiner Haut zu brennen. Man, ich muss ihm zeigen, dass es mir egal ist wenn die zusammen sind. Wie gesagt, Unabhängigkeit!
Noch einmal ausatmend, biege ich um die Ecke und gehe auf das "Traumpaar" zu. Ob einer von den mich überhaupt bemerkt hat, habe ich nicht einmal geschaut. Das einzige was ich gemacht habe, ist den versuchen klar zu machen, dass es mir egal ist.
Langsam setze ich mich neben sie hin und hole mein Handy aus der Hosentasche, um meinen Kopf abzulenken.
„Ist die kleine auch bei dir im Kurs?" Gut, ich bin nicht wirklich groß, aber muss man das so abstoßend sagen? Mein Blick wandert vorsichtig zu Kim, die mich von oben arrogant ansieht. Wie gerne würde ich ihr ihre hübschen grauen Augen auskratzen. Um wahrscheinlich zu ignorieren das ich direkt neben ihm sitze, sagt Harvey nur „Jap." Doch ansehen tut er mich ja doch nicht. Feigling. Ich Blicke wieder auf mein Handy. Noah hat mir unzählige Nachrichten geschrieben, wo ich denn bin und ob es mir gut geht.
Zügig beantworte ich seine Fragen mit „Mir geht es gut," und merke, durch mein verdunkelt Handydisplay das mein Stehnachbar mich anschaut, während Kim mit dem Gesicht an seiner Brust verankert ist.
Ein merkwürdiges kribbeln macht sich in meinem Körper bemerkbar. Auch wenn ich ihn hasse, liebe ich es wenn er mich anschaut. Verrückt ich weiß. Man muss das selbst mal erlebt haben.
„Da bist du!" Noah kommt auf mich zu und sieht mit einem überraschten Gesichtsausdruck, neben wem ich mich befinde. „Ru?" Es sieht aus als würde er einen Geist sehen. „Ja was denn?"
Zuckersüß lächle ihn an, sodass ich eine hochgezogene Augenbrauen kassiere. „Kommst du mal?" Nickend stehe ich auf und laufe wieder mit erhobenen Haupt zu Noah, der es nicht fassen kann, das ich so seelenruhig neben den beiden Turteltauben gesessen habe.
Auf jeden Fall sagt er mir das, als er mich um die Ecke gezogen hat „Du brauchst nicht so tun, als ob dich das nicht stören würde." Er steht mit verschränkten Armen vor mir. Innerlich verdrehe ich die Augen. So macht er mir das echt nicht leichter. Mein Rücken presst sich wie von selbst gegen die kalte Wand „Mir geht es blendend alles ist in Butter." Auch wenn er mir das sowieso nicht abkauft, grinse ich ihn an. Jetzt reißt er wieder eine Augenbraue in die Höhe um seine glaubhaftigkeit auszudrücken „Ach komm Ru. Rede dir doch nichts ein. Er hat dich verletzt, das brauchst du nicht zu verstecken." Mag sein das er recht hat, aber ich darf es nicht an mich ran lassen, ganz einfach.
„Danke für deine Tipps, aber ich komme sehr gut so klar, vertraue mir!" Er schüttelt seinen Kopf und lacht ungläubig. Wenn er meint das ich mir das einrede, beweise ich ihm eben das es nicht so ist „Okay ich wette mit dir das ich es schaffe den beiden jetzt alles gute für ihre Beziehung zu wünschen." Abrupt hört er auf zu lachen und blickt um die Ecke „Na schön, sie stehen da noch. Dann los." An seiner Tonwahl, kann ich raushören das er mir das nicht zutraut.
Der wird sich noch wundern.
Ich lasse einmal meine Finger knacken und mache mich anschließend mit klopfendem Herzen
auf den Weg.
Je näher ich komme desto mehr schmerzt mein Herz, aber das darf Noah nicht wissen. Sonst wird er mich damit aufziehen, das ich es nicht geschafft habe.
Kim drückt sich an seine Brust, während sie ihm einen Kuss verpasst. Beide haben ihre Augen geschlossen und seine Hand liegt auf ihrem Becken. Nicht heulen! Innerlich zieht sich alles zusammen, doch ich räuspere mich einem letzten Blick zu Noah, der heimlich um die Ecke schaut. „Hallo." Dümmste Begrüßung aller Zeiten. Kim löst sich von Harveys Lippen und sieht mich komisch an, während Harvey mich monoton ansieht, sich wahrscheinlich fragt warum ich ihre Session gerade störe.
„Ich freue mich sehr für euch, also-also d-das ihr zusammen sei-d." Zum Ende hin werde ich immer unruhiger denn das Grün seiner Augen hat mich wieder in seinen Bann gezogen. „Schön für dich." Kim scheint zu beweisen müssen das ich sie nicht interessiere, weshalb sie ihre braunen langen Haare zurück streift und mir den Rücken zudreht. Nur Harvey scheint nicht ganz so abweisend zu sein „Danke." Dabei verzieht er keine Miene sondern sieht mir tief in die Augen.
Nein, lass ihn nicht deinen Plan manipulieren! Weil ich keine andere Lösung sehe, haue ich schnell ab und werde von Noah kurze Zeit später wieder um die Ecke gezogen, so dass ich gegen die harte Wand knalle. „Ich glaube dir." Ich mir selber aber nicht mehr. „Gut." Wieder versuche ich zu lächeln, doch im Hinterkopf schwirrt mir noch Harveys Blick, der so etwas verletztliches hatte, etwas trauriges hatte.

Nochmal sehe ich um die Ecke, doch beide sind weg. Als hätten sie sich aufgelöst. Ausatmend drücke ich meinen Rücken wieder an die Wand und schaue auf den Boden. „Ich muss dann wieder zur Lesung. Du hast glaube ich heute frei." Nickend beantworte ich abwesend seine Aussage und er streicht mir über den Arm, bevor er vor mir die Treppe runter joggt.

Langsam lasse ich meinen Körper die Wand runter rutschen. Ich lege mein Gesicht in meine kalten Hände und schließe einfach meine Augen. Das alles ist so kompliziert.
Zum einen rede ich mir ein das ich das alles akzeptiere, doch ganz tief in meinem Inneren weiß ich, daß ich es nicht tue.
Im Moment wünsche ich mir das ich Kim wäre und ihm einen Kuss geschenkt hätte. Sowie er mir gestern einen geschenkt hat. Nebenbei den schönsten den ich je bekommen habe.
Ich hätte mich an seine Brust gekuschelt, während er mir den Rücken streichelt. Aber nein, ich soll mich ja nach seinem gestrigen Reden von ihm fernhalten, auch wenn er mich geküsst hat. Harvey hat mich geküsst nicht ich ihn.
Mein Handy vibriert und ich hole es raus. Toby ruft an.
„Hallo, Ruby Miller hier." Ein kleines ausatmen ist zu hören und dann seine tiefe Stimme „Hey Ruby, hast du nachher Zeit, um mir bei meiner Schreibblockade zu helfen? Du schreibst doch gerne." Abundzu schreibe ich ganz gerne, doch mir Geschichten ausdenken mache ich nicht. „Was machst du denn?" frage ich verwundert, da er doch eigentlich als Dolmetscher arbeitet. „Ich muss eine beschreibung unserer Firma an eine spanische Tochterfirma schicken, aber ich weiß nicht wie."
Da ich sowieso Schluss habe, sage ich zu und stehe dann auf. Ablenkung wird mir definitiv gut tun.

Wonder~When Impossible things become possible...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt