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»... es macht dir auch wirklich nichts aus?« Zarah Moon starrte mich hinter ihren großen Brillengläsern mit müden Augen an und kramte blind in ihrer Handtasche nach ihren Schlüsseln oder ihrem Portemonnaie oder ihrer Brille – alles heute schon vorgekommen.

»Mach dir keine Sorgen.«
Ich machte sie mir schon.

Dabei hatte der Tag gar nicht einmal so mies angefangen. Die Rückmeldung der Uni, an der ich mich beworben hatte, war eingetroffen und sie hatten tatsächlich noch ein Platz im Wintersemester für mich frei.

»Skye ist in einer Stunde hier, um ihn dir abzunehmen.«

Ich strich dem noch schlafenden Jungen im Buggy über die Haare und lächelte Zarah aufmunternd zu. »Mach dir wirklich keine Gedanken. Ich kann gut mit Kindern.«

Welche Lüge. Gerade wenn man bedachte, welches Chaos der siebenjährige Philipp hatte anstellen können. Wer wusste schon, zu welchen Gräueltaten Vierjährige imstande waren? Damals hatte Noah mich retten können, diesmal war ich auf mich allein gestellt und meine einzige Hoffnung war, dass Elias noch immer krank war und deswegen keine große Bedrohung darstellen konnte.

Außerdem hatte Zarah mir einen Gefallen getan, sodass ich ihr einen zurückschuldete. Da kam ihre Bitte, für eine Zeit auf Elias aufzupassen, während ich ohnehin im Café saß, gerade recht.

»Ma ist bald wieder da«, flüsterte meine Chefin, richtete sich auf und verließ den Laden nach einem weiteren Hinweis, dass sie ihr Telefon auf extra laut gestellt hatte. Für den Notfall. Und dass ihre Frau bald hier sein würde.

Dabei wusste ich nicht, woher die Aufregung rührte. Es war ein stinknormaler Donnerstagnachmittag bei Regen. Der Laden war leer, bis auf die wenigen Stammkunden. In einer halben Stunde würde Zarahs Vertretung anfangen und in der Küche schon einmal die Teige und Kuchen für den nächsten Tag anrühren.

Ich schob den Buggy weiter hinter die Theke, fischte aus meiner Tasche ein Buch und holte mir einen Hocker, um zu lesen. Leicht verdientes Geld.

Gerade müsste Noah die neuste Lieferung erhalten haben. Der Gefallen, den Zarah mir getan hatte. Einen ihrer berühmten XL-Cupcakes mit einem Herz aus Esspapier, auf dem meine Nachricht stand.

»A&N=<3

Der 92. Antrag, es ging mit schnellen Schritten auf die 100 zu und ich gab es nur ungern zu, aber mithilfe von Elaine hatte ich meine Ideen etwas anders arrangiert. Sie hatte tatsächlich ganz brauchbare Ideen – etwas, das ich noch viel weniger zugeben wollte.

»Ich wusste nicht, dass der Laden so klein ist.«

Wenn man vom Teufel dachte ... Elaine stand in einem sommergelben Kleid im Eingang des MoonHours und stolzierte auf hochhakigen Stelzen zu mir herüber.

»Hatten wir eine Verabredung?«, fragte ich schnippisch und legte das Lesezeichen ins Buch zurück. War sie denn überall? Apropos.
»Woher weißt du eigentlich, wo ich arbeite? Und dass ich gerade arbeite?«

Sie legte ihre Tasche auf der Theke ab und grinse verschmitzt.
»Bitte«, war alles, was sie sagte.

Biest. Hexe. Drache.

»Babysitterin bist du auch? Ich wusste nicht, dass meine Schwester so vielseitig einsetzbar ist.«

»Könntest du bitte aufhören, mich Schwester zu nennen?« Instinktiv schob ich den Buggy noch näher zu mir. Ich glaubte zwar nicht mehr, dass Elaine gefährlich war, aber das bedeutete nicht, dass ich ihr vertraute. Sie hatte früher schon mein Leben versauen wollen. Wer wusste, wie sie heutzutage dazu stand.

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