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Mittlerweile liege ich im Gästebett und starre an die Decke, mit dem Handy auf dem Bauch. Ich warte bis Noah sich meldet, denn wir wollten heute Abend telefonieren. Die Uhr tickt. Meine Eltern haben wirklich Besuch von meiner Tante Barbara. Sie hat uns aber anders als mein Vater das gedacht hat, nicht nach Geld gefragt. Vielmehr erzählte sie, dass sie einen neuen Freund namens Andy hat. Er sei ein Maurer und, ich zitiere, was für einer. So bemuskelt.
Mir selber geht es im Moment gut, es tut gut von allem mal Abstand zu halten. Vor allem vor einem gewissen Herren, der jetzt vermutlich glücklich mit seiner Freundin in der neuen Wohnung sitzt und mit ihr rummacht. Augenrollend, weil ich wieder an ihn gedacht habe, rufe ich Noah an, da ich mich schnellstens Ablenken muss. Wenn er sich nicht meldet, muss ich es halt tun.

~Zur selben Zeit~

Harvey POV:
Neben mir liegt Kim, die eingeschlafen ist, dummerweise auf meinem Arm. Ich starre an die Decke. Gestern, als ich sie "besucht" habe, hat sie mich nicht ablenken können, die ganze Zeit schwirren meine Gedanken nur um eine Person. Ich muss sie besuchen und alles aufklären, sonst werde ich mir das selber niemals verzeihen können. Das schnarchen von Kim ist so schwer zu überhören, daß ich mich aufraffe und in ihre Küche gehe. Aus dem Schrank hole ich mir ein Glas und schenke mir Wasser ein. In schnelle Zügen trinke ich das Glas leer. Entschlossen knalle ich das Glas auf die Theke, nur dummerweise habe ich vergessen das ein Raum weiter Kim liegt. Leise höre ich „Schatz?" Dieses Schatz aus ihrem Mund zu hören, hört sich verdammt nochmal falsch an. Sie kommt um die Ecke, blickt zuerst auf das Glas und dann auf mich. Bestimmt bittet sie mich jetzt darum zurück ins Bett zu kommen „Schatz, komm ins Bett zurück."
Kurz überlege ich tatsächlich, ob es zu einfach gedacht ist, jetzt einfach zu verschwinden und
Ruby besuchen zu gehen. Vorausgesetzt das sie mir zuhören wird. Nur innerlich macht mich das total fertig, Ruby in dem Wissen zu lassen, daß ich nur schlecht und gefühlslos zu ihr bin.
„Kommst du?" Sie greift nach meiner Hand, doch ich entziehen sie ihr. „Nein, ich muss nach Hause. Meine Mutter braucht mich gerade." Kim darf nicht wissen das ich zu Ruby will, sonst will sie noch mitkommen. Das würde das alles nur noch schlimmer machen.
Ich gehe ohne sie nochmal an zu sehen zurück ins Schlafzimmer, werfe mir mein Pullover über und ziehe mir die Schuhe an. Die Jacke schnappe ich mir von dem Boden.
„Wie sehen uns." Ohne sie zu küssen, verlasse ich Kim's Wohnung, während sie mir verdattert hinterher sieht. Es gibt Dinge die im Moment wichtig sind. Sowie die Wahrheit.
Ich laufe durch den Flur, stur als ob mir alles andere egal sei. Draußen hat es angefangen leicht zu regen, kaum merkbar. Ich stiefel mit der Kapuze auf vom Innenhof zum Park, um so schnell wie möglich das Krankenhaus zu erreichen. Abundzu brummt mein Handy weil mich jemand anruft, doch ich ignoriere dies lediglich. Mein Ziel ist es nur mit Ruby zu sprechen.
Das dunkelgrau des Himmels strahlt mein inneres aus. Auch ich befinde mich in einem Gefühlschaos.
Der Regen prasselt ohne Rücksicht auf Verluste in mein Gesicht, weshalb ich meine Augen schließen muss.
Zügig erreiche ich die Innenstadt, wo kaum jemand sich befindet.
Mein Herz pumpt, als wäre ich ein Marathon gelaufen. Die Angst und die Nervosität steigt bis aufs Limit. Was ist wenn sie mir nicht zuhört? Was ist wenn sie nichts mehr mit mir zutun haben will? Oder das aller schlimmste, was ist wenn sie mir nicht glaubt?
Mein Weg führt mich über die Straße wo man schon das Krankenhaus sehen kann. Mit schnellen Schritten gehe ich zum Krankenhaus.
Über alle stehen dort Krankenwagen, was mich wieder an die Nacht erinnert. Sie lag in so einem mit mir als mit Fahrer. Ich schüttele meinen Kopf und gehe zum Eingang.
Der Geruch von Desinfektionsmittel kommt mir schon draußen in die Nase. Schnell Jogge ich zur Empfangstheke wo eine ältere Empfangsdame sitzt und irgendwas in ein Buch einträgt.
„Hallo." Sie sieht mich an. „Hallo Sir, wir kann ich Ihnen helfen?" Meine Hände lege ich verschränkt auf die Theke und sehe sie direkt an, während ihre Hände noch den Stift in der Hand halten „Können Sie mir sagen wo Ruby Miller liegt?" Sie nickt und tippt was in Ihrem Computer ein. Ihre Augenbrauen ziehen sich merkwürdig zusammen, als sie mich entschuldigend ansieht „Miss Miller liegt hier schon seit gestern nicht mehr. Tut mir leid." Mein Herz macht einen Aussetzer. Was? Wo ist sie denn? Die Empfangsdame hat wohl meinen Blick bemerkt und sagt „Rufen Sie sie sonst an?" Benommen nicke ich und lasse von der Theke ab, um wieder das Krankenhaus zu verlassen. Ist sie wieder in ihrer Wohnung? Die möglichkeit besteht doch. Entschlossen packe ich mein Handy, womit ich fast Ruby anrufen wollte, wieder weg und gehe in Richtung des Studentenwohnheim, wovon ich erst gekommen bin.

Ruby POV:

Seit ungefähr einer Stunde telefonieren Noah und ich schon. Er hat mir von der Uni erzählt und was sein Lieblingslehrer mal wieder hinaufbeschwört hat. Auch meinte er das Sara mich vermisst, doch sie damit klar käme.
„Also hat Toby sich immer noch nicht gemeldet?" Wie wir auf das Thema Toby gekommen sind, weiß ich nicht. Ich weiß nur das er von Steve erzählt hat.
„Ne, aber das ist nicht schlimm. Ein bisschen Auszeit tut sowohl ihm als auch mir gut." Das wir echt noch nicht lange zusammen sind, verdränge ich. Jede gute Beziehung, hat eine zweite Chance verdient, richtig?
„Das ist ja blöd, aber vielleicht auch besser so. Wer so seine geliebte im Stich lässt, hat sowieso niemanden wie dich verdient." Schmunzelnd Stimme ich dem zu, als es auf der anderen Seite plötzlich laut klopft. Was zur...?
„Ruby ich gehe mal kurz an die Tür, ja?" Mit einem knappen Ja stimme ich zu und versuche zu erraten wer da an der Tür ist.
Leises, gereiztes gemurmel von Noah ist zu hören. Sehr erfreut ist er vermutlich nicht „Nein, ich sage es dir nicht," sagt Noah bissig und wieder höre ich ein rumpeln. Oh Gott, was ist wenn da ein Einbrecher ist? Aber für gewöhnlich klopfen Einbrecher nicht an der Tür, richtig?
Eine raue Stimme, die mir bekannt vorkommt ist noch zu hören. Nein, nein das ist unmöglich und sehr unwahrscheinlich. Warum sollte Harvey zu Noah gehen?
„Ist sie das am Telefon?" Doch, Oh Gott. Das ist Harvey! Panisch halte ich das Telefon weiter weg von meinem Ohr, als er, Harvey, durch das Telefon fragt „Ruby, bist du das? Wo bist du? Ich muss mir dir reden." Ich antworte nicht, dafür klopft mein Herz zu schnell.
Das ist doch nicht wahr.
„Ruby?" Langsam halte ich das Telefon an mein Ohr, doch sagen tue ich nichts. Seine Stimme zu hören, ist zu schön, leider.
„Ruby ich weiß das du das bist." Ungewöhnlich ruhig klingt seine Stimme. Als wäre er kurz vorm weinen. Im Hintergrund höre ich wie Noah versucht ihm das Telefon wieder weg zu nehmen, doch ich weiß auch das Harvey stärker ist, als Noah selbst.
Bevor er noch was fragen kann, lege ich auf und schmeiße das Handy auf mein Bett, als ich mein Zimmer schnell verlasse. Ich habe angst das er nochmal anruft und ich mich nicht beherrschen kann und rangehe. Was will er bereden? Mit mir klären das zwischen uns nichts laufen wird? Ja das weiß ich selber.
„Mama?" Langsam gehe ich die Treppe runter, während mein Verstand immer noch an Harvey zerrt.
Die braune Labradorhündin liegt im Flur und sieht auf, als ich die Treppe runterkomme.
„Sie fährt gerade Barbara weg." Mein Vater kommt aus der Küche in den Flur, wo ich noch Lana streichele.
Nachdenklich nicke ich. Ich muss raus. Und zwar jetzt.
„Ich gehe kurz raus mit Lana." Er nickt und geht ins Wohnzimmer. Meine Hand nimmt Leine, Mantel und Schuhe. Alles angezogen und Lana befestigt gehe ich aus der Tür nach draußen, hoffentlich lässt Harvey mich an in Ruhe, auch wenn es das letzte ist was ich will.


Wonder~When Impossible things become possible...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt