(50) Wenn die Maske fällt

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Für Elementara , die der Lösung so nah war.

Hicks

„Nur über meine Leiche."
Moira umfasste ihre Axt -oder die der Rächerin, ich war verwirrt- fester und sprang auf.
„Das würde ich gern vermeiden."
Die Rächerin klang ernst, aber ich konnte noch immer keine wirkliche Emotion aus ihrer Stimme herausfiltern. Zusammen mit der Maske, die wirklich einer kalten Fratze glich, und den ausdruckslosen, alles verschlingenden Augen kam sie meiner Vorstellung von Eisriesen sehr nah. Wäre sie nicht nur ungefähr so groß wie Moira, hätte ich sogar meinen Fuß darauf verwettet.
Sie hatte sich nicht weiter von der Stelle bewegt. Als würde es ihr nichts ausmachen, wenn Moira sich gleich auf sie stürzen würde, denn danach sah es sehr stark aus.
„Ich nicht."
Das war das Einzige, was Moiras Angriff noch voranging.

Ich musste dazwischengehen. Ich musste einfach, sonst würde eine der beiden den heutigen Tag nicht überleben. Falls die Rächerin überhaupt sterblich war. Logischerweise müsste sie das, aber allein ihre Erscheinung heute und hier, direkt nachdem Moira uns verraten hatte, stellte jegliche Logik in Frage. Für einen Geist sah sie jedoch wieder zu plastisch aus. Und trotzdem; der Nebel, ihre Stimme, diese Augen- einfach alles war so unwirklich. So übernatürlich.
Was auch immer sie war, man -wir- musste sie ernst nehmen.

Die Axt blitzte auf. Das Wesen in weiß hatte keine Chance, Moira war zu schnell. Ich war zu langsam, hatte mich bisher nicht vom Fleck bewegt. Stand einfach nur stumm da und sah zu.
„Wie zum...?!"
Die Klinge der Axt schnitt durch die Luft. Noch immer bewegte sich die weiße Gestalt nicht. Das Mädchen, von dem ich geglaubt hatte, sie wäre unsere Verbündete, hatte sich verschätzt.
Ganz knapp vor der Rächerin steckte die Klinge der Waffe im Boden. Oder war das Metall einfach durch sie hindurch gegangen?
Von meiner Position aus konnte ich das nicht beurteilen.

Jetzt kam Bewegung in das Wesen. Mit einer ruhig fließenden Bewegung griff es an seinen Rücken und holte- ein Seil hervor?
Wie in Thors Namen wollte sie mit einem Seil gegen Moiras Axt ankommen?
„Oh je, jetzt bekomme ich aber Angst."
Spöttisch lächelnd nahm Moira ihre Waffe wieder an sich.
Einen Moment lang passierte nichts weiter. Beide standen da und musterten den Anderen.
Schwarz und weiß.
Die Verräterin und die Rächerin.

Es legte sich eine angespannte Stille über die Lichtung. Jeder wartete darauf, was als nächstes geschah. Keiner rührte sich, alles drehte sich nur um das Duo in der Mitte der Lichtung. Als ob ihr Kampf über unser aller Schicksal entscheiden würde. Vielleicht tat er es auch.

Die ganze Zeit über waren wir belogen worden. Und ich hatte nichts davon bemerkt! Erst jetzt, als es schon zu spät war. Und nun standen wir hier, auf dieser Lichtung, umgeben von Spinnendrachen, und sahen dabei zu, wie jemand Anderes unseren Kampf führte. Wie ein völlig fremdes Wesen unsere Fehler zu beheben versuchte.
Ich spürte wieder, wie meine Wut aus den hintersten Ecken meines Kopfes hervorkroch. Blitzschnell hatte sie mich erneut in ihrer Gewalt, doch diesmal war es anders.
Anstatt die Beherrschung zu verlieren, konnte ich endlich klarer denken. Als hätte die Welle alles Unnötige weggespült, um mich mein Kartenhaus wieder aufbauen zu lassen. Nur, dass es jetzt halten sollte. Dass es halten musste.

Der Nebel wurde wieder dichter. Erst verschwanden die Bäume, dann meine Freunde, bis man schließlich nur noch einen weißen und einen schwarzen Fleck sah.
Warum ging ich nicht dazwischen? Warum führte nicht ich diesen Kampf, in den ich uns hineinmanövriert hatte?
Ich versuchte, einen Schritt zu machen. Vergebens. Meine Füße waren am Boden festgeklebt. Weiß glitzernde Spinnweben hielten mich an Ort und Stelle. Wir kamen nicht vom Fleck, weder, um dem Kampf beizutreten, noch zurück.
Und selbst wenn ich von der Stelle gekommen wäre; Mein Feuerschwert war weg. Ich hatte es die ganze Zeit über in der Hand gehalten, aber es war verschwunden, ohne, dass ich es bemerkt hatte.
Was war ich nur für ein schlechter Anführer?

Sternenfluch - Auf den Spuren der RätselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt