Kapitel 20

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„Wer ruft dich den an?"

Isabella sah mich unbehaglich an.

„Mats!" gab ich als Antwort zurück.

Erleichtert entspannte sich ihre Gesichtsmuskulatur und wandte sich ihrem Buch zu. Ich nahm den Anruf entgegen.

„Hey, Schwesterchen."

Sein Lächeln hörte ich aus diesen Worten. Verwirrt über seine Wortwahl wartete ich ab was er wollte. Als ich nichts weiter sagte, schoss es aus ihm heraus.

„... ich wollte mich entschuldigen, deswegen bin ich zu eurem Hotel gefahren, doch die Dame an der Rezeption meinte, dass nur dein Freund hier wohnen würde. Auf meine Frage, in welchem Hotel meine Schwester untergekommen sei, meinte sie, dass du eben vor eineinhalb Stunden ausgecheckt bist und du von deiner Beraterin zu einem Fotoshooting abgeholt wurdest. Dann muss ich es wohl telefonisch machen. Du kennst mich, ich bin nicht gerade ein Mensch, der sich entschuldigen kann, wenn die Person nicht vor einem steht..."

„Wir können es auch nach der Weltmeisterschaft klären, da bin ich wahrscheinlich bei unseren Verwandten in München!"

„Nein, Amina Hummels, dass regeln wir jetzt, weil ich will dass du es jetzt weißt. Ich weiß ja nicht ob es irgendwann zu Spät ist. Hör mir einfach zu, ok?" sang er schon fast vor Neugierde.

Ich gab meine Zustimmung dazu und hörte meinen größeren Bruder aufmerksam zu.

„Es tut mir Leid, dass ich mich von dir abgewandt habe. Ich dachte, dass du daran Schuld warst, weil du Mario betrogen hattest. Aber es gab einen der genauso Schuld hatte, ich war blind um zu sehen, dass seiner Schwester nicht gut ging. Ich war nicht da als du vor Einsamkeit in diese Scheisse geritten hast. Ich war als großer Bruder nicht da um dir zu zuhören. Ich hatte den Medien mehr Glauben geschenkt, während ich der Person, die mitten drin war, nie ein Ohr zum Ausheulen gegeben hatte. Es tut mir einfach wahnsinnig Leid, wie die Dinge gekommen sind. Ich hatte es vor einer Woche in Sao Paulo als wir uns auf dem Marktplatz zum ersten Mal wieder sahen, so viele Gedanken an dich verschenkt. Ich will meine kleine Schwester wieder bei mir wissen. Weißt du noch, wir gegen Jonas?"

„Wir gegen den Rest der Welt." sagte ich unseren Vers auf.

Wir sprachen noch einige Zeit bis er sich wieder zum Anfang zurück erinnerte.

„Von welcher Marke machst du denn das Fotoshooting?" stellte er seine Frage wissbegierig.

„Bade- und Sommermoden für Chanel."

„Also hochwertige Moden, hm?"

„Ja, wird bestimmt wie immer mega schwitzig."

„Wohin geht es denn zum Fotoshooting?"

„Kreta."

„Da wollte ich auch schon immer hin. Schickst du mir eine Postkarte?"

„Ja, freilich." lachte ich in den Hörer.

„Ich wünsche dir viel Spaß dabei. Wann kommst du denn zurück?"

Ich wandte mich zu meiner Beraterin, die sich wieder ins Buch einfühlte.

„Isa?"

„Jaa!" gab sie genervt hinzu.

„Sorry für die Störung, aber wie lange dauert der Auftrag?"

„Du wirst bis zum Viertelfinale am 4. Juli wieder in Brasilien sein."

„Danke."

Ohne auf mich weiter zu achten, las sie das Buch weiter. Was war das für ein Buch überhaupt? Ich beugte mich leicht vor und lachte: >Feuchtgebiete<

„Dein Ernst?" lachte ich belustigt.

„Willst es dann auch mal lesen?" gab sie mir eine Rückfrage.

„Nein, danke. Mein Sexleben ist so oder so wunderbar."

„Ähm, Amina, ich möchte nicht wissen, wie es in deinem Bett abgeht." kam es nun von meinem Hany.

„Oups, sorry, Mats... Als ich bin bis 4. Juli wieder in Brasilien! Ich hoffe doch sehr, dass du nicht Heim reisen musst." lachte ich provokant.

„Nein, wir sind eine Mannschaft. Wir halten zusammen."

„Das Spiel gegen Cristiano war mega. Sein Blick war genial, ich dachte mir nur, auch ein Weltfußballspieler kann verlieren." schwärmte ich von diesem Auftaktspiel meiner Heimat.

„Oh lala, was hat Neymar mit dir gemacht? Seit wann schaust du dir auch Spiele an? Ich dachte immer, du würdest lieber selber spielen, als dir Spiele anzuschauen. Du rennst lieber neunzig Minuten, anstatt mit zu fiebern. Was ist aus dieser Einstellung gewesen?" wollte mein überraschter Bruder wissen.

„Zeiten ändern einen, Brüderchen!" lachte ich lauthals los.

(Gruppe A)

'''Donnerstag, 12. Juni... Sao Paulo'''

>Brasilien - Kroatien: 3:1 (1:1)<

'''Dienstag, 17. Juni... Fortaleza'''

>Brasilien - Mexico: 0:0 (0:0)<

(Gruppe G)

'''Montag, 16. Juni... Salvador'''

>Deutschland - Portugal: 4:0 (3:0)<

'''Samstag, 21. Juni... Fortaleza'''

>Deutschland - Ghana: 2:2 (0:0)<

Es lief alles sehr gut für die beiden Nationalmannschaften.

„Wir werden sehen. Der Bessere wird gewinnen."

Mats stimmte mir zu.

„Amina, ich muss jetzt mal auflegen, schließlich ist es schon spät, ok? Melde dich wenn du angekommen bist. Ich hab dich noch immer voll derbe lieb."

„Ja, ok, gute Nacht. Schlaf gut!"

Wir verabschiedeten uns noch fünfzehn Minuten und schon legte ich mein Handy ausgeschaltet weg. Ich wollte in jenem Moment keine Nachrichten mehr erhalten. Es tat mir einfach weh, immer wieder solche Gerüchte entgegen zu treten. Ich war lang genug stark, aber irgendwann reichte die Kraft nicht mehr und dass hatte wohl Isabella und Mats gespürt. Sonst hätte sich Mats noch länger etwas eingebildet und Isabella hätte mich sicherlich im Hotelzimmer verschimmeln lassen, wenn die Aufträge nicht gut genug für mich gewesen wären. Lächelnd schlief ich auf den gemütlichen Sitz ein.

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