,,Musste das sein?" Ich wusste sofort, was Gran meinte, antwortete jedoch nicht darauf und erwiderte stattdessen: ,,Merkwürdig, ich glaube, sie hat geweint." ,,Natürlich hat sie das: du warst unnötig gemein zu ihr, in einer Sekunde, wo sie gerade angefangen hat sich zu öffnen." Ich starrte Gran eine Sekunde lang fassungslos an und prustete dann los. ,,Sie? Sich öffnen? Sie hat ihre Seele an die Biester verkauft, die sie ihre Freundinnen nennt."
Das traurige ist, das ich mich an Zeiten erinnere, wo sie nicht so war. Das war ungefähr, als vier oder fünf war. Wir waren zusammen im Garten und es war matschig. Ich hab im Schlamm gespielt und meine Mutter sah mir aus der Ferne zu. Ich hab etwas Schlamm in die Hand genommen und hoch geworfen. Sie hat etwas dabei abgekriegt und ich sah sie erschrocken an, in der Erwartung, gleich eine Menge Ärger zu kriegen. Aber sie lachte nur und schmiss zurück. Dann haben wir eine riesige Schlammschlacht gemacht und sind danach zusammen in die Badewanne gegangen, weil wir beide von oben bis unten voller Matsch waren.
Wie gesagt, damals war ich vier oder fünf. Und einige Monate später ist irgendwas passiert und deshalb hat sie mich wie der letzte Dreck behandelt. Ich hab sie auch noch gefragt, was los sei und sie sperrte mich kommentarlos in den Keller und ich bekam den ganzen Tag nichts zu essen. Wenn ich mich recht erinnere, war ich damals fünfeinhalb. Ich hab bis heute nicht verstanden, was passiert ist oder was ich getan habe. Ich habe bis heute nicht nochmal gefragt, und um ehrlich zu sein, habe ich ein bisschen Angst vor der Antwort.
Ich stand vom Bett auf und ging hinunter in den Stall um mit Jano ausreiten zu gehen.Ich sprang ab und führte Jano in den Stall. Der Ausritt hatte mir gut getan, denn ich hab für anderthalb Stunden mal meinen Kopf frei gekriegt und konnte meine Probleme vergessen. Ich trenste und sattelte Jano ab und ließ die Sachen in die Sattelkammer schweben, zur gleichen Zeit kam mein Putzkasten zu mir und öffnete sich von selbst. Ich kramte währenddessen mein Handy hervor und machte eine Sprachaufnahme für Lil: ,,Hey Lil, du mit heute, das wird nichts mehr. Meine Erzeugerin ist überraschend vorbei gekommen und das will ich dir beim besten Willen nicht antun... Jano steh! Vielleicht können wir uns ja morgen bei dir treffen und... Jano lass den Scheiß! Sorry, er wollte gerade mal wieder den Putzkasten ausräumen... Wo war ich noch mal? Ach ja! Vielleicht können wir uns ja morgen bei dir treffen, damit ich mir einen Schokivorrat anfuttern kann. Ich glaube nicht, dass ich einen Bissen herunter kriege, wenn meine Mutter dabei sitzt, du kennst sie ja... Bitte sag, dass du kannst! Bitte, bitte, BITTE!!" Ich räumte mein Handy weg, fischte Janos Kopf aus meiner Putzbox und zog ihm die Wurzelbürste aus dem Maul. ,,Lass den Unfug!", befahl ich ihm. Ich hasste es, das zu tun, aber wenn ich ihn so vor einer ernsthaften Krankheit beschützen konnte, tat ich das natürlich. Ich packte ihn am Halfter, führte ihn in die Box und sammelte die verteilten Putzsachen mit einem Fingerschnipsen wieder ein. Danach ging ich zu Azura.
Azura sah mich freundlich an, als ich in ihre Box kam und ließ sich sogar das Halfter halbwegs vernünftig anziehen. Als ich sie jedoch in den Round-Pen führte und anfing sie wegzuschicken, stieg sie drohend vor mir und schlug mit den Hufen. Ich hatte es mehr geahnt als gewusst und brachte mich mit einem grotesken Hüpfer in Sicherheit. Oh man, dass würde kein Zuckerschlecken werden!
Wir verließen den Round-Pen, beide klitschnass geschwitzt. Ich war zufrieden, Azura allerdings kein Stück. Wir hatten heute erst einmal geklärt, wer die Chef-Etage bewohnte, und hatten ziemlich erbittert darum gekämpft. Dennoch hatte ich gewonnen, ohne meine Fähigkeiten einzusetzen und war dementsprechend zufrieden mit dem Ergebnis. Azura war nicht bereit gewesen ihren Chefposten aufzugeben, und dementsprechend hatten wir auch darum gekämpft. Manchmal war ich nur gerade so noch ihren Attacken ausgewichen, ganz ungefährlich war das nicht gewesen. Ich stellte Azura noch in die Führanlage, nachdem ich ihr eine Decke übergeworfen hatte.
Ich drehte mich um und sah Leanne auf schon mich zukommen. Ich hatte ihr eine Nachricht auf Insta geschrieben, dass ich mich freuen würde, sie näher kennenzulernen umd sie gerne mal vorbei kommen konnte, wenn sie wollte. Sie hatte sofort zugesagt.
Ich ging ebenfalls auf sie zu. ,,Hey Leanne, wie geht es dir?", rief ich ihr entgegen. Dann blickte ich in ihr Gesicht. Sie hatte geweint. Nein! Sie weinte immer noch! ,,Um Gottes Willen, Leanne! Was ist denn los?", fragte ich besorgt und schloss sie aus Reflex tröstend in die Arme. Leanne antwortete nicht und weinte einfach nur leise an meiner Schulter. Ich schob sie sanft von mir und sah sie an. ,,Weißt du was wir jetzt machen? Wir gehen jetzt nach oben auf mein Zimmer und ich nehme uns noch zwei schöne Tassen heißen Kakao mit, ok?" Leanne schüttelte den Kopf. ,,Nein! Können wir zu Lil gehen? Bitte?" ,,Ich frag sie mal", antwortete ich auf ihre Bitte. Ich holte mein Handy aus meiner Jackentasche und rief Lil an. Sie ging sofort ran. Ich ließ ihr keine Zeit um irgendwas zu sagen, sondern legte direkt los. ,,Hi Lil, können Leanne und ich zu dir rüber kommen? Ist ein Notfall." ,,Ja klar, kommt rüber. Bis gleich", sagte Lil nur und legte auf. Ich nickte Leanne zu und hackte mich bei ihr ein. Als wir vor Lils Tür standen, bemerkte ich, dass ich immer noch meine Reitsachen anhatte. Egal! Ich war schließlich unter Freunden!

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Euphoria (Abgeschlossen)
FantasyEskada, von allen nur Katy genannt, ist eine Euphoria, also jemand, der dafür sorgt, dass die Menschen die Hoffnung nicht aufgeben, egal wie auswegslos die Lage ist. Sie ist dafür verantwortlich, dass es immer einen Ausweg gibt und sie ist nie gesch...