(33) Die andere Möglichkeit

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Astrid

Das Lachen des Drachenjägers.
Das war das Erste, was ich wieder hören konnte.
„Sieh es ein, Schwarze Kriegerin, du hast verloren!"
Moira war da anderer Meinung.

Was hatte ich vorhin nochmal über die andere Möglichkeit gesagt? Dass niemand freiwillig blauen Oleander wählen würde?
Gut, dann hieß Moira ab jetzt wohl Niemand.

Ich konnte meinen Augen kaum glauben, als Nachtblitz kräftiger mit dem Flügeln schlug, um die letzten paar Meter zwischen sich und dem Deck zu überbrücken.
Sie würde doch jetzt nicht ernsthaft...?
Nein, ausgeschlossen.
Aber entgegen aller Vernunft drehte Moira nicht ab, sondern hielt weiterhin auf das Deck zu.
Als deutlich wurde, woraus ihr Vorhaben bestand, blieb dem Drachenjäger sein Lachen im Halse stecken.
Und dann landete Nachtblitz direkt neben Moiras Axt.

Die Schwarze Kriegerin vergeudete keine Zeit und stieg schon ab, kurz bevor ihr Drache den Boden berührte.
Mit einem Satz war sie bei ihrer Axt und im nächsten Moment durchtrennte sie mit dieser auch schon Ohnezahns Fesseln.
Nachtblitz hielt währenddessen den Drachenjägerchef mit drohend geöffnetem Maul in Schach.
Da er es nicht für nötig gehalten hatte, seine Axt wieder aufzuheben, stand er der Drachin nun komplett unbewaffnet gegenüber und wich mit jedem Schritt, den das Reptil in seine Richtung machte, weiter zurück.
Zu unserem Pech befanden sich allerdings noch weitere Drachenjäger auf dem Schiff, die nach ihrem anfänglichen Schock aus der Starre erwachten.

Ich beschloss, mein Glück noch einmal zu versuchen.
Ein ekelerregendes Knacken ertönte, als ich meinen Schädel mit voller Wucht nach hinten in das Gesicht meines Peinigers krachen ließ. Für den hatte sich der Traum von einer geraden Nase ein für alle Mal erledigt.
Sein überrascht-schmerzvoller Aufschrei wurde bestimmt nochmal um eine Oktave höher, als ich ihm mit voller Kraft auf den Fuß stampfte.
Meine Güte, auf so hohe Töne wären manche Mädchen neidisch.
Der gewollte Nebeneffekt war, dass er meine Arme losließ und begann, auf einem Bein zu hüpfen.
Falls ihr noch nie einen hüpfenden, mit den Armen kreisenden und unverständliche Laute von sich gebenden Drachenjäger gesehen habt; ihr müsst das unbedingt nachholen.
Schließlich erlöste ich ihn per Fußtritt aus der peinlichen Situation.
Dann schnappte ich mir meine Axt -ehrlich, hatte denen niemand gesagt, dass man Waffen sicherheitshalber aus der Reichweite Gefangener entfernte, oder waren sie zu selbstsicher geworden?-, durchtrennte das Seil, das meine Handgelenke zusammenhielt, und katapultierte den nächsten Drachenjäger ins Meer.

„Wo ist Hicks?"
Moira duckte sich geistesgegenwärtig unter meiner Faust weg und ich verlor fast das Gleichgewicht, da ich mit Widerstand gerechnet hatte.
„Schleich dich das nächste Mal nicht von hinten an mich ran, sonst treffe ich vielleicht doch mal."
„Hätte ich wohl verdient..."
Womit sie nicht ganz falsch lag.
Ich blockte einen Schwerthieb ab und sie stellte dem überraschten Drachenjäger ein Bein, sodass dieser Bekanntschaft mit dem Boden machte.
„Er müsste dahinten irgendwo sein."
„Okay. Sobald er bei Ohnezahn ist, verschwinden wir von hier." Sie nickte mir noch kurz zu, dann war sie auch schon wieder verschwunden und ich begann, mir den Weg zum Nachtschatten freizukämpfen.
Es war mir zwar ein Rätsel, wie wir ohne getroffen zu werden von hier wegkommen sollten, doch das war mir bei weitem lieber als nur herumzustehen und zuzugucken, wie andere sich verausgabten.

Ohnezahn begrüßte mich mit einem freudigen Gurren, bevor er einem verwirrten Drachenjäger einen Plasmablitz vor die Schuhe schleuderte.
Die Wucht der Explosion sorgte dafür, dass er von den Füßen gerissen wurde und in einen seiner Kollegen krachte.
Beide verloren ihr Gleichgewicht und gaben mir die Möglichkeit, die Person zu sehen, die bis vor einer Sekunde noch mit dem Drachenjäger gekämpft hatte.
Irgendwie hatte Hicks es geschafft, sich mit noch immer gefesselten Händen und seinem Feuerschwert zu seinem Drachen zu kämpfen.
Daher schnitt ich als Erstes seine Fesseln durch, als er uns erreichte.
„Danke." Damit schwang er sich auf Ohnezahn.
Mit einem leisen Klicken rastete seine Beinprothese in die dafür vorgesehen Vorrichtung ein.
Und mit einem genauso leisen Knirschen zerbrach einer der herumliegenden Pfeile.
Bevor einer von uns etwas unternehmen konnte, sackte der Drachenjäger auch schon in sich zusammen. Ich konnte gerade noch so den winzigen Pfeil erkennen, der aus seinem Oberarm lugte.
Dafür hatte Moira also das Schnelle-Stachel-Gift gebraucht.
„Astrid!"
Im letzten Moment griff ich nach Hicks' Hand und wurde von ihm auf Ohnezahns Rücken gezogen.

Sternenfluch - Auf den Spuren der RätselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt