Kapitel 10

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Während ich den Weg zu Fuß lief, verrauchte meine Wut langsam wieder. Ich wusste, es war nicht okay gewesen, ihm eine runterzuhauen, allerdings wurde ich immer wieder wütend, wenn ich an sein selbstgefälliges Gehabe dachte und schließlich ertappte ich mich sogar dabei, dass ich dachte, dass es gut gewesen sei, dass ich ihm eine geballert habe.

Ich seufzte, riss mich dann zusammen und verjagte ihn aus meinen Gedanken. Stattdessen machte mir Gedanken darüber, was ich heute mit Azura und Jano machen wollte. In meinen Gedanken stellte ich schon einen ungefähren Trainingsweg für Azura auf und ehe ich mich versah, stand ich vor meiner Haustür und kramte in meinem Rucksack, der natürlich total verwüstet war, nach meinem Schlüssel. Währenddessen ging ich langsam die Stufen zur Tür hoch. ,,Ha!" Triumphierend hielt ich ihn hoch und schloss auf.

Ich machte keine Umwege und ging sofort in mein Zimmer. Ich vermutete, dass Gran draußen mit Golden Eye zugange war und schmiss meine Schultasche achtlos in die Ecke. Ich ließ mich erschlagen auf mein Bett fallen und schloss für ein Sekunde die Augen. Wie gesagt, für eine Sekunde. Ich sprang wie von der Tarantel gestochen auf und raste zum Fenster. Ich glaubte, die Stimme von dem Menschen gehört zu haben, den ich jetzt am Wenigsten sehen wollte: meine Mutter. Ich schickte noch ein Stoßgebet Richtung Himmel, ich möge mich doch geirrt haben, leider war es aber nicht so. Da stand sie: schön und schrecklich, wie man so schön sagt. Na toll! Ich hatte wirklich zwei blöde Tage hinter mir und die Nächsten versprachen noch schlimmer zu werden.

Ich hasste es, wenn meine Mutter hier aufkreuzte, denn dann hatte ich noch nicht im Stall meine Ruhe vor mir. Sie meinte, ständig an mir rumnörgeln zu dürfen, nur, weil sie mal fünf Minuten Zeit hatte, die ,,Mutter" raushängen zulassen. Das Problem an der ganzen Sache war: Sie hatte meistens auch noch Recht. Deshalb blieb mir als Konter meist nur, sie zu beleidigen und dann stritten wir uns immer sehr laut, sehr ausführlich und sehr lang.

Ich schloss mein Fenster, ich konnte ihre nervige Stimme nicht mehr aushalten, auch wenn die Meisten die Stimme meiner Mutter als ,melodiös' oder vielleicht sogar als ,engelsgleich' bezeichnet hätten: Mir standen bei ihrer Stimme genauso die Nackenhaare zu Berge, wie bei dem Geräusch einer über den Teller kratzenden Gabel.

Ich beschloss die Konfrontation, Gran zuliebe, so lange wie möglich hinauszuzögern, was allerdings nicht besonders lange war, denn ich hörte Grans Stimme, die sagte: ,,Oh, Katy ist schon da, ich gehe sie mal holen." ,,Ich komme mit", erwiderte die Stimme meiner Mutter. Sie klang diesmal ganz normal, was mich überraschte, da sie sonst immer abfällig über mich sprach, selbst mit anderen. Ich ließ mich wieder, mit dem Bauch voran, auf mein Bett fallen und drückte mein Gesicht in die Kissen. Gran öffnete die Tür. ,,Katy?"
,,Mmhh?", gab ich als Antwort von mir. ,,Wir haben Besuch." ,,Ich weiß." Leider. Ich sagte es nicht, aber man konnte es deutlich heraus hören.

Gran zögerte, öffnete die Tür dann weiter und meine Erzeugerin betrat den Raum, musterte mich und verzog dann abfällig den Mund. Ich wusste genau warum: Ich war immer noch nicht verwandelt und das missfiel ihr gründlich. Ich war nun mal nicht das emotionlose Vorzeigepüppchen, welches sie gerne als Tochter hätte. Sie öffnete den Mund und wie immer kam nur Müll raus: ,,So Eskada. Immer noch nicht verwandelt? So langsam bekomme ich Zweifel, ob ich mich überhaupt vererbt habe. Du bist genauso hässlich, wie dein verehrter Herr Vater es war." Ich wurde sofort wütend. ,,Ach ja, so schlimm war er also!? Und du hast mir gegenüber immer betont, er wäre der schönste Mensch gewesen, den du jemals getroffen hast. Dann hast du immer gesagt, dass weder er noch du sich besonders gut vererbt hättet." ,,Um Himmels Willen, womit habe ich nur so eine Tochter verdient!?" ,,Das habe ich dir schon so oft erklärt, dass ich mir langsam wie eine kaputte Schallplatte vorkomme. Lernst du es endlich!? Ich habe keine Lust es dir wieder und wieder zu erklären. Du scheinst ja wirklich kein allzu gutes Gedächtnis zu haben!" ,,Du kleine Schlampe, wie kannst du es wagen so mit mir zu reden!? Ich bin deine Mutter!!" Sie wandte sich an Gran. ,,Du solltest sie strenger erziehen, dass es wagt, so mit Erwachsenen zu reden, ist eine Frechheit! Du bist viel zu lasch mit ihr, nur, weil sie ständig die Mitleids-Schiene fährt und du fällst ständig rein, weil du viel zu alt und verweichlich bist!" Gran jedoch ließ sich nicht provozieren.

,,Alice, du bist selbst Schuld. Du hast versucht aus ihr eine gefühlslose Puppe zu machen, die du deinen Freundinnen vorführen kannst. Allerdings war ihr Charakter dafür zu stark und das hat dir nicht in den Kram gepasst. Ich weiß nicht, was mit meiner Tochter passiert ist, aber sie hätte das nie getan und würde Menschen wie dich immer verachten. Bitte gib mir die Alice, die das nie getan hätte, der allein schon der Gedanke daran völlig fremd ist. Bitte gib meine Tochter zurück." Auf Grans Ansprache folgte nur Stille von meiner Mutter. ,,Was willst du eigentlich hier!? Außer schlechte Laune verbreiten vielleicht!?", fragte ich sie feindselig. ,, Ich wollte ein bisschen von meinem Urlaub mit meiner Mutter und meiner Tochter verbringen", antwortete sie schlicht. Ich war überrascht, dass nicht direkt Gemaule von ihr kam, wie schrecklich unreif ich doch sei, oder sie um den heißen Brei herumredete, wie sonst immer. ,,Ach tatsächlich!? Such dir einen Ort wo du willkommen bist und du Leute dafür bezahlen kannst, dass sie dich mögen. Hier funktioniert das nicht!!", erwiderte ich nur nüchtern.

Sie antwortete nicht darauf, sondern drehte sich nur um stürmte aus meinem Zimmer. Komisch, für eine Sekunde hätte ich schwören können, dass Tränen in ihren seelenlosen Augen schwammen. Was für ein verrückter Tag!

Euphoria (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt