(7) Fragen über Fragen

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„Was willst du schon wieder?"
Bevor Hicks ihre Frage beantworten konnte, hörte er wieder dieses Knurren.
Er fuhr herum und konnte seinen Augen kaum glauben.
Hinter ihm stand ein Drache, der Ohnezahn sehr ähnlich sah.
Aber dieser Drache sah nicht freundlich aus. Mit leicht angehobenen Flügeln und zähnebleckend starrte er ihn an.
Hicks wagte es nicht, sich zu bewegen. Auch Ohnezahn sah verwirrt aus.
Der fremde Drache öffnete leicht sein Maul und knurrte nochmal.
„Ganz ruhig, Großer. Wir tun dir nichts..."
„Na ja, wenn du noch einen Schritt auf sie zu machst, könnte es dein letzter sein."
Tatsächlich hatte Hicks seinen Arm ausgestreckt und war langsam auf den Drachen zu gegangen.
Als er die gelassene Stimme hinter sich hörte, stoppte er.
„Woher..."
Er stutzte, als er ihre Augen sah. Jetzt waren sie nicht mehr blau-grün , sondern Dunkelblau mit kleinen silbernen Punkten.
Er sah seinen Nachtschatten an. Dieser verstand allerdings nicht viel mehr als sein Reiter.
Als Hicks sich wieder zu dem Drachen drehen wollte, war dieser verschwunden. Auch das seltsame Mädchen hatte wieder ihre natürliche Augenfarbe.
„Was geht hier vor sich?"
„Warum sollte ich dir das erzählen?"
„Weil ich dir helfen möchte."
„Und wobei?" Sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Bei...äh... bei..."
Er gab es auf und beantwortete ihre Frage lieber mit einer Gegenfrage.
„Warum bist du uns Drachenreitern gegenüber so abweisend? Wir sind gar nicht so viel anders als du."
„Du hast echt keine Ahnung."
„Das würde ich gerne ändern."
„Dann fang bei dir selbst an."
„Was meinst du damit?"
„Gar nicht so viel anders, hm? Drachentöten gehörte also nicht zu deinen Tätigkeiten, oder, Wikinger?"
„Ich habe mich geändert, und nicht nur das, ich habe auch schon mein ganzes Volk geändert."
„Wer's glaubt wird selig."
„Nein, wirklich!"
„Manche Dinge lassen sich nicht ändern."
Hicks hatte das Gefühl, auf Granit gestoßen zu sein.
„Du klingst wie meine Mutter!"
„Dann ist deine Mutter wohl eine große Ausnahme."
Er verstand schon wieder nicht, was sie damit meinte.
„Es sind nicht immer alle böse, nur weil du sie nicht kennst!"
„Danke, aber das wusste ich schon. Trotzdem muss ich nicht jedem Fremden vertrauen."
„Aber-"
„Kein aber. Manchen Leuten sollte man nicht vertrauen."
„Wieso kannst du es nicht einfach mal probieren? Woher willst du denn wissen, dass du mir nicht vertrauen kannst, wenn du mir nicht einmal eine Chance gibst?"
Sie verdrehte die Augen.
„Eine Chance? Du?"
Allein durch ihren Tonfall war klar, was sie davon hielt.
„Warum bist du nur so stur wie mein Vater?!"
Kaum hatte er diese leisen Worte ausgesprochen, hätte er sich auf die Zunge beißen können. Er spürte einen Stich im Herzen. Und einen äußerst harten Schlag auf seiner Wange.
„Ich bin  GANZ SICHER NICHT so wie dein Vater!"
Ohnezahn stellte sich schützend vor seinen Kumpel, aber das war nicht nötig.
Die ‚Schwarze Kriegerin' rauschte in eine andere Höhle und kurz darauf konnte man Flügelschläge hören.

Ohnezahn sah seinen Reiter kurz an, dann machte er es sich in einer Ecke bequem.
Hicks sollte die Möglichkeit nutzen und sich ein wenig umsehen, was er auch tat.
Nach einer Weile entdeckte er eine versteckte Schublade im Tisch.
Darin befand sich ein Stapel leeres Papier, Kohle, ein Messer, etwas Werkzeug und ein paar zugeschraubte Gefäße mit farbigem Inhalt.
Etwas enttäuscht setzte sich Hicks auf einen Stuhl und stützte seinen Kopf auf seine Hände.
Er betrachtete das Werkzeug eine Weile, bis ihm auffiel, dass ein Teil eine andere Färbung hatte.
Sonst konnte er nirgendwo diese Farbe entdecken- außer an einer kleinen Stelle an der Wand. Man konnte sie fast nicht sehen.
Der Wikinger stand auf und ging dorthin.  Ein Schlüsselloch.
Dann müsste das andere ein Schlüssel sein... tatsächlich!
Überrascht machte er einen Schritt rückwärts. Dann bewegte sich ein Teil der Wand.

Eigentlich war es eine Metalltür, an die zur Tarnung Steinsplitter angebracht waren. Die Tarnung war perfekt; es sah wirklich aus wie ein Stück Fels.
Hinter der Tür befand sich ein relativ großer Raum, was schon merkwürdig war.
Noch merkwürdiger war allerdings, dass hier eine Schmiede eingebaut war, es eine Waffenwand, Werkbänke und Fenster mit nach außen hin getarnten Fensterläden gab.  Es existierte sogar eine kleine Nebenhöhle, in der verschiedene Materialien gelagert wurden.
Sonnenlicht fiel durch die geöffneten Fenster genau auf einen Tisch mit mehreren Schubladen.
Als Hicks den Inhalt sah, stockte ihm der Atem.
Pläne von Drachenjägerschiffen, verschiedene Landkarten, Skizzen für Flügel, verstaubte Drachenkarten, eine Liste mit Auktionsorten und ein kleines Büchlein mit Namen verschiedener Inseln.
So viel Zeug, um den Drachenjägern das Leben schwer zu machen.
Aber die Pläne interessierten ihn nicht so sehr wie das kleine Buch. Vielleicht verriet ihm der Inhalt, weshalb die Kriegerin so abweisend zu Menschen war.
Hicks schlug ziellos eine Seite auf.

Berk: übliche Drachen, Wikinger bekämpfen sie
Besonderheit: Nachtschatten, vermutlich der letzte
Auftrag: Wikinger überzeugen, dass Drachen ihnen nichts tun, wenn sie ihnen nichts tun
-> fehlgeschlagen
Neuer Auftrag: Dracheneier auf der Insel positionieren ~ zeigen, dass Drachen auch friedlich sein können, sogar ihr Leben für einen geben, wenn man ihr Vertrauen hat
->

Ungläubig starrte er die Wörter an.
Weshalb wusste niemand davon? Wie war der Auftrag ausgefallen?
Warum war war es der letzte Eintrag?
Ihm fiel sein Traum wieder ein. Hatte er das als Baby miterlebt?
Hatten die Berkianer wirklich gegen diese Menschen gekämpft?
Er konnte und wollte sich diese Fragen nicht beantworten.
Aber er ahnte, wer ihm die Antworten geben könnte.

Ungeduldig schritt Hicks auf und ab. Irgendwann musste sie wiederkommen!
„Du bist immer noch hier."
Erschrocken drehte er sich um. Im Höhleneingang stand die Person, auf die er gewartet hatte.
„Ja, bin ich."
„Warum?"
„Weil ich Fragen habe, die nur du mir beantworten kannst."
„Und warum sollte ich das tun?"
„Weil ich dich darum bitte."
„Vergiss es."
„Ich bleibe so lange, bis ich die Antworten auf meine Frage habe."
Er kam sich vor wie ein Kind, aber etwas anderes fiel ihm gerade nicht ein.
„Ich denke nicht."
Wortlos zeigte er ihr das Buch.
„Du hast es gelesen?"
Es klang eher nach einer Aussage als nach einer Frage.
„Warum steht da drin, dass man die Wikinger überzeugen wollte, dass Drachen nicht nur bösartig sind?"
„Weil das so ist."
„Und weshalb steht da nicht, ob es geklappt hat?"
„Denk mal drüber nach."
Allmählich setzten sich die Puzzleteile in Hicks Kopf zusammen. Er starrte sie an.
„Du?"
„Was ist mit mir?"
„Du warst die Frau, die geschrien hat. Die, die geflohen ist."
„Falsch."
„Aber-"
„Woher weißt du, dass eine Frau geschrien hat?"
„Ich hatte einen Traum."
„Du wusstest sonst nichts davon?"
„Nein... ich war vermutlich gerade mal ein oder zwei Jahre alt... aber woher weißt du davon?"
„Ich war das Baby."




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... und das Bild ist nicht von mir...

Sternenfluch - Auf den Spuren der RätselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt