Kapitel 22

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* Mats Sicht *

Ich freute mich, dass ich mit meiner Schwester endlich wieder Kontakt hatte. Sich zu entschuldigen war schon das Beste. An jenem Morgen lief ich gut gelaunt durch die Anlage zum Frühstücken, als Kevin hinter mir herkam.

„Warum so gut gelaunt?" fragte er mit Kinderstimme nach.

„Ich hab mich gestern Abend noch mit meiner Schwester versöhnt!" lächelte ich sanft.

„Uhhhh, da hat sie sich bestimmt gefreut? Deswegen warst du solange im Hotel?"

„Ja, aber eigentlich habe ich mit ihr telefoniert, da ich sie dort nicht fand. Sie saß in einem Flieger in Richtung Kreta."

„Kreta? Was macht sie denn da, wenn ihr Freund hier ist?"

„Fotoshooting!"

„Achso, die Arbeit ruft! Und wann kommt sie dann wieder?"

„Kevin, du bist mega neugierig, wenn es um Amina geht. Sie wird zum Viertelfinale wieder da sein."

„Als bester Freund sollte man doch wissen, wie es ihr geht und was sie macht. Außerdem geht sie nicht an ihr Handy." lachte er etwas bedauerlich.

Ich konnte ihm ansehen, dass er sie in Deutschland sehr vermisste. Als das Schiff damals zu kentern anfing, musste ich feststellen, dass Kevin erwachsen und ernst war. Er hatte Marco zu uns gebracht, auch wenn wir enttäuscht von ihm waren. Er hatte Marco aufgefangen als Amina einfach so die Stadt verließ. Er war einfach eine treue Seele, auch wenn er manchmal mit seinen humorlosen Witzen keine Ameise zum lachen bringen konnte. Ich wusste auch nicht, warum Amina trotzdem lachen musste. Es war schon immer eine besondere Freundschaft zwischen Kevin und sie.

„Auf ihr war immer Verlass." flüsterte er mir zu.

Als wir schließlich uns zum Essen hinsetzten, sprach keiner von uns ein Ton über dieses Thema. Das Amina weg war und ich war mir auch echt sicher, dass sie Neymar nur ein Brief hinterlassen hatte. Ruckartig stand Kevin mit großen Augen auf und schlug mir sein Ellebogen knapp über das Auge. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah ich ihn irritiert an.

„Tut mir leid, Bro, aber ich hab vergessen Marco anzurufen." lachte er beschwichtigend.

* Kevins Sicht *

Ich verließ den Saal und nahm mein Handy zur Hand. Ich hatte es zwar nicht vergessen, aber ich konnte ja nicht sagen, dass mir etwas in jenem Moment einfiel, was ich Marco erzählen könnte. Oder sollte ich es lassen? Nein, auf keinen Fall. Ich wählte seine Nummer und nach dreimal Piepen ging er auch endlich ran.

„Reus!"

„Großkreutz, hier. Hab ich dich geweckt?"

„Nein, wir sind sechs Stunden vor eurer brasilianischen Zeit." motzte er mich an.

„Hast du Ischen wohl bei dir auf der Yacht?"

„Kevin, was willst du? Du nervst mit einem Kreuzverhör!"

„Oh, der kleine Marco hat doch eine Ische bei sich! :D Jetzt sei halt nicht so zu mir. Schließlich bin ich jemand der dir gute Nachrichten verkünden darf."

„Hat das etwas mit deiner Besten zu tun, die dich mit der Schwester ihres Freundes eingetauscht hat?"

„Marco, dass hat mich jetzt verletzt. Ich muss mir wohl überlegen, ob ich es dir überhaupt sagen, schließlich ist sie ja nicht mehr in Brasilien."

Unangenehme kurze Stille. Ich hörte wie Marco ausschnaubte.

„Wie nicht mehr in Brasilien?"

Ich hatte anscheinend seine Neugierde geweckt. Er war wie ein Fisch an meine Angel, aber ich würde Marco natürlich nie fressen, dafür war bei ihm nichts dran und er viel zu schnell.

„Sie sitzt im Flieger zum nächsten Fotoshooting."

„Und das erzählst du mir, weil...?"

„Weil du jetzt einmal raten darfst, wohin ihr Flug gehen würde!"

Ich hörte ein genervtes Aufseufzen von der anderen Leitung. Ich wusste, dass er diese Spiele hasste, aber umso mehr liebte ich diese. Ich konnte es damals mit Amina den ganzen Tag machen. Sie musste auch immer über meine selbst gereimten Witze lachen. Ich vermisste sie wirklich. Sie war das einzige Mädchen, dass für mich immer wieder da war und mir half in dieser Kategorie. Auf einmal musste ich auflachen, als ich mich an die wohl lustigste Nacht erinnerte.

* Flashback *

Ich wachte in jene Nacht durch das grässliche Auftönen meines Handys auf. 'Barbie World' hatte ich damals nur gemacht, weil es meiner Besten überhaupt nicht gefallen hatte. Auf jeden Fall wusste ich sofort, dass es nur sie sein konnte. Mit einem Blick auf die Uhr, ließ ich mich genervt wieder in die Kissen fallen. Es war erst ein Uhr nachts, aber als bester Freund musste ich ran gehen, vielleicht war es was Wichtiges.

„Großkreutz am Apparat!"

„Hey, mein Fischkopf!"

Wieso hatte sie gute Laune? Hat sie noch nicht auf die Uhr geschaut?

„Was gibt es denn, Beste?" wollte ich wissen.

„Ich wollte deine Stimme hören, außerdem freue ich mich dich morgen wieder zu sehen."

„Wann bringt dich Marco zum Dortmunder Flughafen?"

Warum ich wusste, dass sie bei Marco war? Ich war ihr bester Freund und sie hatte mich aufgeklärt, was zwischen Marco und ihr ablief. Ich hatte beide damals geschworen, dass ich nichts sagen würde, sonst hätte Amina meine ganze Mentossammlung auf einmal gegessen. Außerdem wollte ich auch beide nicht verlieren, da es schon witzig war, die anderen im Unwissenden leben zu lassen. Während man selbst auf geheimer Mission unterwegs war.

„Auf halb zwei nachmittags!" lachte sie in den Hörer.

„Ok, soll ich dich dann abholen?" fragte ich sie.

„Das wäre genial. Habt ihr morgen kein Training?"

„Doch, aber dann kannst du ja mit. Der Flughafen liegt ja auf der Strecke von mir aus in Richtung Trainingsgelände."

„Gut, sagst du Mario diesbezüglich bescheid?"

„Klar, aber, Amina, was brauchst du wirklich. Du rufst mich kaum nachts an!"

Ich hörte dass sie seufzte.

„Vor dem Anruf hat es sich noch so Ernst angehört." lachte sie auf.

„Jetzt sag schon."

„Nein."

„Doch."

„Nein."

„Doch. Maaaaaaaaan, Amina, jetzt spann mich nicht auf die Folter."

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