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Wenn meine Freunde mein Haus schon als protzig bezeichneten, wollte ich gar nicht wissen, was sie von Daniels Penthouse-Suite halten würden. Penthouse-Suite. Allein diese Bezeichnung ...

»Eigentlich ist es eine Maisonette-Penthouse-Suite. Wenn es diesen Begriff überhaupt gibt«, erklärte Daniel und reichte mir ein Glas Cola, mit dem ich mich dankend auf die riesige Ledercouch-Garnitur setzte, die so groß war, wie mein halbes Zimmer. Zweifelsfrei musste er in seiner Wohnung doppelt so viele qm² haben, wie wir in unserem gesamten Haus. Vielleicht auch das fünffache. Wozu brauchte man so viel Platz?

»Welche Bank hast du ausgeraubt, um dir das hier leisten zu können?«, fragte ich mit verengten Augen und wagte es mich gleichzeitig nicht, mich auf der Couch zurückzulehnen.

Schwarzes Leder. Ungemütlicher konnte es nicht kommen. Protziger ging auch nicht. Ein wenig unsympathisch wurde er mir dadurch schon. Solch einen Lebensstil ließ sich nicht mit dem Bild von Daniel vereinbaren, das ich in meinem Kopf hatte.

Daniel lachte, gesellte sich jedoch nicht zu mir. Stattdessen blieb er stehen und schaute aus einem seiner sieben Fenster, die einen recht normalen Blick über die Stadt boten. Seine Wohnung war nicht einmal Top-Class, das war eigentlich das traurige.

Vermutlich übertrieb ich auch. Sehr wahrscheinlich sogar. Die Suite war groß, ohne Frage. Sie war elegant eingerichtet und ähnelte vom Stil sehr dem Lotus, was auf denselben Inneneinrichter schließen ließ. Oder auf Daniels exquisiten und außergewöhnlichen Geschmack. Der Wohnraum bestand aus einem Wohnzimmer mit Klavier, Kamin und Multimedia-Ecke, dazu auch hier ein Billardtisch. Durch einen Türbogen gelangte man in eine spärliche Küche und durch eine versteckte Leiter hinter einer Wandeinlassung führte der Weg in Daniels Schlafzimmer, in dem man, seinen Worten nach, nicht aufrecht stehen konnte.

Trotz der zwei, drei Dekoelemente, die ich unnötig fand, raubte mir diese Art zu leben den Atem. Es war sein Rückzugsort und der war nicht in seinem Gehirn, sondern real, zum Anfassen. Keine liebevolle Cousine, keine Exmänner oder Ex-Adoptiveltern, die unaufgefordert vor der Tür standen. Das war eine Freiheit, die mir noch fehlte.

»Die Wohnung war ein Geschenk von Katrin zum bestandenen Abitur. Als ich ein Jahr nichts tat und mein versprochenes Studium nicht anfing, stellte sie mich vor ein Ultimatum. Ich konnte entweder mit dem Wirtschaftsstudium beginnen«, er pausierte kurz, um einen Schluck zu trinken. Sein Blick kehrte vom Glas zurück zur entfernten Skyline. »Oder ein anderes Studienfach, wenn mir danach war. Jedenfalls sollte ich studieren, andernfalls würde ich die Wohnung in monatlichen Raten abzahlen müssen.«

Ich wusste bereits, dass Katrin seine Stiefmutter war, Richterin und ein Genie, wenn es um Geld ging. Ähnlich wie ich war auch Daniel nicht an eine »normale« Familie gewöhnt, mit Mama und Papa und Haustier und Haus und Auto und langweiligem 0815 Leben. Auf seltsame Weise fühlte ich mich dadurch mit ihm verbunden. Was mir auch ein kleines bisschen Angst einjagte, denn es passte zu gut. Und ich wusste, wann immer etwas zu gut war, bekam man im nächsten Moment die volle Breitkante.

»Und der Club?«

»Als mein Vater starb, hinterließ er mir eine Menge Geld. Ich kannte ihn nicht, er war nie da gewesen. Doch er hielt Geld schon immer für wichtiger als Nähe, wie Mam mir sagte. Ich kaufte mir mit diesem Geld den Club, stellte Skip als Geschäftsführer ein und studiere tagsüber.« Beim letzten Satz drehte er sich um. Starrte mich mit leicht geöffneten Lippen an, die vorhin so wunderbar gekostet hatten.

Ich muss aufhören, so extrem idealistisch romantisch zu denken.

Wir unterhielten uns weiter, von unseren verkorksten Familienverhältnissen, die für andere abschreckend wirkten, aber wir beide nur allzu gut verstanden. Wenn auch jeder auf seine eigene Weise. Ich erzählte von meinem ursprünglichen Wunsch, Kindern zu helfen, die ein ähnliches Schicksal erleben mussten wie ich selbst. Mir war bewusst, dass es wie ein Slogan aus einer Miss-Wahl klang, doch aus irgendeinem Grund glaubte ich, dass ich das Daniel erzählen konnte. Genau wie ich es damals Noah erklärt hatte, als er fragte, welche Beweggründe mich ausgerechnet auf diese Schule gelenkt hatte, wenn es doch so viele andere gab.

99 MalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt