34. Kapitel

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"Calum hasst uns nicht. Das hat er einfach nur so gesagt. Er liebt dich Rebecca."

"Nein. Calum hasst mich."

"Sag das nicht. Er liebt dich so so sehr."

"So sehr, dass er mich verlassen wollte? Es ist alles meine Schuld."

Wochen lang habe ich mich in meine Wohnung verkrochen. Nur ein Mal war ich in Calums Wohnung, gleich nach dem Vorfall, um Duke abzuholen und in die Psychiatrie zu bringen wo Calum war.

Dort war er sicherlich nicht freiwillig, doch es war besser so.

"Ist doch egal. Es ist passiert und das war's. Aber eine andere Frage. Wie konntest du überhaupt Calum auffangen? Es war doch fast unmöglich."

Es ging alles so schnell, ich hatte eigentlich gar keine Idee, was wirklich passiert ist.

"Er ist nicht gesprungen. Er hat sich langsam fallen lassen, was mir die Chance gab, nach ihm zu greifen und ihn zu halten." erklärte Ashton.

Er wusste ja gar nicht wie dankbar ich ihm war. Ich hatte ihm auf dem Weg zu ihm immer wieder gesagt, dass ich froh bin, dass er da war und ich ihm dankbar bin. Und auch als ich die Nacht über bei ihm und seiner Freundin geschlafen habe, betonte ich das immer wieder.

Er tat so viel für mich. Er hatte Calum gerettet, mich die darauf folgenden Nächten bei ihm schlafen lassen und ich als ich mich von meiner Arbeit abgemeldet hatte, unterstütze mich Ashton dabei. Von da an, war er jeden Tag bei mir und kümmerte sich um mich. Oder vielleicht kümmerte er auch um sich. Wir beide brauchten die gegenseitige Unterstützung.

Manchmal kam Jasmin mit und wir beide konnten mit ihr reden. Anfangs dachte ich, Ashton hatte es gut weggesteckt, doch schnell bemerkte ich wie traumatisiert er war.

Einmal sagte er: "Wenn ich Calum nicht gefangen hätte... ich wüsste nicht was ich gemacht hätte. Vermutlich wäre ich hinterher gesprungen."

Das brach mir das Herz. Als Jasmin das hörte, fing sie an zu weinen, auch wenn sie in dieser Situation als Psychologin professionell handeln hätte müssen. Doch es war okay. Weinen ist okay. Schwäche zu zeigen, ist stark.

Einige Male kamen auch Michael und Luke. Sie konnte es gar nicht fassen, als wir ihnen erzählten, was Calum vor hatte.

An diesem Tag, war nur Ashton bei mir. Von Calum hatten wir seit dem Suizidversuch nichts mehr gehört.

Bis ein bestimmter Anruf kam.

"Rebecca Harris?" Nach dem sich die unbekannte Nummer als das Personal der Psychiatrie herausstellte, stellte ich auf Laut, damit auch Ashton alles mitbekam.

"Miss Harris, wir haben zwei Briefe gefunden, welche ihr Freund bei sich trug. Wir gehen davon aus, sie möchte diese lesen?"

"Briefe im Sinne von... Abschiedsbriefe?" Ich wollte das letzte Wort gar nicht erst aussprechen.

Ich nickte zuerst, bis ich dann antwortete. "Ja bitte."

Sie erklärten, dass Calum diese vermutlich nur für sich geschrieben hatte, da er sie bei sich in der Jackentasche hatte, doch da einer der beiden an mich adressiert war, fragten sie mich.

Ich dachte, damit sei der Anruf beendet, doch die Dame am anderen Ende hatte noch etwas zu sagen.

"Ihr Freund Calum, hatte den Wunsch mit ihnen zu reden. Er ist bei mir, wenn auch sie mit ihm reden möchten."

Sofort reagierte ich mit: "Ja bitte!" und gleich danach hatte ich Calum an der anderen Leitung. Ashton musste gar nichts gesagt werden. Er stand auf und verließ den Raum, damit wir beide in Ruhe alleine reden konnten. Ich stellte den Lautsprecher ab und hielt meine Handy an mein Ohr.

Nur kurze Zeit später hörte ich endlich seine Stimme.

"Rebecca?" fragte er, um sicher zu gehen, ich würde ihn hören.

"Hey Calum." Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich hatte angst davor, was nun kommen würde. Tausend Szenarien gingen mir durch den Kopf, doch die die tatsächlich passiert ist, war nicht dabei.

"Wie geht es dir?" fragte er. Seine Stimme klang trocken, wie als hätte er wochenlang nichts getrunken. Und nicht nur das. Er klang anders wie sonst. Die Art wie er sprach, war nicht die Selbe.

Ich wollte ihn nicht anlügen. "Es geht so. Besser als die letzten Wochen jedenfalls."

Die wichtigere Frage war: "Wie geht es dir, Calum?"

"Ich weiß nicht." Seine Antworten änderten sich schnell. "Gut. Okay, sagen wir es geht mir besser. Nein, das tut es nicht. Mir geht es verdammt schlecht. Ich vermisse dich. Ich will bei dir sein, kann aber nicht."

"Ich werde dich besuchen, versprochen."

"Das geht nicht. Die Ärzte sagen, es sei besser..." Calum brach ab. Als erstes hörte ich ein leises Schniefen, dann ein Seufzten. Dann sprach er weiter. "... wenn wir uns erst mal nicht sehen, bevor es mir nicht sichtbar besser geht. Und das ist so bescheuert, denn ich brauche keine Medikamente oder was auch immer. Ich brauche dich. Und Duke. Und Michael, Luke und Ashton wären auch nicht schlecht. Aber vor allem brauche ich dich. Ich vermisse dich und es tut mir so sehr leid. Ich bin ein verdammter Idiot."

"Nein Calum. Ist schon okay. Passiert ist passiert und wir müssen das einfach vergessen."

"Ich hab gesagt, ich würde euch hassen." sagte er, gar nicht beachtend, was ich sagte.

"Ich weiß." erwiderte ich nickend.

"Du weißt auch, dass ich das nicht so meinte. Ich liebe dich so sehr, Rebecca. So so sehr. Ich wüsste nicht was ich ohne dich machen würde." Ehrlich gesagt, glaubte ich bis zu diesem Anruf, er würde mich hassen.

Ich hätte mich selber dafür schlagen können, zu glauben, Calum würde mich, würde uns hassen.

"Ja, natürlich weiß ich das." Es war strenggenommen kein Lüge mehr. "Ich liebe dich auch."

"Okay, ich muss jetzt auflegen." Kaum hatte ich ihn wieder, musste er gehen.

"Wann werden wir uns wieder sehen?" Ich wollte nicht nur mit ihm reden, ich wollte ihn sehen, umarmen und küssen.

"Ich weiß es nicht. Wenn es gut läuft, in einem Jahr? Vielleicht kann ich die Ärzte zu einem Treffen überreden."

Plötzlich brach die Verbindung ab.

"Calum? Calum!" Doch er war schon weg. Wir konnten uns nicht verabschieden. Vielleicht war das auch besser so. Das hieß, wir mussten uns noch mal sehen. Es war nicht das Ende.

Als ich dann einige Minuten nichts mehr sagte, kam Ashton wieder rein, vorsichtig bis er sah, dass ich nicht mehr telefonierte.

"Und?" fragte Ashton.

Ich schüttelte nur leicht den Kopf und brach wie jeden Tag in Tränen aus.
Er setzte sich neben mich, legte einen Arm um mich und zog mich somit näher an mich.

"Ab jetzt wird alles besser. Jetzt kann nur alles besser werden. Calum wird nun geholfen. Das wird schon wieder."

Disconnected // c.h.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt