Kapitel 14

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Will fixierte mich nun ebenfalls und mir war, als ob er in jeden Winkel meiner angeknasten Seele schauen konnte. Ich wandte den Blick ab und war sofort wütend darüber, dass ich als Erste weggesehen hatte, auch wenn es albern war. Will hatte etwas an sich, dass mich immer wieder zur Weißglut trieb, ich hatte aber nicht die geringste Ahnung, was es sein konnte. Außer ihm schaffte das sonst nur meine hochverehrte Mutter und sie hatte es einige Jahre fast schon studiert!

Will ließ sich dann doch dazu herab meine Frage zu beantworten: ,,Glaub ja nicht, ich wäre freiwillig hier! Leanne hat mich gezwungen, indem sie mein Handy entführt hat und ich hab keine Ahnung, wo es ist." Lil lachte leise. Ich nicht. Stattdessen erdolchte ich ihn mit meinen Blicken und bekam nur am Rande mit, wie Lil das Wohnzimmer verließ ,,Und was hat das mit uns zu tun?", stellte ich die Frage aller Fragen. ,,Nun ja, sie hat mich gezwungen, mit dir etwas zu unternehmen, weil du der Grund bist, warum sie es doch mit der Therapie versucht", antwortete er. Sein fucking Ernst!? Er musste erst dazu gezwungen werden!? Ich zwang mich ruhig zu bleiben. ,,Und warum sollte sie mich so bestrafen wollen?", fragte ich ihn nur gespielt gelangweilt. ,,Ich muss mich bei dir bedanken und entschuldigen, wenn du es genau wissen willst!", gab er nun ungehalten von sich. ,,Gut, dann tu das und zisch ab! Niemand will dich hier haben, falls du es nicht bemerkt hast!", fauchte ich ihn an. ,,Das geht nicht!" ,,Warum nicht!?" ,,Weil sie gesagt hat, dass das nicht reicht!" Hä? Wieso sollte das denn nicht ausreichen? ,,Warum das denn!?", fragte ich dann auch laut. ,,Junge, ich lauf nicht zufällig mit einem Heiligenschein durch die Gegend, oder!? Ich weiß es nicht!" ,,Erstens, ich bin ein Mädchen, falls du es noch nicht bemerkt hast! Zweitens, bis du deinen Heiligenschein bekommen hast, bin ich Kaiserin von China!", zischte ich ihn wütend an. ,,Ach tatsächlich!? Für mich hast du ungefähr die Attraktivität eines Lauchs! Kein Wunder, schließlich bist du einer!", gab er ebenso wütend zurück. ,,Sehe ich so aus, als würde mich deine Meinung auch nur im Geringsten interessieren!?" ,,Ja, allerdings!", gab er selbstgefällig von sich. Was für ein Arschloch! ,,Dann tut es mir leid, dich so enttäuschen zu müssen, euer Majestät! Pass bloß auf, dass du deine Nase nicht noch ein bisschen höher streckst, sonst brichst du dir noch deinen Hals!", brüllte ich schon fast und musste mich echt beherrschen, damit ich ihm an die Gurgel ging. ,,Das musst gerade du sagen, Prinzessin! Nur der Unterschied zwischen mir und dir ist, dass ich wenigstens noch halbwegs gut aussehe, während wie ein übergroßer schwarz angezogener Spargel durch die Straßen rennst!"

Seine letzte Bemerkung nahm mir für eine Sekunde den Atem. Nur für eine Sekunde, nicht mehr. Aber es reichte, um mir bewusst zu werden, wie sehr er mich getroffen hatte. Ja, ich trug fast nur schwarze Sachen und war recht schlank... Na gut ich war dünn, aber das hatte einen Grund: Als ich sieben war, hat meine Mutter angefangen zu kritisieren, wie ich aß und verbot mir, schwarze Sachen zu tragen. Sie sagte immer, dass Schwarz für die dunkelsten aller Seelen steht und die endlose Trauer im Herzen. Nun ja, was soll ich sagen? Sie hat aus meiner relativ normalen Seele eine Düstere gemacht und mein Herz weint immer noch blutige Tränen, wenn ich an meine verlorene Kindheit denke.

Alter, wenn das mal nicht poetisch war, dann weiß ich auch nicht... Jedenfalls habe ich dann angefangen immer weniger zu Essen, wenn meine Mutter oder generell andere Leute, dabei war, weil sie immer an mir rummeckerte und mich schlug, wenn ich mich traute, sie darum zu bitten mal ihre Fresse zu halten. Letzens Endes hat das dazu geführt, dass ich es gar nicht mehr wagte vor Leuten zu essen und auch heute fällt es mir immer noch schwer zu essen ohne mir tausend Gedanken darum zu machen, was wohl die Menschen um mich herum von mir denken. Oft genug komme ich zu dem Schluss, dass ich wie ein Schwein esse und alles gierig in mich hinein stopfe, esse dann lieber nichts und sage ich hätte keinen Hunger. Ich glaube meine Mutter hat mich in den letzten drei Jahren, in denen ich bei ihr war, fast von Innen heraus zerstört.

Ich nahm mein Wasserglas vom Tisch und leerte es in einem Zug. Ich sah Will kalt und emotionslos an. Ich reagierte immer so, wenn jemand zu sehr an meinen Schutzschilden kratzte. Wenn ich so tat, als könnte mich nichts berühren, fühlte ich mich meist auch so. ,,Ich habe meine Gründe so rumzulaufen, wie ich es tue und die gehen dich absolut nichts an!", sagte ich zu ihm kalt. Ich lief an ihm vorbei und wollte das Zimmer schon verlassen, als er mich an meinen Handgelenken packte und mich so gegen die Wand drückte, dass sie neben meinem Kopf lagen. Ich musste meinen Kopf fast in den Nacken legen, damit ich ihm in die Augen sehen konnte. Er war mir nahe, zu nah. Ich spürte, wie mir Hitze in die Wangen schoss und meine Atmung flacher wurde. Meine eisige Distanz schmolz dahin, als ich in seine wunderschönen mondgrauen Augen sah. ,,So, du hast also deine Gründe? Auch wenn sie mich vielleicht nichts angehen, interessieren tun sie mich dann doch!" flüsterte er sanft und ich erschauderte.

Nicht gut! Man Katy reiß dich gefälligst zusammen oder willst du sein übergroßes Ego noch mehr anfeuern? Ich versuchte mich vergeblich aus seinem Griff zu befreien. Eigentlich sollte es kein Problem sein, denn meistens konnte ich einen durchschnittlichen Menschen beim Armdrücken besiegen. Allerdings waren Wills, zugegebener Maßen, beeindruckende Muskeln weit vom Durchschnitt entfernt, ich saß also gewissermaßen fest, mit einer Wand im Rücken und Will vor mir. ,,Ach wirklich!? Tja, dann wirst du wohl dumm sterben müssen, denn ich werde es dir garantiert nicht verraten!", zischte ich, wütend auf mich selbst, dass ich überhaupt so viel von mir preisgegeben hatte. Ich hätte mich natürlich auch so aus seinem Griff befreien können, doch ich machte nicht gerne Gebrauch von meinen Kräften, dafür hatte meine Mutter sie ein bisschen zu oft bei mir angewendet. ,,Schön, auch ok. Dann darfst du noch ein bisschen meine Gesellschaft genießen. Scheint dir ja zu gefallen", raunte er in mein Ohr und kam mir noch ein bisschen näher, während mir ein leises Keuchen entfuhr. Ich konnte die Hitze seines Körpers förmlich spüren und versuchte verzweifelt meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen, während das bisschen Luft was zwischen noch war uns förmlich knisterte. Er presste seine Lippen aufeinander. ,,Ich kann das nicht!", murmelte er, während er auf meine Lippen sah.

Da wurde ich wieder klar im Kopf und fragte mich, was zur Hölle ich hier eigentlich tat. Ich legte meinen Kopf zurück bis an die Wand und ließ ihn dann nach vorne schnellen und verpasste ihm so eine kräftige Kopfnuss und er taumelte überrascht zurück. Ich drehte mich blitzschnell hinter Will und nahm ihn in den Schwitzkasten. Ich legte meine Lippen nahe an sein Ohr. ,,Hör mir mal zu Kleiner. Ich bin keine von diesen Mädchen, die du einfach so auf den Kopf stellen und ausweiden kannst, bis du jedes ihrer schmutzigen kleinen Geheimnisse kennst, um sie dann fallen zu lassen. Ich bin keine dieser Schlampen! Ich lasse mich selten von einer schönen äußeren Hülle täuschen und mache bei dir keine Ausnahme!" ,,Ha! Du gibst also zu, dass du mich heiß findest?", röchelte er und ich verfluchte mich stumm.

Ich ließ ihn los und stieß ihn von mir. ,,Du bist so ein richtig klischeehafter Badboy, Will! Du tust so, als könnte dich nichts berühren, dabei schleppst ein paar ernsthafte Probleme mit dir rum. Und ich brauche nicht noch mehr davon!", antwortete ich ausweichend. Will rieb sich über den Hals und sagte dann: ,,Schön gesagt, aber du hast meine Frage nicht wirklich beantwortet." ,,Wenn man das überhaupt als Frage werten kann", erwiderte ich nur. ,,Ähm ja, wieso denn nicht?", sagte Will leicht verwirrt. ,,Weil ich keinen Bock habe mit dir darüber zu diskutieren!", antwortete ich genervt. Dann fiel mir eine Kleinigkeit auf. ,,Wo ist Lil überhaupt?" Will zuckte nur mit den Schultern. ,,Keine Ahnung", sagte er nur. Ich wollte gerade mein Handy vom Couchtisch nehmen, als mir auffiel, dass dieses ebenfalls verschwunden war. Mir wurde gerade einiges klar und ich wurde verdammt wütend. Ich stürmte aus dem Zimmer an dem sichtlich verwirrten Will vorbei und brüllte durch die Wohnung: ,,Lil sprich schon mal deine Gebete, denn wenn ich dich in die Finger kriege, wirst du das garantiert nicht überleben!!" Was sie getan hat? Nun das Gleiche was Leanne mit Will gemacht hat. Diese hinterlistigen Biester!

Euphoria (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt