(40) Vertrauen

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Hicks

„Jetzt aber mal ehrlich; was lässt dich nicht schlafen?"
Astrid zog den Knoten nochmal fest, dann betrachtete sie ihr Werk.
„Müsste halten."
Als sie den Brief fertig geschrieben hatte, hatte sie ihn mit Wachs eingerieben und in eine kleine hölzerne Schachtel gelegt, die sie von Valka extra dafür bekommen hatte. So war die Nachricht wahrscheinlich auch noch lesbar, falls Wasser durch das Holz gelangte.
Das gesamte Gebilde baumelte nun an Bings linkem Vorderbein.
„Also?"
Ich seufzte.
„Das Gespräch mit Moira. Sie weiß ganz genau, dass es Nachtblitz nicht gut geht, aber sie weiß nicht, warum."
„So wie ich sie kenne, hat sie zumindest eine Vermutung."
„Ja, die hat sie. Allerdings hoffe ich, dass sie falsch liegt."
Ich löste meinen Blick von Bings Bein und sah meiner Verlobten in die Augen.
„Sie glaubt, dass die Person, die sie vor einigen Tagen entführt hat, Nachtblitz vergiftete. Der blaue Oleander ist somit wahrscheinlich nicht der Grund. Deshalb wollte sie auch nicht, dass wir ihrem Drachen das Gegenmittel geben. Wir hätten sie damit eher umgebracht als geheilt."
Nachdenklich sah Astrid zu Sturmpfeil und Ohnezahn, die wieder nebeneinander im Sand lagen und schliefen.
„Das heißt, wir wissen nicht, um welches Gift es sich handelt."
„Leider, ja. Und wahrscheinlich ist es sogar noch schlimmer. Nach der Aktion mit dem blauen Oleander glaube ich nicht, dass es sich um ein uns bekanntes Gift handelt. Vermutlich-"
„... haben die Drachenjäger es selbst hergestellt und nur sie kennen auch das Gegenmittel."
Meine Verlobte nickte langsam.
„Wenn das stimmen sollte, würde es erklären, weshalb sie unbedingt die Drachenjäger angreifen wollte..."
Das hätte ich mir denken können.
Natürlich war Astrid nicht gewillt, unserer Verbündeten zu glauben. Jedenfalls nicht ohne Beweise.

„Astrid, ich kann deine Zweifel zwar nicht nachvollziehen, aber ich habe auch nicht das Bedürfnis, so bald wieder mit Sungirds Leuten in Kontakt zu kommen. Trotzdem brauchen wir das Gegengift, und das möglichst schnell. Wir wissen nicht, womit Nachtblitz vergiftet wurde und haben dementsprechend keine Ahnung, wie das Gift wirkt. Womöglich stirbt sie daran."
Einen Moment sagte sie nichts, sondern schien zu überlegen.
„Vielleicht hast du recht. Nachtblitz braucht Hilfe. Das heißt aber nicht, dass wir uns blindlings zu den Drachenjägern begeben und nach etwas suchen, was sie vielleicht gar nicht besitzen."
Ihre Stimme klang hart und entschlossen.
„Überleg doch mal; woher will Moira wissen, wer das Gegenmittel hat? Ihr Entführer wird es ihr wohl kaum gesagt haben."
„Ihr Entführer hat im Auftrag von Sungird gehandelt."
„Sagt sie. Es könnte sich genau so gut auch um einen Kopfgeldjäger gehandelt haben, der keine Ahnung hat, wer Sungird ist."
Ich kannte die blonde Wikingerin lange und gut genug, um zu wissen, dass das bei weitem nicht alles war.
„Worauf willst du hinaus?"
„Ganz einfach. Moira lügt."

Ich stöhnte innerlich auf. So sehr ich Astrid auch liebte, manchmal war ihr Misstrauen äußerst anstrengend. Und doch lag sie damit meistens richtig.
„Sie lügt?"
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich zu meiner Freundin.
„Jap. Das ist die einzige logische Erklärung."
Wenn ich gerade eben schon verwirrt war, dann verstand ich jetzt überhaupt nichts mehr.
Mein Gesichtsausdruck schien meine Gedanken widerzuspiegeln, da Astrid anfing, Gründe für ihre Vermutung aufzuzählen.
„Sie verschwindet, während wir das Glutkesselgift besorgen, einfach so. Als wir nach ihr suchen, liegt Fischbein am Strand und schläft friedlich. Er kann sich anschließend nicht daran erinnern, eingeschlafen zu sein.
Wir finden Moira am Strand sitzend. Überraschenderweise will sie aufstehen und zu uns kommen, obwohl sie keine Stunde vorher fast im Sitzen zusammengeklappt wäre. Als würde ihr das plötzlich auch wieder einfallen, lässt sie sich wieder in den Sand plumpsen. Und ihr Entführer schien sich einfach so davongemacht zu haben.
Anschließend wirkt das Gegenmittel ziemlich schnell, aber sie hat auf einmal Angst vorm Fliegen. Und dann geht es Nachtblitz schlechter.
Ich meine, es kann ja sein, dass sie vergiftet wurde. Aber dann hätte das Gift wahrscheinlich schon früher gewirkt und nicht erst beim Fliegen. Zumal sie beim Laufen überhaupt keine Probleme hat.
Um das Ganze noch zu toppen, verschwinden die Beeren, die ich kurz vor unserem Aufbruch in den Proviantbeutel gepackt hatte, einfach so.
Wenn du mich fragst, verschweigt sie uns etwas."
„Aber wieso sollte sie uns anlügen? Wir sind doch bei ihr, um sie bei ihrer Suche zu unterstützen."
„Moira ist eine schwer zu durchschauende Person. Vielleicht..."
Astrid stoppte und starrte aufs Meer hinaus.
Dann flüsterte sie leise und niedergeschlagen: „Vielleicht ist das alles nur gespielt."

Sternenfluch - Auf den Spuren der RätselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt