(9) Schwarz und schnell

377 23 1
                                    

Sie arbeitete schon seit einer halben Stunde in der Schmiede, als Hicks endlich aufwachte.
Es gefiel ihr zwar nicht, dass er hier war, aber sie hatte beschlossen, ihm eine Chance zu geben.
Vielleicht hatte er Recht.

„Was ist das?"
„Wenn du mir schon hinterher läufst, könntest du dich dann wenigstens nicht anschleichen? Und auf deine Frage: das sind Flügel. Und nein, keine echten, auch wenn sie so aussehen, sondern welche für mich."
Sie hoffte, ihm zuvorgekommen zu sein, denn sie hatte wirklich keine Lust auf irgendwelche Fragen.
Aber Hicks hatte anscheinend doch noch welche.
„Wie heißt du eigentlich?"
Während sie versuchte, sich weiter auf ihre Arbeit zu konzentrieren, gab sie ihm in abweisendem Ton die Antwort.
„Ist das wichtig?"
„Naja, wir waren zusammen eingesperrt, haben gegen Drachenjäger gekämpft und sitzen in einer Höhle fest, unsere Vergangenheit verbindet uns und ich weiß noch nichtmal deinen Namen."
„Kann von mir aus auch so bleiben."
Er verschränkte demonstrativ die Arme.
Genervt legte sie ihr Werkzeug beiseite und unterdrückte den Drang, laut zu seufzen.
„Moira."

„Also, Moira, wie schaffst du es eigentlich, zu fliegen, ohne die Hände zu benutzen?"
„Mit Hilfe meiner Rückenmuskeln. Und bitte, könntest du aufhören, mich abzulenken?"
„Okay. Kann ich dir denn irgendwie behilflich sein?"
„Klar. Setzt dich am besten da hinten auf den Stuhl und pass auf, dass er nicht wegläuft. Aber sei dabei leise!"
Sie wandte sich wieder den überarbeiteten Flügeln zu. Diese hier hatten ein paar mehr Gelenke und waren außerdem feuerfest.
Hicks gab es auf, sie in ein Gespräch zu verwickeln und sah ihr einfach zu.
Manche Schmiedetechniken kannte er bereits von Grobian, aber sie bediente sich auch immer wieder ihm unbekannter Gegenstände und Methoden.

Zufrieden betrachtete sie ihr Werk.
Leicht, stabil, feuerfest und gut zu steuern. Perfekt.
Dann stand ihrem Vorhaben nichts mehr im Weg.
Moira drehte sich zu Hicks um.
Ein Blick sagte ihr, dass er (mal wieder) eine Frage hatte.
Sie seufzte. „Was ist?"
Sichtlich überrascht darüber, seine Frage stellen zu dürfen, antwortete er ihr.
„Ich habe mich gefragt, was du gestern damit meintest, nur einen Teil der Frage beantworten zu können. Du hast nicht gesagt, wie du einen Nachtschatten gezähmt hast."
„Weil ich noch nie einen Nachtschatten gezähmt habe."
„Aber dein Drache-"
„Ist kein Nachtschatten."
„Aber..."
„Ja, sie sieht so aus wie ein Nachtschatten, aber nur auf den ersten Blick... Und nein, ich werde sie nicht rufen."
„Aber-"
„Nein."
„Warum-"
„Weil ich das entschieden habe."
Sie begann, die Werkzeuge zu verstauen. Als sie damit fertig war, sah nicht nur Hicks sie fragend an, auch Ohnezahn hatte seinen bittendsten Blick aufgesetzt.
„Eine einzige Frage, und ihr werdet schneller aus dieser Höhle fliegen, als ihr ‚Nachtschatten' sagen könnt."
Natürlich war Hicks sofort einverstanden.
Ein Blinzeln von Moira später landete etwas leise hinter ihm.

Tatsächlich sah man einige Unterschiede; Krallen an den Flügeln, doppelte Schwanzflosse und auch eine etwas andere Kopfform.
Hicks machte vorsichtig einen Schritt auf den Drachen zu.
„Wow...sie sieht Ohnezahn so ähnlich und ist doch so anders..."
Als er seinen Namen hörte, kam auch der Nachtschatten neugierig angelaufen.
Die beiden Drachen beäugten sich misstrauisch, dann umkreisten sie einander.
Hicks ging zu Moira, um nicht im Weg zu stehen, und beobachtete das Geschehen.

Nach einer Weile kamen die Drachen auf sie zu.
Moira strich ihrem Drachen gedankenverloren über den Kopf, woraufhin dieser zufrieden gurrte.
Ohnezahn stupste seinen Reiter ebenfalls auffordernd an und wurde dann auch gestreichelt.
„Könntest du bitte deinem Drachen die Prothese abnehmen?"
„Ähh...Ja, aber warum?"
„Ich möchte sie reparieren."
„Du möchtest... aber wieso?"
„Weil wir dann fliegen können?! Oder willst du die ganze Zeit hier unten bleiben?"
„Nein!"
„Also...?"
Immer noch überrascht entfernte Hicks die Prothese und gab sie ihr.
Moira verschwand daraufhin in dem kleinen Raum mit den Materialien.
„Nachtblitz zeigt euch, wo ihr schlafen könnt, wenn ihr nicht wieder auf dem Boden übernachten wollt.", kam es aus dem Materialienraum.

„Was ist das für ein Stoff?"
„Gefärbte Wechselflüglerhaut. Relativ feuerfest, elastisch und deutlich stabiler als normales Leder. Wie gefällt dir eigentlich dein Schlafplatz?"
Völlig unbeeindruckt befestigte Moira die Schwanzflossenprothese wieder. Hicks dagegen kam mit der Situation überhaupt nicht klar.
„Du hast dich ganz schön verändert..."
„Wie meinst du das?", wollte sie ohne aufzublicken wissen.
„Naja, zuerst warst du richtig abweisend und jetzt hast du Ohnezahns Schwanzflosse erneuerte und wir haben sogar eine Höhle zum Schlafen..."
„Tja, du wusstest wo mein Versteck ist und da du mich nicht angegriffen hast oder ähnliches, habe ich beschlossen, dir vorerst zu vertrauen... Ich würde dann gerne nach draußen, entweder du kommst mit oder ich sperr dich irgendwo ein, damit du nicht nochmal meine Sachen durchwühlen kannst..."

Sowohl die Reiter als auch die Drachen genossen es, durch die Wolken zu fliegen.
Nach einem Wettflug, den Nachtblitz und Moira ganz knapp gewannen, flogen alle vier nebeneinander.
Auch wenn es ihr nicht gefiel, musste Moira zugeben, dass es Spaß machte.
Aber trotzdem vertraute sie ihnen nicht so richtig, dafür saßen die Wunden zu tief.
Und sie konnte sich im Moment auch keine wirkliche Freundschaft leisten, denn damit würde sie entweder alle in Gefahr bringen oder verraten werden...

Eine Freundschaft bedeutete nämlich Vertrauen und Vertrauen machte einen angreifbar. Das wussten sowohl Moira als auch ihre Feinde.
Und falls die Personen sie nicht verraten würden, dann gab es immer noch die Drachenjäger, die keine Gnade wallten ließen.
Entweder man schloss sich ihnen an oder man stand ihnen im Weg.

Sternenfluch - Auf den Spuren der RätselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt