Kapitel 30

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Als am nächsten Morgen erwachte, merkte ich als erstes, dass etwas anders war, als sonst. Ich öffnete meine Augen und sah braun. Das klingt merkwürdiger, als es war, denn bei genauerem Hinsehen stellte sich das Braun als die Außenseite eines Kartons heraus. Ich fuhr hoch, obwohl jeder Muskel in meinem Körper protestierte. Offensichtlich war ich neben meinem Bett auf dem Boden eingepennt. Schon wieder. Erst bei Lil auf dem Teppich, dann bei Jano in der Box und zu guter Letzt jetzt diese Aktion. Warum hatte ich mich einfach in mein Bett gelegt, sowie jeder normale Mensch auch!? Mein verdammtes Bett hatte genau neben mir gestanden, warum hatte ich mich nicht einfach dort hinein gelegt!? Fand mein übermüdetes Ich den Boden so unfassbar bequem, oder was!?

Murrend und Jammernd ging ich die Treppe hinunter. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mich über meinen schmerzenden Körper zu beschweren, um auf das zu achten, was eigentlich gerade machte, also passierte das, was passieren musste. Ich erwischte eine Treppenstufe nicht richtig und rutschte weg. Ich versuchte, mich noch schnell am Geländer festzuklammern, allerdings war die Schwerkraft schneller als ich, also purzelte ich fast die gesamte Treppe herunter und knallte, um dem ganzen die Krone aufzusetzen, mit meinem Rücken gegen die Heizung und die Luft wurde mir aus den Lungen gepresst. Minutenlang lag ich, wie ein Fisch auf dem Trockenem, auf den Fließen und schnappte nach Luft. Als ich das Gefühl hatte, wieder Luft statt Feuer zu atmen, versuchte ich mich aufzurichten. Meine Arme schmerzten und zitterten und ich schnappte immer noch nach Luft. Heiße, salzige Tränen liefen mir die Wangen herunter und ich schlotterte am ganzen Körper, als wäre ich in einer Eiswüste. Ich setzte mich endgültig auf, zog die Knie an, schlang die Arme um mich und versuchte, mich wieder in den Griff zu kriegen.

Das Problem war, dass ich mich jedoch erst so richtig reinsteigerte, als der Strudel dunkler Erinnerungen mich zu verschlingen drohte. Wie oft hatte ich genauso im Keller gehockt und versucht mich selbst zu trösten? Wie oft war verzweifelt gewesen und hatte das Gefühl gehabt, nicht mehr richtig atmen zu können? Wie oft...

Ich stand auf der Treppe zum Keller und linste durch das Schlüsselloch. Die Erwachsenen feierten schon seit Stunden und der Alkohol floss in Strömen. Auch meine Mutter war schon ziemlich angetrunken und lachte zu laut und schrill über die schlechten Witze von Vivian, ihrer besten Freundin. Als ich gesagt hatte, dass ich keinen Hunger hatte, hatte meine Mutter das fröhlich überspielt, mich an der Hand genommen und verkündet, dass sie ihre Tochter nun ins Bett bringen würde. Dann hatte sie mich angesehen, angelächelt und gefragt: ,,Nicht wahr mein Schatz?" und ich hatte schnell genickt.

Für alle anderen muss das voller Liebe und Zuneigung gewirkt haben, allerdings hat meine Mutter mich an der Hand gepackt und so fest zugedrückt, dass morgen sicher meine ganze Hand voller blauer Fingerabdrücke sein wird. Dennoch habe ich keinen Laut von mir gegeben, darauf bin ich schon ein bisschen stolz. Meine Mutter hat das allerdings überhaupt interessiert.

An der Kellertür zischte sie mich wütend an. ,,Du undankbares, unverschämtes Gör, mal wieder hast du mich vor allen blamiert! Ich gebe mir alle Mühe mit den Essen und du verschmähst es, als würde es dich überhaupt nicht berühren! Weißt du wie peinlich du bist, du hässliches, dürres Ding!? Iss gefälligst mal was, sonst kommen alle noch auf den Gedanken, ich würde dir nichts ordentliches zu Essen geben!" Ich starrte zu Boden und wagte es nicht einen Laut von mir zu geben. Ich wusste, was gleich kam.

,,Du kommst, bis alle weg sind, nicht mehr heraus! Weder um auf Toilette zu gehen, noch sonst irgendwas! Du wirst hier bleiben und auf mich warten! Dann werde ich dir etwas Respekt vor Erwachsenen lehren, du hässliches, undankbares, widerliches Wesen!" Ich spürte die vertraute Wehrlosigkeit, die mich erfasste und mein Körper lies auf eine der harten Stufen fallen. Plötzlich verpasste meine Mutter mir einen Tritt in den Rücken und ich fiel hilflos die steile Steintreppe hinunter. Ich prallte mit dem Rücken gegen die Wand und ich lag minutenlang da und schnappte nach Luft. Dann spürte ich, wie meine Mutter hinter mich trat und mich angewidert mit dem Fuß auf den Rücken rollte.

Euphoria (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt