Wills Handy fuhr geräuschlos hoch. Er hatte irgendein Samsung, wahrscheinlich einer der neueren Modelle. Mich interessierte das herzlich wenig, ich hatte aber auch so gut wie überhaupt keine Ahnung von Handys. Wenn mein Altes kaputt war, kaufte ich mir ein Neues. Schließlich öffnete sich Wills Startbildschirm, wo Leanne und er irgendwo an einem schönen Strand, wahrscheinlich im Urlaub waren. Er hatte den Arm um Leanne gelengt und zusammen strahlten sie in die Kamera. Noch während ich das Bild betrachtete, öffnete ein Passwort-Eingabefeld. Ich versuchte mein Glück mit ,leanne'. Als das nicht funktionierte mit ,Leanne', ,Schwesterherz' und ,leanne3001'. Ich überlegte. Ich wusste nicht allzuviel über Will, außer, dass er ein Arschloch war, eine nette Mutter und eine ebenso nette Schwester hatte und adoptiert war.
Dann kam mein Gewissen zurück. Was zur Hölle tat ich hier? Auch wenn er mich sehr mit seiner Aktion getroffen hatte, hatte ich nicht das Recht dazu, sein Handy zu knacken! Ich wollte schließlich auch nicht, dass er in meinem Handy rumschnüffelte. Ich beschloss für meine Taten zu büßen, schaltete das Gerät aus und machte mich auf den Weg nach drüben.
Carolin öffnete die Tür und lächelte mich freundlich an. ,,Hallo Katy, wie kann ich dir helfen?" Der Mut wollte mich schon gerade wieder verlassen, gab ich mir selbst einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten. ,,Hallo Carolin. Ist Will da?" Carolin nickte, trat zur Seite und ließ mich ein.
Als ich den Flur betrat, bemerkte ich sofort, dass dieses Haus lange leer gestanden hatte. Die Spuren waren noch leicht zu sehen: Winzige Risse zogen sich durch das Mauerwerk und die Lampe strahlte ein staubiges Licht aus. Dennoch wirkte es irgendwie gemütlich hier. Carolin führte mich die Treppen hoch und klopfte an eine der alten Holztüren. Ein leicht genervtes ,,Ja" erklang und Carolin betrat das Zimmer. ,,Will, Besuch für dich." Damit trat sie zurück, ließ mich eintreten und schloss die Tür hinter sich.
Wills Zimmer war überhaupt nicht altmodisch. Es war in warmen Grüntönen gestrichen und überall hingen Fotos von seiner Familie. Will selbst lag auf seinem Bett und sah nicht mal vom Fernseher auf, als ich im Zimmer stand. ,,Was willst du hier Katy?", fragte er mich und klang erschöpft. ,,Ich hab was gefunden, was dich vielleicht interessieren konnte", antwortete ich. Will schnaubte. ,,Und was? Ein Gramm überflüssiges Fett an deinem Körper vielleicht?" Wieso war er nur immer so ein Arschloch? Ich ließ mich jedoch nicht provozieren und warf sein Handy auf seine Brust. ,,Nicht ganz, das suche ich tatsächlich noch", antwortete ich trocken. Will hob ungläubich sein Handy hoch. ,,Wo war das?", hauchte er verwundert. ,,Unter meiner Bettdecke." Jetzt musste er tatsächlich grinsen, ich ließ mich allerdings nicht davon anstecken. ,,Tja sieht so aus, als wäre dein Handy weitergekommen bei mir, als du", stellte ich nüchtern fest, ,,Immerhin haben wir jetzt beide das, was wir wollten. Naja außer dir vielleicht." Wills Grinsen erlosch. ,,Wie meinst du das?" ,,So wie ich es gesagt habe. Wir haben beide unsere Handys zurück, also das was wir wollten. Außer dir vielleicht, wenn du irgendeine merkwürdige Wette abgeschlossen hast, wo es darum ging, das ich von dir flachgelegt werden soll oder so was krankes. Ich wollte nur sagen, dass ich mich ganz bestimmt nicht von dir und deinen Kumpels weder um meinen ersten Kuss bringen lasse noch..." ,,Stop, stop, stop! Soll das heißen, du hast ernsthaft geglaubt, ich hätte das geschauspielert? Wieso hast du das denn gedacht?" Er war aufgesprungen. Ich starrte ihn sprachlos an. Es war für ihn auch echt gewesen? Er hat mir nichts vor gemacht? Irgendwie glaubte ich es ihm, auch, wenn ich jeden Grund dafür hatte es nicht zu tun. Vielleicht wollte ich auch nur, dass es echt gewesen war... Trotzdem hatte ich das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. ,,Ich... ich weiß nicht... Was hätte ich den sonst denken sollen? Ich meine... Du bist beliebt, heiß und könntest wahrscheinlich jede haben, wenn du wolltest. Ich dagegen schleppe mehr Probleme mit mir herum, als man vermuten möchte und damit meine ich nicht nur mein Essstörung und meine unattraktives Aussehen", versuchte ich ihm zu erklären. Jetzt lächelte Will und dieses Mal war es echt. ,,Wirklich jetzt!? Glaubst du etwa, damit könnte ich nicht umgehen?" Ich zuckte mit den Schultern. ,,Woher soll ich das wissen!?", ging ich sofort in die Defensive, ,,Ich kenne dich gerade mal seit drei Tagen!" Will lachte. ,,Ja, und trotzdem hast du schon vor mir zugegeben, dass du mich heiß findest! Wenn das mal kein guter Schnitt ist, weiß ich auch nicht." Obwohl ich wusste, dass es albern war, fühlte ich mich sofort angegriffen und wich sogar einen Schritt zurück. ,,Ach ja, dann bin also nicht die Einzige, die aus versehen dein aufgeblasenes Ego noch mehr angefeuert hat!? Schön für dich! Dann lass dir gesagt sein, dass du trotzdem ein Arschloch bist, auch wenn du noch so gut aussiehst! Nur, weil du andere Mädchen so rumgekriegt hast, heißt das noch lange nicht, dass das bei mir auch funktioniert!" Wills Miene verdüsterte sich schlagartig. ,,Ja, wahrscheinlich hast du Recht" gab er zu und drehte sich mit dem Rücken zu mir und stützte sich auf dem Schreibtisch ab. Stille. Nur der Fernseher dudelte noch leise vor sich hin. ,,Ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen", sagte ich und es klang, als würde eine Fremde sprechen. Will antwortete nicht. Minutenlang stand er genauso da und rührte sich nicht. ,,Will?", fragte ich vorsichtig. Er murmelte etwas, dass wie ,,Ich kann das nicht mehr" klang. Er drehte sich so plötzlich um, dass ich zusammenzuckte.
Er stand jetzt so dicht vor mir, dass ich keine Chance hatte zu entkommen. Ich sah in seine wunderschönen grauen Augen und tauchte darin ein, wie in eine warme Badewanne, nach einem anstrengenden Tag. Sie zogen mich in ihren Bann und ein warmes Kribbeln erfasste meinen ganzen Körper. Er legte eine Hand an meine Wange und eine meine Hüfte und zog mich näher an sich heran. Ich legte den Kopf in den Nacken, damit ich ihm weiter in die Augen sehen konnte. Mein Atmung beschleunigte sich, während meine Lunge verzweifelt versuchte, meinen Körper mit Sauerstoff zu versorgen. Blut schoss mir in die Wangen und in meiner Magengrube flatterten tausend Schmetterlinge.
Dann lagen seine Lippen auf meinen. Warm und weich. Seine Lippen schmeckten leicht nach Erdbeere und ich legte instinktiv meine Hände um seinen Nacken. Die Schmetterlinge explodierten förmlich und mein Herz hüpfte freudig in meiner Brust. Im ersten Moment konnte ich seinen Kuss gar nicht erwidern, ich schloss meine Augen und genoss einfach nur dieses unglaubliche Gefühl. Dann bewegte er leicht seine Lippen und ich bewegte meine automatisch mit. Er zog mich noch näher an mich heran und drückte mich fest an sich. Ich stieß ein Ächzen aus, weil er ganz schon stark war. Daraufhin lockerte er seinen Griff ein wenig. Die ganze Zeit hatte er nicht aufgehört mich zu küssen und ich wollte auch nicht, dass er aufhörte. Auf einmal wurden seine Küsse intensiver, fordernder, aber nicht weniger zärtlich. Er hob mich hoch und ich schlang meine Beine um seine Hüfte, ohne den Kuss zu unterbrechen. Plötzlich löste er sich von mir und sah mich schwer atmend an. Ich zog irritiert die Augenbrauen zusammen. Sein plötzlicher Rückzug verunsicherte mich. Es war doch alles ok gewesen, oder?
** Sorry, dieser kleiner Cliff-Hänger musste jetzt sein xD. Auch, wenn mein Buch ,,nur" etwas über 100 Views hat, möchte ich mich bei meinen Lesern bedanken und insbesondere möchte ich mich auch bei @dangarouswomen2002 bedanken, weil sie mich auf Wattpad aufmerksam gemacht hat. Ja, sorry, ich musste jetzt mal ein bisschen sentimentaler werden. Ich hoffe, dass euch das Buch trotzdem weiterhin gefällt und ihr es evtl. auch weiterempfehlt. So genug Werbung gemacht und hoffe, dass ich es schaffe heute noch Kapitel 19 zu veröffentlichen, damit ihr nicht zu lange warten müsst.**
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Euphoria (Abgeschlossen)
FantasyEskada, von allen nur Katy genannt, ist eine Euphoria, also jemand, der dafür sorgt, dass die Menschen die Hoffnung nicht aufgeben, egal wie auswegslos die Lage ist. Sie ist dafür verantwortlich, dass es immer einen Ausweg gibt und sie ist nie gesch...