Kapitel 23

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Als wir angekommen waren, schaltete Leanne den Motor ab und wandte sich noch einmal zu Lil und mir um. Gedämpfte Geräusche der Party drangen zu uns durch. ,,Eine Sache noch: Stellt eure Handys auf Vibration und behaltet es nah am Körper. Da drin werdet ihr den Klingelton nämlich nicht hören können!" Lil nickte und ich verdrehte genervt die Augen. Um ehrlich zu sein, war Leanne ein bisschen paranoid. Sie hatte uns mindestens vor betrunkenen Freunden und Feinden gewarnt und uns scharf eingetrichtert, sie sofort anzurufen, wenn uns einer auch nur ansatzweise zu nahe kommen sollte. Will war nicht mehr an sein Handy gegangen, deshalb mussten wir suchen. Leanne würde auf dem ersten Stockwerk suchen, Lil im Erdgeschoss und ich nahm mir den Garten vor. Leanne seufzte und stieg aus und Lil und ich folgten ihr ins Partygetümmel.

Wir suchten inzwischen seit einer halben Stunde und hatten ihn immer noch nicht gefunden. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Inzwischen hatte ich mich Sicherheit alle Blumen im Garten mit Wodka, Tequila und ähnlichem gegossen, schon mindestens zehn verschiedene Typen abgewiesen und dreien davon eine verpasst, weil sie zu zudringlich wurden. Aber hey, die hatten es wirklich verdient, denn die hatten das volle Programm durchgezogen, also mit einem Kussversuch, bei dem die Hände auf meinem Hintern lagen. Oder auf meinen Brüsten je nachdem. Ich hoffte einfach mal für die, dass meine Meinungsäußerung, in Form einer kräftigen Kopfnuss oder dem guten, alten Tritt in die Weichteile, sehr wehgetan hatte...

Ich bemerkte plötzlich, dass sich jemand neben mich gesetzt hatte. Ich drehte meinen Kopf und blickte direkt in Michaels Augen. ,,Du ssie siehhst, hüpsscchh auss heut.. heute Abend", lallte er und seine Alkoholwolke schlug mir entgegen. Mein Gott war der besoffen! Ich zwang mich zu lächeln. ,,Danke!" Er kam mir näher und wollte mich gerade küssen, als ich aufsprang und mein Gehirn das Erstbeste abspulte, was gerade verfügbar war. ,,Hast du Will gesehen?" Michael runzelte angestrengt die Stirn, als versuchte er verzweifelt zu erinnern, wer Will nochmal war. Schließlich wollte ich mich aus der Situation befreien und sagte schnell: ,,Ist ja auch egal, ich finde ihn bestimmt auch ohne deine Hilfe." Ich wollte gerade weggehen, als Michael mir nachrief: ,,Warte!" Immerhin ein Wort konnte er noch geradeaus sprechen... Ich drehte mich um und er winkte mich zu sich heran. ,,Issch glaube, issch... issch habe Will, gesschehen." Ich brauchte eine Weile, bis ich verstanden hatte, was er mir damit sagen wollte. ,,Wirklich?", hackte ich misstrauisch nach. ,,Jaaa, is... is gleich hier um die Ecke." Er erhob sich schwankend und bedeutete mir, ihm zu folgen, was ich nach einigem Zögern dann auch tat. Für die Promille, die er intus hatte, war er sich überraschend trittsicher, wahrscheinlich war sein Körper schon einiges von ihm gewohnt.

Michael führte mich zurück ins Haus und die Treppe hoch in den ersten Stock. Auf der Treppe war ich tausend Tode gestorben, weil ich wirklich Schiss hatte, dass er in seinem Suff die Treppe runterfallen könnte und mich versehentlich mitreißen könnte. Bis auf einen Ausrutscher und ein gemurmeltes ,,Ups, ich glaube der Abstand war größer als ich dachte", oder zumindest etwas ähnliches, war jedoch nichts passiert und wir waren beide in einem Stück oben angekommen; ich mit einem halben Herzinfarkt und Michael mit einem dümmlichen Grinsen in seiner Visage. Er stand einfach da, mitten im Flur und amüsierte sich über irgendetwas köstlich, was ich jedoch irgendwie nicht wahrnahm. ,,Michael", begann ich, nachdem mein Herz wieder zu seinem normalen Rhythmus zurück gefunden hatte, ,,Nur mal so aus Interesse: Wie viel hast du eigentlich getrunken?" Michael zuckte mit den Schultern und trat auf mich zu. (Ich gebe hier die übersetzte und grammatikalisch korrekte Variante von Michaels Gesagtem zum Besten, sonst bräuchte man Google Translate!) ,,Ein, zwei Bier. Wieso fragst du Zuckermaus?" Das war eine so offensichtliche Lüge, dass ich mir ein Lachen verkneifen musste. Und überhaupt. Zuckermaus!? Ich glaube, der besoffene Michael gefällt mir besser, als das nücherne Zweitexemplar.

Allerdings rückte er mir jetzt ziemlich auf die Pelle, was doch ein bisschen unangenehm war, ich ihm allerdings nicht weiter übel nahm, weil er jetzt seine A capella-Version von Katy Perrys ,,Firework" zum Besten gab und ich mich am liebsten vor Lachen auf dem Boden kringeln würde. Als ich mit Müh und Not meine Bauchmuskeln unter Kontrolle brachte und mich wieder aufrichtete, lagen seine Lippen plötzlich auf meinen und ich war zu überrascht um zu reagieren. Unter uns: Michael war ein guter Küsser. Selbst im besoffenen Zustand, wusste er genau, was zutun war und sein Kuss war warm und leicht, wie ein lauer Sommerabend. Anders als bei Will, empfand ich jedoch nichts weiter dabei. Nach der Aktion in seinem Zimmer jedoch, verspürte ich den irrationalen Wunsch Rache zunehmen, also erwiderte ich Michaels Kuss. Ich setzte einfach darauf, dass er morgen einen Filmriss hatte und schlang meine Arme um seinen Nacken.

Ich bekam mit, wie eine Tür aufging und plötzlich wurde Michael grob von mir weggerissen. Will. (Ich weiß, dass das echt offensichtlich war. Sorry dafür.) Sein Gesicht war vor Wut verzerrt und wieder und wieder schlug er auf Michael ein. Ich spürte, wie die düsteren Erinnerungen kamen und mich verschlingen wollten, doch ich kämpfte dagegen an, heftiger als je zuvor. Schließlich zwang ich sie nieder und sobald ich mich wieder in der Gegenwart befand, fand ich auch meine Stimme wieder. ,,Will, hör auf!" Will hielt inne und sah mich an. Dann ließ er von Michael ab. Er packte mich grob am Arm und wollte mich davonzerren. ,,Komm Katy wir gehen!" Ich sträubte mich. ,,Nein! Was wenn du ihn ernsthaft verletzt hast?" Will zog jetzt heftiger an meinem Arm. ,,Na und? Er hat es verdient!" Ich stemmte die Füße in den Boden. ,,Ach ja!? Und womit!?" ,,Du gehörst mir und niemand vergreift sich an dem, was mir gehört!" Ich riss von ihm los und kämpfte mit aller Macht die Stimme meiner Mutter nieder, die mich immer als ihr Eigentum bezeichnet hatte... ,,Ach so!? Ich gehöre also dir!? Und woran machst du das fest!? Hast du mich gekauft oder was!? Zusammen mit deiner blonden Schlampe, oder was!?" Will wirkte verwirrt. ,,Wen meinst du?" Ich schnaubte verächtlich. ,,Weißt du Will, ich hab keine Ahnung, wie dein Freundinnen alle heißen. Darüber musst du schon selbst den Überblick behalten! Du bist alt genug! Und wenn du dir das nicht merken kannst, dann schreibst du es dir halt auf!" Will hatte mir gar nicht zugehört. ,,Meinst du das Mädchen, dass neben mir heute Morgen im Auto saß?" Ich verdrehte die Augen. ,,Mit wie vielen Blondinen hast du denn heute noch geredet, wo ich dich hätte sehen können, du Schlauberger!" Will ging nicht auf meine letzte Bemerkung ein. ,,Angel ist die große Schwester eines Kumpels von mir. Sie geht auch auf die Schule, und weil sie letzte Woche einen kleinen Unfall hatte, ist ihr Auto jetzt schrott, deshalb nehme ich sie mit. Außerdem ist sie, auch wenn sie nicht so aussieht, schon einundzwanzig und nennt mich deshalb immer ,,Kleiner", auch, wenn ich größer bin als sie", erklärte er.

Die Eifersucht in meinem Bauch beruhigte sich ein wenig und ich setzte gerade zu einer Erwiderung an, als Leanne angerannt kam, mit Lil im Schlepptau. Lil wurde langsamer, doch Leanne rannte an mir vorbei und ballerte Will eine. ,,Aua! Wofür war das denn schon wieder!? Und warum eigentlich immer ich!? Was ist aus dem schönen Motto: Gewalt ist keine Lösung geworden!?", jammerte Will. Leanne ging jedoch nicht darauf ein, sondern schlug ihn gleich nochmal. ,,Das war dafür, dass du Idiot einfach nicht an dein Handy gehst und dafür, wie du Katy behandelst!", schrie sie ihn wütend an. Will hob die Hände zum Zeichen der Kapitulation. Irgendwie war es lustig zu sehen, wie Leanne, die gut zwei Köpfe kleiner war, als ihr Bruder, diesen beherrschte. ,,Ich gebe zu, das mit Katy war nicht einer meiner hellsten Momente. Aber von wegen, ich würde nicht an mein Handy gehen! Ich hab alle zwei Sekunden drauf geguckt, ob du angerufen hast. Leanne runzelte die Stirn und zog ihres aus ihrer Hosentasche. Daraufhin schlug sie nochmal zu. Jetzt waren alle verwirrt und sahen Leanne stirnrunzelnd an. Sie zuckte nur mit den Schultern. ,,Aller guten Dinge sind drei, oder?" Sie trat summend auf die Treppe zu, drehte sich dann aber nochmal um. ,,Ach ja, und hier oben ist kein Netz."

Euphoria (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt