Euphoria (Abgeschlossen)

Kapitel 12

**Achtung, dieses Kapitel enthält eine Misshandlungsszene. Wer sich damit nicht wohlfühlt, sollte dieses Kapitel besser überspringen.**

Der Türöffner summte quasi sofort, als ich klingelte. Leanne hatte inzwischen aufgehört zu weinen und stapfte still neben mir die Treppen hoch. Lil stand in der Tür und erwartete uns. Sie erfasste mit einem Blick Leannes gerötete Augen und meine Reitklammotten. ,,Kommt rein", sagte sie nur und trat ein Stück zurück. ,,Leanne?", begann ich fragend als wir im Flur standen und sah sie an, ,,Kannst du schon mal ins Wohnzimmer gehen? Ich muss kurz mit Lil in ihr Zimmer." Leanne sah mich leicht misstrauisch an. ,,Warum denn? Damit ihr in Ruhe über mich reden könnt?", fragte sie argwöhnisch. ,,Nein!", antwortete ich entschieden. ,,Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, habe ich immer noch meine Reitsachen an, und Lil und ich haben ungefähr die selbe Kleidergröße." ,,Ach so, ok. Wo soll ich hin?" ,,Die zweite Tür von rechts", sagte Lil und Leanne verschwand.

In Lils Schlafzimmer angekommen, suchte Lil mir eine Hose und ein Sweatshirt raus, die mir passen könnten. Lil durchbrach die Stille als Erste. ,,Süße, ich hab noch nie erlebt, dass du dich so schnell mit jemandem anfreundet hast, außer mit mir vielleicht." ,,Leanne ritzt sich. Ich muss sie irgendwie davon überzeugen, sich in professionelle Hände zu begeben, ich hab aber keine Ahnung, wie ich das anstellen soll. Außerdem, wenn du mich fragst, war das schon ein bisschen gruselig gestern Abend." ,,Was meinst du?", fragte Lil verwirrt. Ich öffnete gerade den Mund, ich hätte ihr das mit Sicherheit doch gezeigt, dann fiel mir jedoch ein, dass ich noch keine Gelegenheit dazu gehabt hatte. Also zog ich wortlos mein Handy aus meiner Jackentasche, öffnete den kurzen Chat mit Leanne und reichte es ihr. Lils Augenbrauen zogen sich beim Lesen zusammen und sie sah noch verwirrter aus, als vorher. ,,Ziemlich fadenscheinige Erklärung. Aber woher willst du wissen, dass sie sich ritzt? Sie macht das ja nicht gerade offensichtlich", meinte sie zu mir und gab mir mein Handy zurück. ,,Dreimal darfst du raten, woher ich es weiß." ,,Der Ruf?" ,,Allerdings", sagte ich und zog mir die andere Hose an.

,,Ach ja, übrigens: Weißt du, von wem dein Ruf war?" Lil verzog den Mund. ,,Nathan Cook." Ich sah sie schräg an. ,,Der Football-Kapitän!?", beantwortete sie genervt meine unausgesprochene Frage. Ich dachte kurz nach und durchwühlte mein Gedächtnis, bis ich schließlich sein Gesicht vor Augen hatte. ,,Ach der!? Du Arme! Weißt du auch wofür?" ,,Nein, leider nicht. Das heißt, ich muss mich langsam an ihn rantasten. Ich hasse sowas", jammerte Lil. ,,Ach komm, so schlimm wird es schon nicht werden. Ich glaube nicht, dass er wirklich so ein Arschloch ist, wie in der Schule. Du weißt schon: vor seinen Schulfreunden benimmt man sich immer anders", versuchte ich sie aufzumuntern. Lil wiegte leicht ihren Kopf hin und her. ,,Du könntest Recht haben", gab sie schließlich zu. ,,Ich hab immer Recht", gab ich grinsend zurück und Lil warf mich dafür mit einem Kissen ab. Wir standen auf und gingen ins Wohnzimmer zu Leanne.

Als wir das Zimmer betraten, saß Leanne auf der Couch und fühlte sich sichtlich Unwohl. Sie lächelte uns nervös zu, und rutschte unruhig hin und her. Als wir auf sie zugingen, platzte sie heraus: ,,Ich kann das erklären!" Lil setzte sich neben sie und ich ließ mich kurzerhand auf dem Teppich nieder. Ich bedeutete Leanne fortzufahren, war aber eher neugierig als sauer, warum auch immer sie das dachte. Sie zögerte kurz und sagte dann: ,,Ich hab mich mit meinem Bruder gestritten. Ziemlich heftig und lang. Wir haben noch nie gestritten und wir haben beide hässliche Sachen gesagt, die nicht stimmen. Ich wünschte, ich könnte zurück nehmen, was ich gesagt habe, aber..." ,,Leanne", unterbrach ich sie, ,,erstens, wir sind nicht sauer. Warum sollten wir auch? Zweitens: Worum ging es überhaupt bei diesem Streit?" Leanne rutschte nervös hin und her und kratzte unbewusst an ihrem linken Unterarm herum, dabei rutschte ihr Ärmel ein Stück hoch und man sah kurz ihre Wunden. Lil reagierte, wie jeder normale Mensch reagiert hätte: Sie sprang auf, packte Leannes Arm und zog den Ärmel nach oben.