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»Technisch gesehen, und das sage ich mit voller Enttäuschung, war das keine Verlobung.« Nathalie lächelte spitzbübisch und hielt die Hände vor der Brust verschränkt.

Sie hatte alle zu uns nach Hause eingeladen, doch Carla musste zu sich nach Hause, Kai wollte mit Ari feiern und Noah hatte ohnehin vorgehabt, bei uns Stiesing-Frauen zu übernachten. Sodass unser Grüppchen zum Abschied auf dem Besucherparkplatz stand und sich alle restlichen Gliedmaßen abfror, die noch nicht drinnen abgefallen waren.

Ich würde nie verstehen, was jetzt genau so toll an Wintersportarten war.

»Eine Verlobung übers Handy lassen wir auch gelten!«, hielt ich standhaft dagegen und blies mir immer wieder auf die Hände, damit wenigstens die mir nicht abfielen.

»Das ist eigentlich unfair.« Nathalie schien ernsthaft verärgert zu sein. Was keinen Sinn machte. »Da habe ich einmal die Gelegenheit bei euren berüchtigten Anträgen dabei zu sein und ihr schummelt.«

»Es war ja nicht geschummelt. Es war alles ernst gemeint.« Noah legte seinen Arm um mich. »Zumindest der Part, dass ich immer an deiner Seite sein will.«

Kurz schwiegen die Umstehenden, dann machte Kai ein Kotzgeräusch und Ari lachte. Einzig Carla hatte Herzchenaugen, was mich an die Emojis im Chat erinnerte. Sie war schon immer mit einem ziemlich ausdrucksstarkem Gesicht gesegnet gewesen.

Wir beeilten uns mit dem Verabschieden, was vor allem meine Schuld war, da ich mir allmählich wirklich alle Extremitäten abfror. Ich kletterte zu Noah auf die Rückbank von Nathalies winzigen Fiat Punto, den sie mehr liebte als unseren Hund – was schon etwas bedeuten sollte – und eine Zeit lang fuhren wir auch in Stille, nur unterbrochen durch das Gedudel des Radios, das die ewig gleichen Weihnachtslieder spielte, die mir zum Hals herauskamen.

Ich hasste diese Zeit des Jahres wirklich.

»Wie läuft das eigentlich«, fragte Nathalie und warf kurz einen Blick in den Rückspiegel. »Wenn die Mädchen neben euch das ins Internet stellen ... Und ihr versehentlich zu einer Internetsensation werdet? In der heutigen Zeit ist das nicht ungewöhnlich.«

Noah sah kurz zu mir, ehe er wieder aus dem Fenster starrte. »Kai wird sich in die Systeme hacken und alle Beweise vernichten.«

»Ehrlich?«

»Nein!«, lachend verdrehte ich die Augen. Meine Cousine war viel zu leichtgläubig, besonders wenn es um technische Dinge ging. Sie besaß zwar das neuste Smartphone und hatte in der Küche eine vollautomatisierte Kaffeemaschine, die sogar sprechen konnte, aber dennoch lebte sie ein wenig hinter dem Mond. Dabei versuchte sie es sogar, hatte sich twitter, facebook und instagram angeschafft, versendete mehr Smileys als ich zählen konnte und benahm sich auch so eher wie die Mutter, die ich nie hatte, von der aber alle Mitschüler immer in Furcht sprachen. Die Frauen und Männer, die versuchten cool zu sein und damit grauenhaft auf die Nase flogen.

Nathalie war genau so.

»Bisher ist das noch nie passiert«, gestand Noah. »Und wir sollten uns auch wieder aufs Wesentliche beschränken.«

»Das wäre?«, fragte Nathalie hartnäckig nach. Ich zog an Nathalies Haarsträhnen und ignorierte den Aufschrei, der folgte. »Was denn? Darf ich mit einem Schlag nicht mehr Interesse an deinem Leben haben? Von deinem Barkeeper hast du mir auch erzählt!«

»Nicht freiwillig«, zischte ich zurück.

Scheiße.

Vielleicht hatte Noah es nicht gehört. Vielleicht war er in Gedanken versunken oder er lauschte dem Lied im Radio oder er war zu sehr darauf konzentriert, sich auszumalen, was er als nächstes planen würde.

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