Sternenfluch - Auf den Spuren der Rätsel

(14) Die Suche beginnt

Moira

Ich kann nicht von mir behaupten, Berk besonders zu mögen, aber diese Insel hat etwas an sich.
Es kam mir so vor, als ob hier irgendwo ein Hinweis wäre, der mir weiterhelfen könnte.
Ich kramte die leere Schriftrolle aus Nachtblitz' Satteltasche. Eigentlich war es total dumm, sie einzupacken, aber ich konnte nicht anders.
Selbstverständlich war sie immer noch leer, trotzdem suchte ich zum tausendsten Mal nach versteckten Zeichen.
Wie auch die Male davor hatte ich keinen Erfolg.

„Vielleicht solltest du sie mal mit Kohle oder Staub bearbeiten."
Ich fuhr zusammen. Wie schaffte es Astrid nur, mich immer wieder zu erschrecken?
„Hab ich schon."
„Und was ist mit gegen das Licht halten?"
„Bringt nichts."
„In Wasser tauchen?"
„Auch nicht."
„Anzünden?"
„Wie bitte?!"
Die Zwillinge kamen hinter einem Gebüsch hervor.
„Ich dachte, wir machen alle irgendwelche Vorschläge und verwerfen sie dann ?"
„Müsst ihr beiden nicht Grobian dabei helfen, das Holzlager zu vergrößern?", fragte Astrid genervt.
„Er meinte, wir sollten lieber was anderes machen, nachdem er uns beim Kokeln erwischte."
„Dabei wusste er noch gar nicht, wie toll diese Explosion werden sollte.", schmollte Raff.
Astrid stieß einen Laut aus, der sich wie eine Mischung aus Fauchen, Knurren und Wutschrei anhörte.
„Wir sollten jetzt wieder zu den Anderen gehen, vielleicht haben die noch Ideen.", schlug ich vor.

Hatten sie nicht. Das einzige, was bei unserer Unterhaltung herauskam, war eine Prügelei der Zwillinge.
„Vielleicht ist es wirklich nur ein leeres Stück Pergament..."
Schockiert sah Raffnuss den blonden Wikinger an.
„Und wo bleibt dann die Explosion, Fischbein?"
„Und die Zerstörung?"
Niedergeschlagen guckten sich die Zwillinge an.
„Also mir wäre es ganz recht, wenn es keine Zerstörung gibt."
„Hicks, du bist so ein Spielverderber!"
Der angesprochene Wikinger verdrehte die Augen.
Ich sagte lieber nichts dazu.
„Aber diesem Sungird ist die Schriftrolle anscheinend wichtig."
„Also sollten wir sie vernichten."
Alle sahen mich an, als käme ich von einem anderen Planeten.
„Aber wenn-"
„Astrid, du hast doch gerade selbst gesagt, dass die Schriftrolle Sungird anscheinend sehr wichtig ist. Und wie lange sollen wir noch nach nicht vorhandenen Hinweisen suchen?  Es wäre besser, sie zu vernichten, bevor Sungird sie bekommen kann."
„Du willst einfach so aufgeben?"
„Ich gebe nicht auf, ich gehe auf Nummer sicher.
Nachtblitz?!"
Bevor jemand etwas erwidern konnte, hatte Nachtblitz die Schriftrolle schon angezündet.

„Warum hast du das gemacht? Ich dachte du willst Antworten?!"
„Will ich ja auch."
Ich stand auf, nahm die noch immer brennende Schriftrolle und ging, gefolgt von Nachtblitz, aus der Halle.
Sollte sich Hicks doch alleine aufregen.

„Hicks ist ganz schön sauer auf dich."
„Ach"
„Was ist das?"
„Die Schriftrolle."
„Aber die ist doch verbrannt!"
„Jap."
„Und warum... oh."
Astrid sah sich das Schriftstück neugierig an.
„Du wusstest, dass sie nicht verbrennt, stimmt's?"
„Naja, ich hab's geahnt. Die Zwillinge haben mich auf die Idee gebracht."
„Warum hast du das nicht gesagt?"
„Weil ich mir nicht sicher war. Aber wir haben sonst nichts gefunden, also..."
„Und was steht da?"
„Kannst das nicht lesen?"
„Nein..."
„Okay... Also dort steht:

Sterne siehst du nur bei Nacht,
Hoch hinauf, doch habe acht;
Willst die Flamme du erhalten,
Finde das Papier gespalten.
Wald und Meer und Nacht und Stein
Werden deine Hilfen sein.
Doch steht der volle Mond am Tag,
Hast als Retter du versagt.

Und jetzt versuche ich, das zu entschlüsseln."
„Klingt so, als würden wir etwas suchen müssen, um etwas zu retten."
„Soweit war ich auch schon, aber was das mit Sternen zu tun hat..."
„Was ist Nachtblitz für ein Drache?"
„Ein Himmelsfluch. Auf diese Idee bin ich auch schon gekommen, aber was hat das mit Sternen zu tun?"
„Naja, Sterne sind am Himmel."
„Wolken auch."
„Was ist mit der zweiten Zeile?"
„Keine Ahnung."
„Und die dritte?"
„Irgendwas muss gerettet werden, vermutlich hat es was mit Feuer zu tun."
„Und um das zu retten, brauchen wir ein gespaltenes Papier."
„Ich glaube, mit gespalten meint man zerrissen."
„Wie auch immer. Ich bin nicht so der Fan von verschlüsselten Rätseln. Hicks dagegen könnte Dir bestimmt weiterhelfen."
„Wenn er mir nicht vorher eine Predigt hält."
„Da wirst du wohl nicht drumrum kommen..."

„Willst du mir etwa sagen, dass du das Pergament angezündet hast, weil du dachtest, dann würde es sein Geheimnis preisgeben?!"
„Ja..."
„Warum hast du das nicht vorhin schon gesagt? Dann  hätten wir..."
Und so ging das noch ungefähr 20 Minuten lang, aber ich fand es deutlich interessanter, mich mit Nachtblitz über Sternbilder zu unterhalten.
„... und was steht da eigentlich drauf?"
Geistesabwesend reichte ich ihm die Schriftrolle.
<Und wenn man von dort aus nach Norden schaut, sieht man->
„MOIRA?! Hörst du überhaupt zu?"
„Hmm?"
„Ich schätze, das heißt ‚Nein'", kommentierte Astrid.
Erst jetzt fiel mir auf, dass mich alle abwartend ansahen.
„Was ist denn los?"
„Was steht auf der Schriftrolle?"
„Könnt ihr etwa nicht lesen?"
Raff kratzte sich am Kopf.
„Naja, unsere Mutter hat es uns mal beigebracht, aber so richtig oft haben wir es noch nicht angewendet..."
„So hat sie die Frage doch nicht gemeint!", fuhr Rotzbakke sie an.
Taff sah ihn herausfordernd an.
„Ach ja, was steht denn auf der Schriftrolle, Mister Superschlau?"
„Äh..." Rotzbakke griff nach dem Pergament.
„Also, hier steht eindeutig: Hicks ist ein Angeber und ab jetzt hat Rotzbakke das Kommando."
Alle, auch die Zwillinge, schlugen sich die Hand ins Gesicht und schüttelten den Kopf.

„Gib mal her."
Beschämt reichte Rotzbakke mir das Schriftstück.
Ich verstand immer noch nicht, warum sie das nicht lesen konnten.

„Sterne siehst du nur bei Nacht,
Hoch hinauf, doch habe acht;
Willst die Flamme du erhalten,
Finde das Papier gespalten.
Wald und Meer und Nacht und Stein
Werden deine Hilfen sein.
Doch steht der volle Mond am Tag,
Hast als Retter du versagt.
Und ihr könnt das wirklich nicht lesen?"
„Für mich sind da nur ein paar zusammenhangslose Striche und Kreise.", meinte Astrid.
„Wir kennen zwar viele Schriftarten-"
„... die meisten davon haben wir sogar selbst erfunden-"
„... aber auch für uns ergibt das keinen Sinn, was da steht. Obwohl... wenn für uns etwas keinen Sinn macht, dann macht das für die Anderen doch meistens Sinn, oder, Schwesterchen?"
„Hmm... und wenn für uns etwas Sinn macht, dann finden die Anderen es meistens Sinnlos... lass mich mal kurz überlegen...Hmm..."
Raffnuss kniff die Augen zusammen und runzelte angestrengt die Stirn.
Dann öffnete sie die Augen wieder.
„Hätte ich gewusst, dass denken so anstrengend ist, hätte ich gar nicht erst damit angefangen.", beschwerte die sich.
In der Zwischenzeit hatte sich Fischbein das Pergament genommen.
Auch Hicks betrachtete es mit neuem Interesse.
Dann sah er mich an.
„Kann es sein, dass wir das nicht lesen können, weil es sich um die Schrift seines Stammes handelt? Manche Stämme haben ihre eigene Schrift, damit Fremde keine wichtigen Informationen stehlen können."

Hicks' Gedanke machte Sinn. Das erklärte wirklich einiges.
Schließlich nickte ich und wir widmeten uns endlich der eigentlichen Frage: Was bedeutete das, was da stand?
„Ich schätze, die ersten beiden Zeilen sind eine Art Einleitung. Und dann geht es darum, das man ein zerrissenes Papier braucht, um eine Flamme zu retten."
An dieser Stelle wurde Hicks von Rotzbakke unterbrochen.
„Warum sollte jemand eine Flamme retten?"
Geduldig erklärte ich ihm, dass die Flamme auch ein Stellvertreter für ein anderes Wort sein könnte.
Dann fuhr Hicks fort.
„Die Stücke des zerrissenen Papiers finden wir wahrscheinlich in einem Wald, im Meer, in der Nacht und in oder bei Steinen oder Bergen.
Und wenn der Vollmond tagsüber leuchtet, ist unsere Zeit zur Rettung von was-auch-immer abgelaufen."
„Na super. Da denkt sich der normale Wikinger: Ach ja, tagsüber scheint die Sonne und nachts der Mond. Aber dann kommt so ein Stück Pergament und lehrt einen etwas Besseres.", musste sich Rotzbakke gleich wieder beschweren.
Diesmal erbarmte sich Fischbein und erklärte Rotzbakke, dass manchmal auch tagsüber der Mond zusehen war.
Währenddessen überlegten Nachtblitz und ich, was wohl mit der Flamme gemeint war.
<Hast du mir nichtmal etwas von einer Geschichte deines Stammes erzählt, in der es um das Drachenfeuer ging?>
<Ja... aber wenn mit der Flamme tatsächlich das Drachenfeuer gemeint ist, dann...>
<...haben wir ein sehr großes Problem.>
„Am besten, ich fange so bald wie möglich mit der Suche an."
„Du?"
„Wer denn sonst?"
Astrid schüttelte ihren Kopf.
„Du hast da etwas vergessen, Moira. Als Verbündete unterstützen wir dich. Das heißt auch, dass wir mitkommen."