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»Was ist los mit dir?«, fragte ich Daniel etwas später und setzte mich auf seinen Schoß. Mit einer Hand an seiner Wange und der anderen in seinem Nacken, um die kleinen Löckchen dort um meine Finger zu wickeln.

»Was sollte los sein?« Allein seine Stimme verriet, dass er etwas zurückhielt. Ich beugte mich zu seinem Gesicht hinunter und küsste ihn sanft. Als sein Griff um meine Hüfte fester wurde, löste ich mich von seinen Lippen und schmunzelte.

»Vor all den Leuten?«

»Welchen Leuten?«

»Herrje«, mischte sich eine dritte Stimme ein und ich drehte meinen Kopf, um dem Blick von Noah zu begegnen. »Aus welcher Neunziger RomCom seid ihr denn entsprungen? Mir war nicht bewusst, dass es die Märchen auch in FSK16 Versionen gibt.«

»Dafür dass du so viel Bier trinkst, kannst du dich bemerkenswert gut artikulieren«, erwiderte ich, weil ich gar nicht erst auf seine Fragen eingehen wollte. Schon an Weihnachten hatte ich feststellen dürfen, dass ein angetrunkener Noah kein guter Gesprächspartner war. Nochmal musste ich diese Erfahrung nicht machen.

»Welches Bier?« Noah zwinkerte uns zu, ehe er Kai heranwinkte. »Robin, kannst du mir mal helfen?«

Da Kai sich als Robin Hood verkleidet hatte – um »von den hübschen Mädchen zu nehmen und den weniger Hübschen zu geben« – passte der Name doppelt. Er war zwar nicht Noahs Batmans Robin, aber noch immer ein Robin.

»Bruce, aber natürlich. Mit was?« Kai legte einen Arm um Noahs Nacken und grinste schelmisch.

Ein flaues Gefühl stieg in meinem Magen auf und wie wir alle wussten, war dies nie ein gutes Zeichen. Es gab nur wenige Zeiten, wenn mein Bauchgefühl mich hintergangen hatte. Und Noah und Kai, betrunken an Fasching, umgeben von Freunden und Fremden ...

»Noah, nicht hier«, sagte ich sofort und sprang von Daniels Schoß auf. »Nicht heute.« Meine Stimme klang scharf, genau wie beabsichtigt. Was Noah und Kais Grinsen nicht schmälerte. Als hätten sie nur auf diese Art der Reaktion gewartet, hob Kai seinen freien Arm und aus den Lautsprechern am Eingang ertönte der Hochzeitsmarsch. Im nächsten Moment latschte eine als Braut verkleidete Frau mit einem Tablett herein. Wunderkerzen brannten neben Schnapsgläsern. Und in der Mitte des Ganzen stand eine kleine Schatulle.

Ich hob die Hände vors Gesicht und spürte regelrecht wie meine Wangen rot wurden. Entschuldigend drehte ich mich zu Daniel um, der langsam mitzubekommen schien, weswegen ich mich so schämte.

»Es tut mir so leid, Daniel«, sagte ich leise. Noah wollte provozieren.
Dieser verdammte Mistkerl.

»Alyssa. Liebe meines Lebens!«, brüllte mein bester Freund und hob die Schachtel vom Tablett, um vor mir auf die Knie zu fallen. Ich konnte seine Augen durch die dämliche Maske nicht sehen, nur das breite Grinsen.

Daniel legte mir einen Hand auf den Rücken. »Mach nur«, flüsterte er, »Dann kann ich es endlich mal live und in Farbe sehen.«

Ermutigt nahm ich einen tiefen Atemzug. Leicht würde ich es Noah sicher nicht machen, das verdiente er nicht.
»Die Liebe deines Lebens? Und was ist mit Elaine?«

Noah schnaubte. »Vergiss doch Elaine, du bist hier, nicht wahr?« Er nahm meine Hand in seine, bevor ich reagieren konnte. Mit festem Griff hielt er sie fest und streichelte meinen Handrücken mit seinem Daumen. »Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe.«

»Das kommt davon, dass ich Schneewittchen bin.«

Kai neben uns lachte und klopfte Noah auf den Rücken. Ich hob den Blick, um im Raum nach Carla zu suchen, doch die Meute um uns herum war zu dicht. Zu unseren Freunden, die teilweise entsetzt zu uns starrten, hatten sich auch Fremde gesellt und die Besitzerin der Kneipe stand mit verschränkten Armen an einer der Holzsäulen, die den separaten Bereich abtrennten.

99 MalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt